Branchenskizze: Ostdeutsche Elektronikindustrie
Die Elektronikindustrie gehört zu den Branchen der ostdeutschen Industrie mit dem stärksten Produktionswachstum. Nach einem kräftigen Kapazitätsabbau als Folge des Umbruchs wurden im Zeitraum von 1995 bis 1998 durchschnittliche jährliche Steigerungsraten von über 20 vH erzielt.
Erschienen in: IWH-Wirtschaft im Wandel 3/2000 oder uner www.iwh.uni-halle.de)
1999 hat sich die Produktion, nach vorläufigen amtlichen Angaben, abermals um rund ein Fünftel erhöht. Dies ist zu einem guten Teil darauf zurückzuführen, dass die Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessert haben, die Investitionen, insbesondere die großer Konzerne, mehr und mehr "greifen" und die Nachfrage nach elektronischen Bauelementen und Erzeugnissen wie Computer, Multimediageräte und Handys weltweit spürbar zugenommen hat.
Die Elektronikindustrie war in der DDR mit erheblichen staatlichen Hilfen aufgebaut und entwickelt worden. Ende der 80er Jahre waren z. B. allein in der Entwicklung und Fertigung mikroelektronischer Bauelemente und Baugruppen ca. 120.000 Arbeitskräfte in verschiedenen Kombinaten beschäftigt. Die Produktion war auch hier besonders auf den Bedarf der Sowjetunion ausgerichtet. 1987 wurde in Dresden ein Forschungszentrum für die Mikroelektronik gegründet, in dem rund 3.000 Mitarbeiter tätig waren. Nach dem Übergang von der Planwirtschaft in die Marktwirtschaft zeigte sich, dass die Erzeugnisse der Betriebe im Vergleich zur internationalen Konkurrenz weitgehend veraltet und zu teuer waren (ein Grund dafür war die große Sortimentsvielfalt). Zahlreiche Betriebe mussten deshalb aufgeben, für die verbliebenen gestaltete sich die Privatisierung häufig sehr schwierig. So scheiterte der Versuch, die vier Halbleiterproduzenten (in Erfurt, Dresden, Frankfurt/O. und Neuhaus/Thüringen) in einem Verbund zu verkaufen. Insbesondere das Engagement westdeutscher und ausländischer Unternehmen schuf Voraussetzungen, dass Teile der vorhandenen elektronischen Industrie wettbewerbsfähig gestaltet und neue Kapazitäten hinzugefügt wurden. Den Investoren wurden dazu häufig attraktive finanzielle Hilfen gewährt. Außerdem konnten sie sich zumeist auf gut ausgebildetes und erfahrenes Personal stützen.
Zum Zentrum der Elektronikindustrie in Ostdeutschland hat sich die Stadt Dresden entwickelt. Dort investierten zwei führende Anbieter von Halbleiter-Bausteinen, die Siemens AG und der US-amerikanische Mikroelektronikkonzern Advanced Micro Devises (AMD), bis Ende 1999 insgesamt rund 4,7 Mrd. DM in den Bau neuer Chip-Fabriken. In diesen Fertigungsstätten (einschließlich den angegliederten FuE-Zentren) waren Anfang 2000 rund 3.800 Mitarbeiter beschäftigt.
Durch die Neuerrichtung, den Ausbau und die Modernisierung der Kapazitäten hat sich die Produktion der elektronischen Industrie im Zeitraum von 1995 bis 1999 mehr als verdoppelt (Verarbeitendes Gewerbe: rund ein Drittel Zuwachs). Ähnliches gilt für die Umsatzentwicklung. 1999 dürfte der Umsatz der Betriebe von Unternehmen mit über 20 Beschäftigten schätzungsweise 11 Mrd. DM überschritten haben. Das entspricht in etwa einem Anteil von 7 bis 7,5 vH am gesamtdeutschen Umsatz dieser Branche. Rund 40 vH des Umsatzzuwachses von 1995 bis 1998 wurden aus Exporten erlöst. Die Exportquote, die im Jahr 1998 mit 31 vH noch erheblich niedriger war als die in Westdeutschland (46 vH), dürfte sich allein durch die Produktionsausweitung in den Chip-Werken und die Nutzung der Vertriebskanäle der Mutterunternehmen weiter erhöhen.
Abhängig von den Investitionsschwerpunkten, der Nachfrageentwicklung und weiteren Faktoren wurden die Rückstände in der Arbeitsproduktivität gegenüber westdeutschen Unternehmen zum Teil deutlich abgebaut. Am weitesten fortgeschritten sind hierbei, wie Rechnungen des IWH für 1998 ergaben, die Produzenten von Datenverarbeitungsgeräten. Sie erreichten, gemessen an der Bruttowertschöpfung pro Beschäftigten, etwa 95 vH der Produktivität westdeutscher Unternehmen. Die Zahlen der amtlichen Statistik, die letztmalig für 1996 getrennt für Ost- und Westdeutschland vorliegen, spiegeln dies allerdings nicht wider.
Siegfried Beer
Institut für Wirtschaftsforschung Halle
Abteilung Strukturwandel
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