Der magische Blick
Ein neues mobiles Augmented-Reality-System stellen Forscher des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung IGD auf der CeBIT 2002 (13. - 20. März) in Hannover vor. Das AR-System verfügt über ein Laser-Display, das Bildinformationen direkt auf die Netzhaut projiziert. Damit erhält beispielsweise ein Techniker Grafiken in sein Sichtfeld eingeblendet, die er aktuell benötigt, um Teile einer komplexen Anlage zu montieren. Das mobile AR-Komplettsystem ist klein, handlich und lässt sich für vielfältige Anwendungen einsetzen. So wird für Touristen der mobile Computer mit Spezialfernglas zum persönlichen Tour Guide, der historische Bauwerke wiederauferstehen lässt und Stadtpläne anzeigt.
Herkömmliche Montagehandbücher oder Bedienungsanleitungen bringen vielfach selbst versierte Techniker zum Verzweifeln, die eine neue hochkomplexe Maschine in Betrieb nehmen oder warten sollen. In Kürze hat das Blättern in den dicken Wälzern ein Ende, denn die Handbücher der Zukunft bestehen aus einem tragbaren Kleincomputer und einer teiltransparenten Datenbrille bzw. einem Display. Der Techniker setzt lediglich die Brille mit dem Retinal-Display auf und schließt diese an die mobile Computereinheit an, die sich an seinem Gürtel befindet. Sofort werden in sein Sichtfeld die graphischen Zusatzinformationen projiziert, die ihn im aktuellen Arbeitsprozess unterstützen. "Das System leitet den Techniker Schritt für Schritt an, indem es ihm die entsprechenden visuellen und akustischen Anweisungen erteilt. Gleichzeitig hat er die reale Anlage im Blickfeld und kann unmittelbar die Instruktionen ausführen - das Tempo bestimmt er selbst", erläutert Didier Stricker vom Fraunhofer IGD. Ein am Gürtel befestigter Minirechner oder ein Laptop erzeugen lagerichtig zum Objekt die akustischen und visuellen Informationen, eine bleistiftdünne Videokamera an der Brille dient dazu, die Position und die Blickrichtung des Benutzers exakt zu ermitteln. Das neue Laser Retinal-Display, von Helikopterpiloten bereits erfolgreich erprobt, ermöglicht es graphische Informationen in sehr hoher Qualität darzustellen.
Augmented Reality ist nicht nur für die Montage hochkomplexer Produkte geeignet und liefert die digitalen Handbücher für die Techniker der Zukunft. Hersteller könnten mit AR-System weltweit den Mitarbeitern vor Ort alle digitalen Daten via Internet bereitstellen und aktualisieren. Ferner könnte ein Experte von der Firmenzentrale aus am Monitor die Arbeiten verfolgen und Hilfestellung leisten. Mit dem mobilen AR-Komplettsystem und weiteren wegweisenden, produktfähigen Prototypen, so Stricker, eröffne sich ein breites Anwendungsspektrum in unterschiedlichen Branchen: Mediziner können bei der Diagnose und während der Operation Röntgenbilder oder Ultraschalldaten einblenden lassen. Städteplaner können mit Hilfe von AR prüfen, ob geplante Brücken oder Gebäude sich in das Umfeld einfügen. In weiteren Projekten entwickeln Forscher des Fraunhofer IGD mobile Navigations- und Informationssysteme für Touristen. Ausgestattet mit Spezialfernglas und Kleinstcomputer können sie sich die vor Jahrhunderten zerstörte Schlossanlage einblenden oder griechische Tempel aus Ruinen wiederauferstehen lassen. Das System kann ferner Übersichtspläne anzeigen und unterstützt bei der Suche nach Hotels und Restaurants.
Experten prognostizieren AR-Systemen große Marktpotenziale. Denn in Kürze stehen leistungsfähige tragbare Endgeräte zur Verfügung und UMTS gewährleistet die Bandbreiten, um große Datenmengen in Echtzeit zu übertragen.
Die deutsche Wirtschaft setzt auf die Schlüsseltechnologie Augmented Reality: Unternehmen und Forschungseinrichtungen haben sich im Projekt "ARVIKA" (www.arvika.de) zum weltweit größten Konsortium zusammengeschlossen. Ihr Ziel: AR-Techniken in marktreife Anwednugen umzusetzen für die Entwicklung, Wartung und Produktion von Autos, Flugzeugen, Maschinen und Anlagen. Die technische Koordination liegt beim Fraunhofer IGD, die Leitung hat Siemens und gefördert wird das Projekt vom Bundesforschungsministerium. Das mobile AR-Komplettsystem haben die Darmstädter Wissenschaftler im Rahmen von ARVIKA entwickelt.
Detaillierte Informationen erhalten Sie unter den URL:
http://www.igd.fraunhofer.de/igd-a4/index.html
http://www.arvika.de
CeBIT 2002
Messe Hannover
16. - 20. März 2002
Gemeinschaftsstand der Fraunhofer-Gesellschaft
Halle 11, Stand A14
Ansprechpartner:
Didier Stricker
Fraunhofer IGD
E-Mail: didier.stricker@igd.fraunhofer.de
Kurzprofil INI-GraphicsNet:
Das internationale Netzwerk der Graphischen Datenverarbeitung (INI-GraphicsNet) besteht aus dem Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD, dem Zentrum für Graphische Datenverarbeitung (ZGDV) e.V., beide in Darmstadt und Rostock, und dem Fachgebiet Graphisch-Interaktive Systeme (GRIS) der Technischen Universität Darmstadt. Weitere Institutionen des Netzwerkes sind das Fraunhofer-Anwendungszentrum für Computergraphik in Chemie und Pharmazie (AGC) in Frankfurt, das Fraunhofer Center for Research in Computer Graphics (CRCG) in Providence, Rhode Island (USA), das Centre for Advanced Media Technology (CAMTech) in Singapur, das Centro de Computaç"o Gráfica (CCG) in Guimar"es (Portugal), das Centre for Visual Interaction and Communication Technologies (VICOMTech) in San Sebastian (Spanien) und das Institute for New Media Technology (NEMETech) in Seoul (Süd-Korea).
Innerhalb des Netzverbundes sind an den acht Standorten über 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie rund 560 wissenschaftliche Hilfskräfte beschäftigt. Bei einem Haushalt von über 41 Millionen EURO bildet das INI-GraphicsNet weltweit den größten Forschungsverbund auf dem Gebiet der Graphischen Datenverarbeitung.