Viel bewegt für besseres Hören
Professor Peter Plinkert, Ärztlicher Direktor der HNO-Klinik des Universitätsklinikums Heidelberg, wird zum 30. September in den Ruhestand verabschiedet. Er baute die Klinik zu einem überregionalen Zentrum für die Versorgung mit Cochlea Implantaten (CI) aus, gründete ein ambulantes CI Rehabilitationszentrum und brachte das bundesweite Hörscreening für Neugeborene auf den Weg.
Seit Oktober 2004 leitete Professor Dr. Dr. h.c. Peter Plinkert als Geschäftsführender Direktor die Hals-Nasen-Ohren-Klinik des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD). Zum 30. September 2024 wird der 67-Jährige in den Ruhestand verabschiedet. Obwohl „von Haus aus“ Tumorchirurg für den Kopf-Hals-Bereich, war ihm die Versorgung Hörgeschädigter ein Anliegen, das er mit viel Engagement vorantrieb. „Dank Professor Plinkerts Wirken hat seine Klinik einen hervorragenden Ruf, der weit über die Region hinausreicht. Zu nennen sind vor allem zwei große Bereiche: das Zentrum für die Versorgung von Kindern und Erwachsenen mit Cochlea Implantaten (CI) und angeschlossenem Zentrum für ambulante Rehabilitation, sowie die HNO-Tumorchirurgie und die Rekonstruktion mit mikrovaskulären Transplantaten. Wir sind daher Professor Peter Plinkert zu großem Dank verpflichtet“, sagt Professor Dr. Dr. Jürgen Debus, Leitender Ärztlicher Direktor des UKHD.
Mit den drei Sektionen „Onkologische HNO-Chirurgie“, „Otologie, Neurootologie und CI“ sowie „Experimentelle und Translationale Kopf- und Hals-Onkologie“, dem ambulanten CI-Rehabilitationszentrum und zusätzlich dem großen Bereich der Phoniatrie - Pädaudiologie, zu dem auch die Hörtracking-Zentrale für Baden-Württemberg gehört, ist die Klinik hervorragend aufgestellt. Insgesamt werden dort jährlich rund 6.500 Patientinnen und Patienten stationär und 19.000 ambulant versorgt. Rund 150 von ihnen führt eine Tumorerkrankung des Mund-Rachen- und Halsbereichs sowie des Kehlkopfes in die Klinik. Zudem werden jährlich in aufwändigen mikrochirurgischen Operationen des Mittelohrs fast 100 Cochlea Implantate, elektrische Innenohrprothesen, eingesetzt. Mit diesen können hochgradig schwerhörige oder ertaubte Personen das Hören wieder erlernen.
Zentrum für Cochlea Implantation – von der Diagnose bis zur lebenslangen Nachsorge
„Gerade im Bereich der Hörverbesserung konnte ich in den letzten 20 Jahren am UKHD klinisch viel bewegen“, sagt Professor Plinkert. Als er 2004 die HNO-Klinik übernahm, war ihm insbesondere die Versorgung mit Cochlea Implantaten ein Anliegen. Nicht nur die Operation an der Schädelbasis, bei der die Elektrode in das Innenohr eingeführt wird, ist herausfordernd, auch die Nachsorge ist komplex und extrem wichtig: Das Hören mit CI unterscheidet sich, anders als beim klassischen Hörgerät, stark vom natürlichen Gehör. CI-Träger müssen Hören und Verstehen erst wieder neu lernen und brauchen dabei fachkundige Unterstützung. Plinkert baute mit seinem Team aus Akustikern, Logopäden, Audiotherapeuten, Musiktherapeuten und einer Psychologin ein ambulantes Rehabilitationszentrum für CI-Träger auf, das 2014 mit der Kassenzulassung an den Start ging. Betroffene – darunter auch Kinder ab einem Alter von einem Jahr – sind dort von der Diagnostik über die Implantation und ambulanten Rehabilitation bis hin zur lebenslangen Nachsorge umfassend interdisziplinär versorgt.
Initiator des bundesweiten Hörscreenings ….
Schon vor seiner Zeit in Heidelberg lag Professor Plinkert die rechtzeitige Versorgung von Kleinkindern mit Hörbeeinträchtigung am Herzen. Die Voraussetzung dafür, einen Hörtest für Neugeborene, der nicht auf die Reaktion des Kindes angewiesen ist, beschrieb Plinkert 1992 als einer der ersten in Deutschland. Er setzte sich über Jahre mit anderen erfolgreich dafür ein, dass der Gemeinsame Bundesausschuss 2009 das Hörscreening deutschlandweit als Teil der sogenannten U2-Untersuchung und Leistung der gesetzlichen Krankenkassen festlegte.
… und der baden-württembergischen Hörtrackingzentrale
Doch das reichte noch nicht aus: „Rund die Hälfte der Eltern, deren Kind ein auffälliges Ergebnis erhalten hat, gehen dem nicht weiter nach. Meist fehlen die nötigen Informationen oder dieses Detail geht in dem Trubel rund um die Geburt einfach unter“, sagt er. Gemeinsam mit seinem Kollegen am UKHD, Professor Dr. Georg F. Hoffmann, dem Direktor des Zentrums für Kinder und Jugendmedizin, warb er unermüdlich dafür, dass die Familien nachträglich beraten und auf Wunsch weitere Untersuchungen in die Wege geleitet werden. „Es ist so wichtig für die weitere Entwicklung der Kinder, dass sie möglichst schon im Alter von einem halben Jahr die passende Hilfe erhalten. Nur wer hört, kann auch sprechen lernen.“ Das Engagement trug schließlich Früchte: 2019 nahm die Hörtrackingzentrale des Landes Baden-Württemberg am Dietmar-Hopp-Stoffwechselzentrum des UKHD ihre Arbeit auf.
Neuer Weichgaumen und Schlund aus Unterarmgewebe
Nicht unerwähnt bleiben darf die Tumorchirurgie, die in Kooperation mit dem Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg einen Schwerpunkt der HNO-Klinik am UKHD bildet. Professor Plinkert baute das Operationsspektrum weiter aus und etablierte die funktionelle Rekonstruktion von Kehlkopf, Mundboden, Zunge oder weichem Gaumen mit sogenannten freien mikrovaskulären Transplantaten. Das Transplantat wird hierbei über kleinste Blutgefäße angeschlossen, um gut anzuwachsen und seine neue Aufgabe erfüllen zu können. Dazu benötigt es neben dem Mikroequipment für die OP eine spezielle Expertise: So formt Professor Plinkert zum Beispiel aus einem Teil der Unterarmhaut eine neue Zunge, einen neuen Weichgaumen oder Schlund, dass die Patientin oder der Patient wieder schlucken und sprechen kann. „Wenn die Tumortherapie abgeschlossen ist, ist es die präzise Rekonstruktion, die maßgeblich über die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten entscheidet.“
Um die Tumorchirurgie in diesem sensiblen Bereich weiter zu verfeinern, richtete der Onkochirurg schon zu Beginn seiner Amtszeit die Sektion für „Experimentelle und Translationale Kopf-Hals-Onkologie“ ein. Themen waren und sind nicht nur neue minimal-invasive Operationstechniken, sondern auch molekulare Marker für die Auswahl der passenden Therapie. „Karzinome des Kopf-Hals-Bereichs sind erstaunlich heterogen in Bezug auf ihre zellulären, molekularen und klinischen Eigenschaften. Darum hat sich trotz der therapeutischen Fortschritte die Prognose der Betroffenen in den letzten Jahren nur geringfügig verbessert. Es besteht daher nach wie vor dringender Forschungsbedarf“, so Plinkert.
Zur Person
Peter K. Plinkert, geboren 1956 in Lorch im Rheingau, studierte und promovierte an der Georg-August-Universität in Göttingen. Erste klinische und wissenschaftliche Erfahrungen sammelte er im Krankenhaus der Borromäerinnen Trier sowie an der Universitäts-HNO-Klinik Würzburg. 1988 folgte er seinem damaligen Mentor, Professor Dr. Hans-Peter Zenner, an das Universitätsklinikum Tübingen, wo er ab 1992 eine Arbeitsgruppe zur Entwicklung neuer Hörscreening-Verfahren leitete und das weltweit erste implantierbare Hörsystem mitentwickelte. Klinische und wissenschaftliche Auslandsaufenthalte führten ihn an das MD Anderson Cancer Center in Houston, Texas, an die Universität Stockholm und an die Washington University, St. Louis. Inzwischen habilitiert und Leitender Oberarzt der HNO-Klinik des Universitätsklinikums Tübingen, lehnte er 1999 einen Ruf an die Universität Greifswald ab. Ab 2000 leitete er die Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde der Universitätskliniken des Saarlandes in Homburg an der Saar, etablierte 2001 das flächendeckende Hörscreening aller Neugeborenen im Saarland und war als Prodekan der dortigen Medizinischen Fakultät und Vorstand des Saarländischen Tumorzentrums tätig. Im Oktober 2004 wechselte er nach Heidelberg. Er engagierte sich im Vorstand und Beirat verschiedener nationaler und internationaler Gesellschaften und Vereinigungen und ist Autor von mehr als 300 Fachartikeln.
Weitere Informationen:
https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/kopfklinik-zentrum/hals-nasen-und-ohrenklinik/