Astrophysikerin Ylva Götberg in TIME100 Emerging Leaders
Die Astrophysikerin Ylva Götberg ist seit 2023 Assistenzprofessorin am Institute of Science and Technology Austria (ISTA). Nun wurde sie in die TIME100 Next-Liste 2024 aufgenommen. TIME100 Next ist eine Erweiterung der TIME100 Liste, welche die einflussreichsten Menschen der Welt aufzeigt. TIME100 Next porträtiert 100 aufstrebende Führungspersönlichkeiten, die u.a. die Zukunft von Wirtschaft, Unterhaltung, Sport, Politik, Gesundheit, Wissenschaft und Aktivismus prägen. Erfahren Sie, wie Götberg sich die Zukunft ihres Fachgebiets vorstellt.
Ein „Rising Star“ des Institute of Science and Technology Austria (ISTA) schmückt nun die TIME100 Next Liste 2024. TIME100 Next hebt „emerging leaders“ (aufstrebende Führungskräfte) aus der ganzen Welt hervor, die sowohl die Zukunft gestalten als auch die nächste Generation von Führungskräften in ihrem Bereich ausmachen.
Die Assistenzprofessorin Ylva Götberg, eine der ersten Astrophysiker:innen am ISTA, trug dazu bei, den Grundstein für diese Disziplin am jungen und schnell wachsenden Institut zu legen. Götberg erforscht die Entwicklung massereicher Doppelsterne. Doppelsterne sind Sternpaare, die in einem ewigen Walzer mit dramatischen Folgen miteinander verbunden sind. Diese Sterne können einander so nahekommen, dass eine Interaktion unvermeidlich ist. Dabei kann ein Stern seinen Partner seiner äußeren Schichten berauben oder ihn sogar zur Gänze verschlingen.
Als junge Gruppenleiterin setzt Götberg auf Teamwork, Zusammenarbeit, Vielfalt und gegenseitigen Respekt. „In meiner Gruppe möchte ich eine Kultur der Zusammenarbeit mit meinen Teammitgliedern fördern und mich von einer starren Aufsicht lösen. Junge Forscher:innen kommen auf unterschiedlichen Wegen, mit unterschiedlichen Hintergründen und unterschiedlichen Zielen in die Wissenschaft. Ich möchte meinen Teammitgliedern eine Erfahrung bieten, von der sie profitieren können.“
Fehlende Sterne und ein neues Weltraumteleskop
In einer kürzlich in Science erschienenen Publikation beschreibt Götberg die erste Beobachtung einer Population „fehlender Sterne“. Diese werfen Licht auf eine Art von Supernovae (Sternexplosionen), die Astrophysiker:innen noch nicht erklären konnten. Bis zu dieser Entdeckung schien es, als ob diese wasserstoffarmen Supernovae aus dem Nichts auftauchten. Götberg ist auch Teil einer großen internationalen Zusammenarbeit, die das neue UV-Weltraumteleskop der NASA, UVEX, entwickelt hat, das 2030 starten soll. Das Ziel von UVEX ist es, eine jahrzehntelange Lücke an umfangreichen Ultraviolettdaten zu schließen und zu erforschen, wie sich Galaxien und Sterne entwickeln. Somit wird UVEX es ermöglichen, einen gemeinschaftlichen Datensatz des UV-Lichts für den gesamten Himmel zu erstellen.
Mit Theorie die Grenzen der Wissenschaft verschieben
Götberg ist eine junge Gruppenleiterin, die ihr Doktorat 2019 an der Universität von Amsterdam in den Niederlanden abgeschlossen hat. Nach ihrer Erfahrung als NASA Hubble Postdoktorandin an den Carnegie Observatories in Pasadena, Kalifornien, kam sie im September 2023 ans ISTA. Götberg ist fasziniert davon, wohin die Wissenschaft als Nächstes gehen soll, welche Theorie ungeahnte Möglichkeiten eröffnen wird, aber auch, woran wissenschaftliche Theorien scheitern könnten. „Wir müssen in der Lage sein, unsere Burg der wissenschaftlichen Theorien wieder aufzubauen und ihre Mauern zu verstärken, damit sie den Auswirkungen neuer Entdeckungen, wie etwa neuer Teleskopuntersuchungen und Weltraummissionen, standhalten kann.“
Obwohl wissenschaftliche Entdeckungen weitgehend als spektakulär und spannend angesehen werden, betont Götberg, eine überzeugte Theoretikerin, wie wichtig es ist, die wissenschaftlichen Fundamente mit einer soliden Struktur überprüfbarer Theorien zu stärken. „Eine Theorie mag sich weniger spannend anfühlen als eine Entdeckung, aber rigorose theoretische Arbeit ist notwendig, um die Wissenschaft weiterzuentwickeln. Besonders aufregend ist es, wenn es mir gelingt, eine Theorie zu entwickeln, die so raffiniert und ausgefeilt ist, dass ich sie testen kann, um sie zu beweisen oder gar zu widerlegen. Außerdem finde ich es sehr demütigend, gleichzeitig aber auch spannend, wenn sich eine überprüfbare Theorie, die ich aufgestellt habe, als falsch erweist. Spannend, weil wir durch das Wissen, dass eine Theorie gescheitert ist, einen Schritt nach vorne machen, uns neu orientieren, um dann in die richtige Richtung voranzukommen“, so Götberg.
Ein Führungsstil mit Fokus auf zwischenmenschliche Beziehungen
Neben ihren herausragenden wissenschaftlichen Leistungen entwickelt Götberg auch verschiedene Führungsqualitäten. Sie war Mitglied mehrerer Gutachterausschüsse, die Stipendien und Unterstützungssysteme für Studierende evaluierten, und arbeitete in Teleskopvergabeausschüssen mit. Am ISTA baut Götberg ihre Forschungsgruppe aus und legt dabei ihren Schwerpunkt auf die zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb des Teams. „Ich möchte eine ansprechbare Mentorin sein. Als Teamleiterin möchte ich flexibel, verfügbar und vielseitig sein, um effektive Wege zur Zusammenarbeit mit meinen Gruppenmitgliedern zu finden. Ich bin mir der Herausforderungen bewusst und möchte jedes Teammitglied erreichen und ihnen helfen, sich gegenseitig zu unterstützen.“
Die Begeisterung junger Forschenden wecken
Sterne zu erforschen, mag an sich schon ein inspirierendes Unterfangen sein. Götberg ist sich jedoch auch der Vorurteile in ihrem Forschungsbereich bewusst. „Ich hoffe, dass ich junge Menschen inspirieren kann, insbesondere Frauen, die sich nicht trauen, eine Karriere in der MINT-Forschung einzuschlagen, nur, weil es nicht der Norm entspricht. Solche Vorurteile sind ein Verlust für die Wissenschaft, da wir am Ende potenziell brillante zukünftige Wissenschafter:innen verlieren, die sich für einen anderen Karriereweg entscheiden.“
Götberg ist davon überzeugt, dass Physik und Astronomie sich diversifizieren müssen, indem sie sich neuen Forscher:innen mit unterschiedlichen Hintergründen und aus verschiedenen Kulturen öffnen. Ihre Erfahrung in unterschiedlichen Umfeldern hat ihr zu verstehen gegeben, dass Teammitglieder sich umso wohler fühlen, je vielfältiger das Team ist, und dies führt auf natürliche Weise zu wissenschaftlichem Fortschritt. „Vielfalt fördert die Integration und den gegenseitigen Respekt und ermöglicht es jedem Teammitglied, die eigenen Unterschiede zu den anderen zu verstehen. Wenn man die Unterschiede zwischen den Menschen akzeptiert, angefangen bei einem selbst, ist man mehr aufnahmebereit“, erklärt die Astrophysikerin.
Aufnahme in TIME100 Next, ein Gefühl der Verantwortung
Götberg fühlt sich geehrt und ist dankbar, in die TIME100 Next-Liste aufgenommen worden zu sein. Sie sieht dies als Anerkennung für junge Wissenschafterinnen. Sie ist sich auch bewusst, dass die Aufnahme in diese Liste der 100 aufstrebenden Führungspersönlichkeiten mit der Verantwortung verbunden ist, Menschen zu repräsentieren und zu inspirieren. „Ich möchte betonen, dass die Menschen, mit denen man zusammenarbeitet, am allerwichtigsten sind. Das Team um Sie herum ist das, was Sie erfolgreich machen wird. In der Wissenschaft geht es um die Menschen. Diese enge Zusammenarbeit ermöglicht es mir, produktiver zu sein und eine positive Einstellung zu haben“, erläutert Götberg. „Ich habe mich sehr gefreut, als ich erfahren habe, dass TIME100 Next mich zusammen mit meiner Kollegin Maria Drout ausgewählt hat, mit der ich gemeinsam die Science-Publikation über die fehlende Sternenpopulation geleitet habe. Maria und ich arbeiten sehr gut zusammen und werden von einem exzellenten Team an Forscher:innen unterstützt. Ich freue mich sehr, dass wir es gemeinsam auf diese Liste geschafft haben.“
Weitere Informationen:
https://time.com/collection/time100-next-2024/