Biomimetik: Werkstoffe nach dem Vorbild der Natur
Werkstoffwissenschaften
Biomimetik: Werkstoffe nach dem Vorbild der Natur
Von der Natur koennen Werkstoffwissenschaftler noch vieles darueber lernen, wie Materialien sparsam und effektiv zum Aufbau aeusserst zweckmaessiger Strukturen zu nutzen sind. Der "Biomimetischen Materialsynthese", die biologische Systeme und Prinzipien aufgreift, widmet sich an der Universitaet Erlangen-Nuernberg eine Gruppe junger Forscher am Lehrstuhl fuer Glas und Keramik von Prof. Dr. Peter Greil. Die Volkswagen-Stiftung hat dieses Team in ihr Foerderprogramm fuer Wissenschaftliche Nachwuchsgruppen aufgenommen. Nur 15 von fast 300 Antraegen an die Stiftung war ein solcher Erfolg beschieden.
Mit dem fachoffenen Programm will die VW-Stiftung keine Breitenfoerderung betreiben, sondern einzelne Gruppen unterstuetzen, die sich in einem wissenschaftlich anregenden Umfeld auf hohem Niveau bewegen und inhaltlich wie methodisch neue Wege beschreiten. Die Nachwuchsgruppe am Erlanger Institut fuer Werkstoffwissenschaften wurde fuer fuenf Jahre mit insgesamt 1,6 Millionen Mark ausgeruestet; vier Stellen, fuer einen wissenschaftlichen Leiter und drei Doktoranden, sind fuer das neue Forschungsgebiet geschaffen worden. Der Ansatz, biologische Selbstorganisationskonzepte auf synthetische, technisch und medizinisch nutzbare Materialien zu uebertragen, wirkte ueberzeugend.
Biologisch erzeugte Materialien stehen seit langem im Dienst der Technik; z. B. sind Kieselalgengerueste als Filter in der Lebensmitteltechnologie im Einsatz. Die Materialwissenschaft jedoch stellt erst seit wenigen Jahren die hoechst interessante Frage, wie Vorteile des natuerlichen, genetisch gesteuerten Wachstums auf Erzeugung und Strukturierung von Werkstoffen uebertragen werden koennen (Biomimetik).
Lebende Organismen bringen, bei minimalen Materialeinsatz, hierarchisch aufgebaute Verbundstrukturen mit einem Eigenschaftsspektrum hervor, das optimal an die aeussere Belastung angepasst ist. Gelingt es, dies fuer keramische Materialien zu nutzen, eroeffnen sich faszinierende Moeglichkeiten einer "intelligenten" Werkstoffsynthese. Konventionelle chemische oder physikalische Verfahrenstechniken koennen solche neuartigen, hierarchisch aufgebauten, nichtmetallisch-anorganischen Materialien prinzipiell nicht erzeugen.
Vom Holz zur Keramik
Biologische Strukturen wie z. B. zellulaere Pflanzengerueste koennen als innere Formgebungswerkzeuge von Keramiken genutzt werden, die den inneren Aufbau der biogenen Ausgangsstruktur aufweisen. In zweijaehrigen Vorarbeiten konnte beispielsweise gezeigt werden, wie natuerliche Hoelzer durch Pyrolyse (Zersetzung durch Waerme) und anschliessende Metallschmelzinfiltration in neuartige Keramiken ueberfuehrt werden koennen.
Ausgehend von der Untersuchung des pyrolytischen Carbonisierungsprozesses wurden zellulare Kohlenstoffkoerper erzeugt, in denen die molekulare Ordnungsstruktur des Kohlenstoffs eine fuer die spontane, drucklose Infiltration mit fluessigem Silicium ausreichende Benetzung ermoeglicht. Hierbei wurde gezielt das zellulaere Transportsystem der Pflanze fuer den Infiltrationsprozess ausgenutzt. Auf diese Weise kann eine Vielzahl unterschiedlich aufgebauter Siliciumcarbidkeramiken hergestellt werden.
Keramische Werkstoffe mit optimierten zellulaeren Porenstrukturen sind beispielsweise fuer Katalysatortraeger und Filter in der Energie- und Umwelttechnik und fuer mechanisch und thermisch hochbelastbare Leichtbauweise in der Luft- und Raumfahrt von grossem Interesse. Das zukuenftige Entwicklungspotential der biomimetischen Werkstoffsynthese haengt jedoch davon ab, inwieweit es gelingt, bioanaloge Syntheseverfahren unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten aufzuzeigen und in die industrielle Produktion zu uebertragen.
Kooperationen bestehen mit Arbeitsgruppen in den USA, Brasilien, China, Korea, Japan und Bulgarien.
Kontakt: Prof. Dr. Peter Greil, Lehrstuhl Glas und Keramik, Martensstrasse 5, 91058 Erlangen, Tel.: 09131/85 -7543, Fax: 09131/85 -8311, E-mail: greil@ww.uni-erlangen.de