"Wohlfahrtsverbände unter Veränderungsdruck - braucht die Wohlfahrts-pflege neue strategische Allianzen?"
Öffentliche Vorlesung von Prof. Dr. Karl-Heinz Boeßenecker
Zeit: 13.12.2005 um 20:00 Uhr
Ort: Fachhochschule im DRK | Reinhäuser Landstraße 19 | 37083 Göttingen
Lange Zeit waren Fragen nach den Kosten und dem Nutzen sozialer Arbeit tabuisiert. Betriebswirtschaftliche Orientierung und sozialpädagogische Fachlichkeit galten als nicht zu vereinbarende Gegensätze. Diese Phase ist überwunden. Kostenrechnungen, Qualitätsentwicklung, Evaluation bis hin zu Fragen des Risikomanagements sind heute fast selbstverständlicher Teil der Alltagspraxis. Wenn auch noch nicht für alle Einrichtungen, so gilt dies zumindest für die großen Träger sozialer Dienste. In Veränderung befinden sich ebenfalls verbandliche Strukturen und Kompetenzabgrenzungen. Diesbezügliche Organisationsentwicklungen begrenzen sich allerdings immer noch weitgehend auf eine Binnenmodernisierung der Verbände. Angesichts europäischer Entwicklungen und transnationaler Herausforderungen zeigt sich jedoch immer deutlicher ab, dass diese Modernisierungsformen nicht ausreichend sind und auf halbem Wege stecken bleiben. Für eine nachhaltige Weiterentwicklung sozialer Dienste und ihrer Träger sind deshalb weitere Schritte erforderlich. Die Perspektive besteht in einer überverbandlichen Öffnung bei der Gestaltung einer europäischen und grenzüberschreitenden sozialen Infrastrukur. Die spannende Frage ist: Sind in diesem Prozess die Wohlfahrtsverbände als lobbyistische Spitzenverbände überhaupt noch zukunftsträchtig oder sind vielmehr neue strategische Allian-zen gefordert. Im öffentlichen Sektor wird seit mehr als zwei Dekaden als Modell "privat-public-partnership" propagiert und zum Teil erfolgreich angewandt. In modifizierter Form könnte dies auch für die Konstruktion einer neuen Trägerlandschaft tauglich sein. Bezogen auf homogene Dienstleistungsketten käme es hierbei zu einer kooperativen Vermischung von privat-gewerblichen und gemeinnützigen Organisatonen unter dem koordinierenden Dach neuer Holdinggesellschaften. Am Ende einer solchen Entwicklung könnte z.B. eine europäisch operierende Unternehmensholding "Social Services for Elderly gmbH" stehen. Als ein Not-For-Profit-Unternehmensdach gemeinwohlorientierter sozialer Dienste würde eine solche Gesellschaft ebenso kleinstaatliche Trägerstrukturen überwinden, wie die Marktkonkurrenz ausschließlich privat-gewerblicher (profitorientierter) Anbieter. Die (noch) utopische Perspektive: Sozialstaatlich notwendige soziale Dienstleistungen erleben durch neu zu schaffende Synergieeffekte eine Renaissance und gesellschaftliche Legitimation.
Zur Person: Boeßenecker, Jahrgang 1947, lehrt seit Oktober 2005 an der Fachhochschule im DRK im Bereich "Sozialmanagement / Soziale Arbeit". Darüber hinaus ist er Leiter des Forschungsschwerpunktes "Wohlfahrtsverbände / Sozialwirtschaft / Dritte Sektor-Forschung" an der Fachhochschule Düsseldorf in Kooperation mit der Fachhochschule im DRK und gilt als Verfechter für eine Modernisierung öffentlicher und nicht-staatlicher Sozialdienste.