Stellungnahme des Jungen Kollegs zum Nachwuchspakt
Das Junge Kolleg begrüßt die gemeinsame Initiative von Bund und Ländern zur Stärkung des wissenschaftlichen Nachwuchses im Tenure-Track-Programm (Nachwuchspakt), welcher im Sommer 2016 vorgestellt wurde. Im Rahmen dieses Programms stellt der Bund bis zu 1 Milliarde Euro bereit, um die Universitäten bei der Etablierung des Tenure-Track-Systems als einen alternativen Karriereweg für den wissenschaftlichen Nachwuchs zu unterstützen. In 2017 konnten 104 der 468 Tenure-Track-Professuren für NRW-Universitäten eingeworben werden. Das Junge Kolleg sieht allerdings wichtige Punkte, die erfüllt werden sollten, um den Nachwuchspakt nachhaltig umzusetzen und seine Ziele zu garantieren.
Das Junge Kolleg der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste hat sich im Jahr 2016 für die Schaffung von Tenure-Track-Professuren ausgesprochen [1]. Vor diesem Hintergrund begrüßt das Junge Kolleg daher die gemeinsame Initiative von Bund und Ländern zur Stärkung des wissenschaftlichen Nachwuchses im Tenure-Track-Programm (dem sogenannten Nachwuchspakt), welcher im Sommer 2016 vorgestellt wurde. Im Rahmen dieses Programms stellt der Bund bis zu 1 Milliarde Euro bereit, um die Universitäten bei der Etablierung des Tenure-Track-Systems als einen alternativen Karriereweg für den wissenschaftlichen Nachwuchs zu unterstützen. Dies soll unter anderem eine frühere Planbarkeit von Karrierewegen ermöglichen, einhergehend mit Verbesserungen der Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie. Das neue Tenure-Track-Programm soll damit nachhaltig zur Stärkung des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland bei gleichzeitiger Erhöhung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Wissenschaftssystems beitragen.
In der ersten Ausschreibungsrunde 2017, deren Ergebnisse am 21.09.2017 von der Gemein- samen Wissenschaftskonferenz bekanntgegeben wurden, konnten von nordrhein-westfälischen Universitäten 104 von 468 dieser zusätzlichen Tenure-Track-Professuren eingeworben werden. Das Junge Kolleg sieht dabei jetzt folgende wichtige Punkte, die erfüllt werden sollten, um den Nachwuchspakt nachhaltig umzusetzen und seine Ziele zu garantieren:
● Dauerhafte Zunahme an Lebenszeitprofessuren
(Verwaltungsvereinbarung § 8 Abs. 3)
Ein wichtiges Ziel des Tenure-Track-Programms ist ein langfristiger Anstieg der Lebenszeitprofessuren in Deutschland, der jedoch nicht zu Lasten von bereits existierenden Stellen (Professuren sowie Mittelbau) umgesetzt werden darf.
Darum sind zum einen die zum jetzigen Zeitpunkt bereits geplanten Professuren bei der Dokumentation der neugeschaffenen Professuren zu berücksichtigen. Vor allem bereits zugesagte Lebenszeitprofessuren sollten von den im Nachwuchspakt geförderten Professuren klar abgegrenzt werden. Es scheint derzeit unklar, wie verhindert werden soll, dass Universitäten die durch den Nachwuchspakt geförderten Tenure-Track-Professuren beispielsweise für Professuren, die im Rahmen der Exzellenzinitiative geplant sind, zweckentfremden. Bisher scheint es keine klaren Vorgaben in Bezug auf potenzielle Überschneidungen der Erhebungszeiträume und damit einhergehende Doppelfinanzierungen zu geben.
Zum anderen muss im Sinne des Programms verhindert werden, dass die durch den Nachwuchspakt finanzierten Professuren als Zwischenfinanzierung vorgezogener Neuberufungen (auf bereits existierende Professuren) verwendet werden: Dies steht der nach- haltigen Schaffung einer substantiellen Zahl an Professuren entgegen und würde darüber hinaus in wenigen Jahren zu einem Berufungsengpass führen.
In diesem Zusammenhang besonders fraglich und bisher ungeklärt ist die tatsächliche Finanzierung der neugeschaffenen Professuren nach Ablauf der initial durch den Bund bewilligten sechs (für die Tenure-Track-Professur) bzw. weiteren zwei (für Anschlussstellen bei positiver Evaluation) Jahre. Das Abkommen in seiner jetzigen Form sieht vor, dass die Weiterfinanzierung der Stellen von den Ländern gestemmt wird, jedoch ist ungewiss, woher die dafür nötigen, zusätzlichen und umfangreichen Mittel stammen sollen. Eine Querfinanzierung durch Kürzung an anderen Stellen durch die Hochschulen muss unbedingt vermieden werden. Es bleibt somit abzuwarten, inwieweit eine reine Anschubfinanzierung durch den Bund tatsächlich eine dauerhafte Zunahme an Professuren ermöglicht.
● Langfristige Etablierung der Tenure-Track-Professur
(Verwaltungsvereinbarung § 8 Abs. 2)
Auch nach dem Ablauf des Programms (und der Verstetigung der initial bewilligten Professuren) sollen in gleichem Umfang Tenure-Track-Stellen geschaffen und ausgeschrieben werden, um eine nachhaltige Etablierung dieses Karriereweges, auch über eine Generation hinaus, zu gewährleisten. Dies liegt nicht mehr in der Verantwortung des Bundes, sondern der Länder, die die Finanzierung der Stellen zugesagt haben. Hier scheint derzeit ebenfalls unklar, wie die dauerhafte Finanzierung gestaltet wird. Auch über die reine Finanzierung hinausgehende Aspekte wie die Verfügbarkeit von Ressourcen (zum Beispiel Räumlichkeiten) und Strukturen müssen dabei beachtet werden.
● Einbettung alternativer Karrierewege
(Verwaltungsvereinbarung § 4 Abs. 2)
Neben der traditionellen Habilitation wurden auch habilitationsäquivalente Leistungen als alternativer Karriereweg zur Lebenszeitprofessur etabliert. Diese werden regelmäßig etwa im Rahmen einer Juniorprofessur (mit oder ohne Tenure Track) oder durch die Leitung einer eigenständigen Nachwuchsforschergruppe (in der Regel gefördert durch hochkompetitive Programme von DFG, HGF, MPG, ERC, BMBF und den Ländern) erbracht. Eine angemessene Beteiligung dieser bereits qualifizierten Nachwuchswissenschaftler(1) am aktuellen Nachwuchspakt kann nur über einen signifikanten Anteil an W2-/W2 oder W2-/W3 Tenure-Track-Professuren erreicht werden, da dieser Personenkreis für W1 Professuren überqualifiziert ist. Eine überwiegende Ausschreibung an W1-/W2 Tenure-Track-Professuren steht diesem Aspekt des Nachwuchspaktes entgegen. Auf der anderen Seite steigen mit höherer W-Ausschreibung jedoch auch die langfristig auf die Länder zukommenden Kosten nach einer Verstetigung, so dass die Umsetzung und der finale Anteil höher dotierter Tenure-Track-Professuren abzuwarten bleiben.
Unabhängig davon sollte verhindert werden, dass nach bereits erfolgter Qualifizierung (also Erbringung habilitationsäquivalenter Leistungen, siehe oben) regelmäßig noch eine zusätzliche Qualifizierungsphase (Tenure-Track) einer Lebenszeitprofessur vorangestellt wird. Damit ergäbe sich aus dem ursprünglich alternativen Karriereweg der Tenure-Track- Professur ein konsekutiver Karriereweg, der die Qualifizierungsphase absehbar verlängert, statt sie transparenter planbar zu machen. Die Vielfalt der unabhängigen Karrierewege zur Professur sollte unbedingt erhalten bleiben.
Es bleibt zunächst abzuwarten, ob und wie die in der ersten Runde ausgewählten Universitäten die Ziele des Nachwuchspaktes umsetzen und dabei auch weitere, in der Verwaltungsvereinbarung genannte Kernpunkte erreichen (zum Beispiel die Verbesserung von Chancengleichheit und Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie eine grundsätzliche Veränderung der Personalstruktur im wissenschaftlichen Bereich, inklusive einer Integration von Karrierewegen außerhalb der klassischen Professuren). Für diese langfristigen, mit einem Kulturwandel verbundenen Ziele stehen im Nachwuchspakt weitere Mittel („Strategieaufschlag“) zur Verfügung, deren zielgerichtete Verwendung zusätzlich zu den Tenure-Track-Professuren eine erhebliche Verbesserung der Situation der Nachwuchswissenschaftler in Deutschland erreichen kann.
Zusammenfassend befürwortet das Junge Kolleg der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste das vorgelegte Tenure-Track-Programm als einen grundsätzlich vielversprechenden Ansatz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Jedoch zeigen die von uns benannten Diskussionspunkte auf, welche grundlegenden Aspekte einer nachhaltigen Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses als Teil des Nachwuchspakts unbedingt beachtet (und gegebenenfalls korrigiert) werden sollten. Eine rigorose und verantwortungsvolle Umsetzung des Programms ist Voraussetzung, um tatsächlich einen nachhaltigen Kulturwandel in Deutschland im Sinne des wissenschaftlichen Nachwuchses zu erreichen.
(1) Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für beide Geschlechter.
Referenzen
[1] Stellungnahme der Arbeitsgruppe Hochschulpolitik des Jungen Kollegs der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste zum Thema „Vielfalt wissenschaftlicher Karrieren - Risiko oder Chance? Perspektiven des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland“ (Download unter http://www.awk.nrw.de/akademie/junges-kolleg/arbeitsgruppen/aktive- arbeitsgruppen/hochschulpolitik.html – letzter Zugriff am 25.01.2018)
[2] Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern gemäß Artikel 91b Absatz 1 des Grundgesetzes über ein Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses vom 16. Juni 2016 (Download unter http://www.gwk-bonn.de/fileadmin/Papers/Verwaltungsvereinbarung- wissenschaftlicher-Nachwuchs-2016.pdf – letzter Zugriff am 25.01.2018)