Baden-Württemberger sind für mehr Politik im Netz
Bürgergutachten zu Elektronischer Demokratie:
Baden-Württemberger sind für mehr Politik im Netz
"Online-Übertragungen von Gemeinderatssitzungen, Meinungsumfragen oder Politikersprechstunden im Netz, das sind zukünftig denkbare Anwendungsfelder elektronischer Medien. Digitale Rathäuser und virtuelle schwarze Bretter erhöhen die Effizienz einer Verwaltung, mobilisieren und informieren die Bürger besser und ermöglichen den Politikern mehr Bürgernähe", so lauten einige der abschließenden Urteile von fünf Bürgerforen, die von der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg (TA-Akademie) im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) in Stuttgart, Mannheim, Bad Schussenried, Weikersheim und Ettenheim durchgeführt wurden.
Per Zufallsprinzip ausgewählte Bürger haben sich zwei Tage lang über Partizipation, Demokratie und die Nutzung elektronischer Beteiligungsmethoden Gedanken gemacht. Jetzt liegt ihre Bewertung vor.* Darin werden vor allem in der Kommunalpolitik ein hoher Bedarf und sinnvolle Anwendungsfelder für E-Demokratie gesehen. Verschiedene regionale Probleme wie Lärm und Fragen zur Verkehrsführung oder Stadtentwicklung sind für die jeweiligen Anwohner meist von großem Interesse. Die Radweg-Planung könnte Anregungen von Radlern aufnehmen, Betroffene können besser informiert und in Diskussionsforen eingebunden werden. Elektronische Bürgernähe kann, so die Hoffnung der Forum-Teilnehmer, die Politikverdrossenheit vor allem junger Menschen überwinden helfen und außerdem die Akzeptanz und Legitimation von politischen Entscheidungen erhöhen. Abgelehnt wird dagegen die Abstimmung im Internet, wenn es um weitreichende Themen mit hoher Brisanz geht: Bei einem Bürgerentscheid über Todesstrafe oder Flüchtlingspolitik wird die Gefahr gesehen, dass Emotionalität die gebotene Sachlichkeit überdeckt. Insgesamt befürchten die Teilnehmer, dass durch die schnelle elektronische Kommunikation eine Trivialisierung von politischen Themen und Entscheidungen stattfindet.
Auch Wahlen vom heimischen Computer aus werden sehr skeptisch beurteilt. Zum einen bezweifeln die Bürger, dass die Möglichkeit zur Online-Wahl die Wahlbeteiligung erhöhen kann. Außerdem gebe es noch zu viele offene Sicherheitsfragen bei der digitalen Wahl und auch der Verlust des Erlebnis-Aspekts wird kritisch bewertet. Abstimmen per Mausklick ist kein gesellschaftliches Ereignis mehr, sondern ein isolierter Akt.
Diese Einschätzung trifft auch auf den virtuellen Landesparteitag der Grünen 2001 zu, der ansonsten von den Teilnehmern sehr positiv beurteilt wurde: "Zwischenmenschliche Kontakte und der Live-Charakter von Politik gehen durch digitale Methoden verloren", bedauern die befragten Parteitagsbesucher in einer anderen aktuellen Erhebung der TA-Akademie**.
Ansprechpartner:
Dr. Hans Kastenholz, Tel: 0711/9063-162
E-Mail: hans.kastenholz@ta-akademie.de
Dr. Birgit Spaeth, Tel: 0711/9063-226
E-Mail: birgit.spaeth@ta-akademie.de
*Elmar Wienhöfer, Hans Kastenholz, Thomas Geyer (Redaktion): "Bürgerbeteiligung im Internet? Möglichkeiten und Grenzen elektronischer Demokratie." Bürgergutachten im Auftrag des BMBF. Arbeitsbericht der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg, Nr. 207. Bestellbar unter Fax-Nr. 0711/9063-299 oder im Inter-net unter www.ta-akademie.de
**Bernhard Bubeck, Gerhard Fuchs: "Auf dem Weg in die digitale Politik. Eine Untersuchung zum Virtuellen Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg. Arbeitsbericht der Akademie für Technikfolgenabschät-zung in Baden-Württemberg, Nr. 198. Bestellbar unter Fax-Nr. 0711/9063-299 oder im Internet als Download unter www.ta-akademie.de
Weitere Informationen:
http://www.ta-akademie.de
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