Internationale Mediävistik-Fachtagung in Bremen zur "Dietrichepik"
Seit zwei Jahren befindet sich die Mittelalterforschung an der Universität Bremen im Aufwind. Das Hauptaugenmerk gilt Dietrich von Bern, dem beliebtesten Helden des Mittelalters. Unter Leitung von Professorin Elisabeth Lienert werden in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützten Projekt mittelhochdeutsche Dichtungen über Dietrich von Bern neu editiert.
Vom 6. - 8. September 2001 treffen sich 50 Mediävisten aus den USA, Italien, der Schweiz, Österreich und der gesamten Bundesrepublik im Gästehaus der Universität Bremen zur internationalen Tagung "Dietrichepik: Probleme der Überlieferung, Edition und Interpretation". Das Expertentreffen wird vom Arbeitsgebiet "Literatur des Mittelalters und des Humanismus" des Fachbereichs Sprach- und Literaturwissenschaften der Bremer Universität gemeinsam mit der international renommierten Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft organisiert.
Auch die Bremer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellen dabei ihre Arbeitsergebnisse zur Dietrichepik dem Fachpublikum zur Diskussion. Sie edieren und untersuchen die Epen "Dietrichs Flucht" und "Rabenschlacht", die seit dem 13. Jahrhundert in mehreren Handschriften überliefert sind. Die Dichtungen gehören zur Gattung Heldenepik, die im Mittelalter sehr beliebt war. Heldenepik preist die Kriegstaten außergewöhnlicher Helden in Augenblicken größter Gefahr für den eigenen Stamm oder das Land. Bekanntester deutscher Vertreter ist das "Nibelungenlied", das um 1200 entstanden ist. Die Dichtungen um Dietrich von Bern, hinter dem sich der Ostgotenkönig Theoderich der Große (453 - 526) verbirgt, standen lange Zeit im Schatten des großen Vorbildes. Die beiden Erzählungen um Dietrich von Bern werden als historische Dietrichepen bezeichnet, weil sie einen historischen Kern besitzen. Thematisch geht es dabei um die Vertreibung des jungen Königs Dietrich von Bern (Bern = Verona) aus Italien, um sein langjähriges Exil am Hunnenhof König Etzels, um blutige Rückeroberungsversuche, politische Machtkämpfe und Intrigenspiele. Allerdings ist bis heute ungeklärt, warum in der Dichtung die historischen Tatsachen umgedreht werden. Aus dem skrupellosen Eroberer und Herrscher Theoderich wird ein Vertriebener, der "arme Dietrich", dem es nicht gelingt, sein oberitalienisches Reich zurückzuerobern.
Auf der Bremer Fachtagung geht es hauptsächlich auch um die aventiurehafte (gefährliche Abenteuer betreffende) Dietrichepik. Es werden vor allem Fragen der Textedition, der unterschiedlichen Fassungen und der Interpretation behandelt. Internationale Verbindungen zwischen Heldendichtungen, Text-Bild-Beziehungen und Frühdrucken sind ebenfalls Gegenstand von Vorträgen.
Die Tagung beginnt am Donnerstag (6. September 2001 um 18:30 Uhr) mit einem öffentlichen Vortrag des Marburger Germanisten Professor Joachim Heinzle, der das Phänomen Heldensage im Kontext der Weltliteratur thematisiert. Am Freitagabend (7. September um 20:30 Uhr) präsentiert der auf mittelalterliche Melodien spezialisierte Sänger Eberhard Kummer (Wien) im öffentlichen Konzert der Wolkenstein-Gesellschaft das "Nibelungenlied". Er gibt dabei einen eindrucksvollen Einblick in die Aufführungspraxis mittelalterlicher Heldenepen, wie sie einst vor adeligem Publikum vorgetragen wurden.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Elisabeth Lienert
Dr. Sonja Kerth
Universität Bremen, Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaften
Arbeitsgebiet "Literatur des Mittelalters und des Humanismus"
Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaften
Tel. 0421 / 218 4505 oder 4993
oder 0421 / 598520 (während der Tagung)