RUB: Die "zweite Chance" der NS-Eliten - Buch zur ARD-Serie
Auf die Spuren der NS-Eliten nach dem Ende des zweiten Weltkrieges begeben sich die Autoren des Bandes "Karrieren im Zwielicht. Hitlers Eliten nach 1945" (Herausgeber: Prof. Dr. Norbert Frei, Fakultät für Geschichtswissenschaft der RUB) der jetzt im Campus-Verlag erschienen ist. Ab April 2002 zeigt die ARD die dazugehörige Sendereihe. Vorab wird es an der RUB eine Pressekonferenz mit Filmausschnitten und mit den Autoren geben, zu der gesondert eingeladen wird.
Bochum, 10.12.2001
Nr. 378
Die "zweite Chance" der NS-Eliten
Buch zur ARD-Serie erschienen
"Karrieren im Zwielicht. Hitlers Eliten nach 1945"
Mit dem Ende des Dritten Reichs war für viele, die dem Regime in wichtigen Positionen gedient hatten, die Karriere noch nicht vorbei: Hunderttausende von ihnen konnten durch gute Beziehungen und getragen vom kollektiven Wunsch der Deutschen, über die "jüngste Vergangenheit" zu schweigen, auch in der BRD wieder zu Macht und Ansehen kommen - die Experten wurden wieder gebraucht. Auf die Spuren dieser Kontinuitäten begeben sich die Autoren des Bandes "Karrieren im Zwielicht. Hitlers Eliten nach 1945" (Herausgeber: Prof. Dr. Norbert Frei, Fakultät für Geschichtswissenschaft der RUB) der jetzt im Campus-Verlag erschienen ist. Ab April 2002 zeigt die ARD die dazugehörige Sendereihe. Vorab wird es an der RUB eine Pressekonferenz mit Filmausschnitten und mit den Autoren geben, zu der gesondert eingeladen wird.
Zweite Karrieren
Für die Politiker des NS-Staates war nach 1945 in Deutschland keine Verwendung mehr. Günstiger allerdings sah die Zukunft in anderen Berufsfeldern aus: Wer über gute Kontakte verfügte und bereit war, sich an die neuen demokratischen Verhältnisse anzupassen, dem stand in der Regel eine zweite Karriere offen. Kritische Fragen nach der eigenen Vergangenheit hatte man indessen bis weit in die sechziger Jahre hinein nicht zu fürchten. Ein Beispiel ist Reinhard Gehlen, der unter Hitler Spionagechef für den Krieg im Osten gewesen war: Wegen düsterer Lagebeurteilungen von Hitler noch im April 1945 entlassen, stellte er sich im Mai den Amerikanern. Sein Kalkül ging auf: Unter amerikanischer Leitung baute er die Organisation Gehlen auf und wurde 1956 Geheimdienstchef der Bundesrepublik.
Späte Bekenntnisse
In der westdeutschen Öffentlichkeit waren "doppelte Karrieren" dieser Art lange Zeit kein Thema. Die Legende, Verantwortung für die NS-Herrschaft habe lediglich eine kleine Clique von Parteifunktionären, SS und Gestapo getragen, hielt sich beharrlich. Schon die Verteidiger in NS-Prozessen kurz nach Kriegsende hatten behauptet, die deutschen Führungseliten hätten - um das eigene Leben zu retten - gehorchen und sich anpassen müssen. Erst Jahrzehnte später bekannten sich einige Experten öffentlich zu ihrem Werdegang. 1979 etwa wandte sich Stern-Chefredakteur Henri Nannen an seine Leser und gab zu, dass er einst begeisterter Hitleranhänger und stolz auf seine Zugehörigkeit zum Pressestab der Wehrmacht gewesen war.
Bild der jungen Bundesrepublik
Für das Buch haben die Autoren fünf Berufsgruppen unter die Lupe genommen: Mediziner (Tobias Freimüller), Unternehmer (Tim Schanetzky), Offiziere (Jens Scholten), Juristen (Marc von Miquel) und Journalisten (Matthias Weiß). Eine Bilanz (Norbert Frei) und Exkurse über die Nürnberger Prozesse, den Kalten Krieg, die Amnestiepolitik und die späte Kritik an der "unbewältigten Vergangenheit" ergänzen das Bild. Es zeigt eine junge Bundesrepublik, deren Geschicke maßgeblich durch die alten Eliten geprägt wurden.
Titelaufnahme
Frei, Norbert (Hg.): Karrieren im Zwielicht. Hitlers Eliten nach 1945. Campus Verlag, Frankfurt/New York 2001, ISBN 3-593-36790-4
Weitere Informationen
Prof. Dr. Norbert Frei, Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte, Fakultät für Geschichtswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-22540, Fax: 0234/32-14414, Email: Lehrstuhl-ng2@ruhr-uni-bochum.de
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