Auf der anderen Seite der Grenze ist es ähnlich
Starker Alkoholkonsum führt bei Männern in Osteuropa zu erhöhter und verfrühter Sterblichkeit. Ähnlichkeiten bestehen dabei über Landesgrenzen hinweg und gründen sich wohl auf gemeinsame Geschichte und Tradition.
Gewohnheiten ändern sich nicht schlagartig an der Landesgrenze. Besonders trifft das auf die Trinkgewohnheiten von Männern in den Grenzgebieten zwischen den vier post-kommunistischen Ländern Litauen, Polen, Weißrussland und Russland zu. Das hat Folgen für die Sterblichkeit in der Region.
„Diese vier Länder bieten einen interessanten Kontext für die Forschung, da sie eine gemeinsame Vergangenheit haben, aber sich heute doch deutlich voneinander unterscheiden“, sagt Pavel Grigoriev, Wissenschaftler im Datenlabor des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung. Zusammen mit einem internationalen Team untersuchte er dieses Gebiet auf überdurchschnittliche, alkoholbedingte Sterblichkeit und veröffentlichte seine Ergebnisse im Fachmagazin Drug and Alcohol Review.
„Sehr wahrscheinlich hat diese überhöhte alkoholbedingte Sterblichkeit und wie sie in den vier benachbarten Ländern verbreitet ist, historische Wurzeln“, sagt Pavel Grigoriev. Er fügt hinzu: „Allerdings scheinen auch andere Faktoren eine wichtige Rolle zu spielen. Dazu zählen Unterschiede in der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lage, Abwanderung aus Randregionen in die Kerngebiete der jeweiligen Staaten und Alkoholschmuggel in grenznahen Gebieten.“
Von hoher alkoholbedingter Sterblichkeit im Nordwesten Russlands zu niedriger im Süden Polens
Um die Abweichungen der einzelnen Bezirke von der durchschnittlichen Sterberate in den vier Ländern zu untersuchen, werteten die Wissenschaftler die offiziellen Sterbedaten aller Männer im Alter zwischen 20 und 64 Jahren in den 1179 Bezirken und Städten der vier Länder für den Zeitraum von 2006 bis 2014 aus. Dafür verwendeten sie die sogenannte standardisierte Sterblichkeitsrate (SMR) und verglichen die zusammengefasste, durchschnittliche Sterblichkeit aller vier Länder mit der Sterblichkeit jedes einzelnen Bezirks. Jeder Wert auf der Karte über 1 zeigt eine erhöhte Sterblichkeit im Vergleich zum Durchschnitt (SMR=1,0) der vier Länder an, während ein SMR-Wert unter 1 eine Sterblichkeit unter dem Durchschnitt nachweist.
Wie man auf der Karte gut erkennt, nimmt die alkoholbedingte Sterblichkeit vom Nordwesten Russlands bis in den Süden Polens ab. Dabei sind die Übergänge an den Grenzen sehr fließend. Das scheint historische Gründe zu haben. Die exzessiven Trinkgewohnheiten, die schon im russischen Kaiserreich und später auch in der Sowjetunion vorherrschten, haben sich demnach stärker in den russisch geprägten Regionen ausgebreitet. Deshalb ist wohl in Polen und Litauen die Sterblichkeit auf Grund von starkem Alkoholkonsum weniger hoch.
Trotzdem gibt es innerhalb jedes Landes Gebiete mit überdurchschnittlicher alkoholbedingter Sterblichkeit. Sie liegen im Nordwesten und Westen Russlands, im Osten und Nordosten Weißrusslands, im Südosten Litauens sowie in Ost- und Mittelpolen. In der Vergangenheit standen diese Gebiete unter starken Einfluss Russlands.
Der Süden Polens dagegen war lange Zeit Teil des österreichischen Kaiserreichs, mit weniger ausgeprägten Trinkgewohnheiten. Hier liegt heute eine der niedrigsten alkoholbedingten Sterblichkeitsraten des gesamten untersuchten Gebiets vor.
Über das MPIDR
Das Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock untersucht die Struktur und Dynamik von Populationen. Die Wissenschaftler*innen des Instituts erforschen politikrelevante Themen wie den demografischen Wandel, Altern, Geburtendynamik und die Verteilung der Arbeitszeit über die Lebensspanne, genauso wie den digitalen Wandel und die Nutzbarmachung neuer Datenquellen für die Erforschung von Migrationsströmen. Das MPIDR ist eine der größten demografischen Forschungseinrichtungen in Europa und zählt international zu den Spitzeninstituten in dieser Disziplin. Es gehört der Max-Planck-Gesellschaft an, der weltweit renommierten deutschen Forschungsgemeinschaft.
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Originalpublikation:
Grigoriev, P., Jasilionis, D., Klüsener, S., Timonin, S., Andreev, E., Meslé, F.:
Spatial patterns of male alcohol‐related mortality in Belarus, Lithuania, Poland and Russia. Drug and Alcohol Review (2020). DOI: https://doi.org/10.1111/dar.13037
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