Hochgeschwindigkeitswolken mit molekularem Wasserstoff
Hochgeschwindigkeitswolken mit molekularem Wasserstoff
In 'Nature': ORFEUS liefert Daten aus der Hülle unserer Milchstraße
Unser Milchstraßensystem, das eine scheibenförmige Gestalt aufweist, ist von einer Hülle sehr dünnen Gases, dem galaktischen Halo, umgeben. In Zusammenarbeit mit Bonner Wissenschaftlern ist es Tübinger Physikern der Arbeitsgruppe von Prof. Michael Grewing/Prof. Klaus Werner vom Institut für Astronomie und Astrophysik nun zum ersten Mal gelungen, molekularen Wasserstoff in einer Gaswolke außerhalb der galaktischen Scheibe nachzuweisen. Die Gaswolke enthielt außerdem schwere Elemente wie Silizium und Eisen. Diese Beobachtungen erhärten das Modell einer "Galaktischen Fontäne". Danach wird Gas, das mit schweren Elementen und Staub-Partikeln angereichert ist, aus der Scheibe der Milchstraße in den Halo abgegeben und fällt nach Abkühlung wieder auf diese zurück. Mit den neuen Meßergebnissen kommen die Wissenschaftler auch dem Verständnis von Struktur und Vorgeschichte unserer Milchstraße erheblich näher. Die Forschungsergebnisse werden in der morgigen Ausgabe der Zeitschrift 'Nature' vom 25. November 1999 veröffentlicht.
Die Beobachtungsdaten aus unserem galaktischen Halo wurden mit dem deutsch-amerikanischen Weltraumteleskop ORFEUS gewonnen. Das Teleskop wurde auf dem deutschen Wissenschaftssatelliten ASTRO-SPAS geflogen, der von einem amerikanischen Space Shuttle für 14 Tage in eine erdnahe Umlaufbahn gebracht wurde. Entwicklung und Bau dieses Teleskops unterstanden der wissenschaftlichen Leitung des Instituts für Astronomie und Astrophysik der Universität Tübingen. Hauptinstrument des Telekops ist der Echelle-Spektrograph, mit dem der molekulare Wasserstoff und die anderen chemischen Elemente im Gas nachgewiesen wurden. Dessen Detektor und Bord-Elektronik wurden ebenfalls an der Universität Tübingen entwickelt und gebaut.
Molekularer Wasserstoff ist mit Abstand das häufigste Molekül im Universum. Allerdings können sich zwei Wasserstoffatome nur dann zu einem Molekül zusammenschließen, wenn Staubkörner aus Silikaten oder Graphit als katalytische Reaktionspartner zur Verfügung stehen. Der Nachweis von molekularem Wasserstoff in einer Gaswolke im Halo läßt daher den Rückschluß zu, daß sich auch Staub und schwere Elemente in dieser Wolke befinden. Diese Wolke bewegt sich mit hoher Geschwindigkeit durch den Galaktischen Halo auf die Scheibe zu. Hochgeschwindigkeitswolken kennt man zwar schon seit über 30 Jahren, ihr Ursprung ist aber bis jetzt weitgehend unklar geblieben.
Mit dem Modell der "Galaktischen Fontäne" lassen sich nun diese Hochgeschwindigkeitswolken und die Ergebnisse der ORFEUS-Messungen teilweise erklären. Danach würden die Gaswolken aus der Milchstraße selbst stammen: Explodierende Sterne, Supernovae, können das sie umgebende Gas mit schweren Elementen anreichern und aus der Galaktischen Scheibe in die umgebende Hülle schleudern. Dort kühlt sich das Gas ab, verdichtet sich zu Wolken, in denen dann molekularer Wasserstoff entsteht, und fällt auf die Scheibe zurück. Doch nicht alle Hochgeschwindigkeitswolken enthalten derartig angereicherte Gase. Sie können daher nicht aus der Scheibe der Milchstraße kommen. Die Wissenschaftler nehmen an, daß diese Wolken aus Gasen gebildet werden, die aus dem an schweren Elementen armen intergalaktischen Raum stammen und auf die Scheibe der Milchstraße fallen.
Für die Forschung ist die unterschiedliche Herkunft der Gase in den Hochgeschwindigkeitswolken vor allem deshalb interessant, weil sich daraus Erkenntnisse über die Struktur und Entwicklung unserer Milchstraße ergeben. So würde sich die Anreicherung mit schweren Elementen stark verlangsamen, wenn viel Material aus dem intergalaktischen Raum auf unsere Galaxis fallen würde. Bestehende Entwicklungsmodelle müßten dann erheblich verändert werden.
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