Vieh in den Salzwiesen: vorteilhaft für Bauern und Gänse
Indem Vieh in den Salzwiesen des Wattenmeeres weidet, bleibt das Gras in gutem Zustand für hunderttausende Ringelgänse, die sich dort während ihres Zuges nach Sibirien Reserven anfressen. Wenn die Beweidung in großem Maßstab unterbleibt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Gänse mehr auf Bauernweiden ausweichen. Zu dieser Schlussfolgerung gelangen Groninger Biologen in einem STW-Projekt.
Circa zweihunderttausend Ringelgänse ziehen im Frühjahr aus England und Frankreich in die sibirischen Tundren zum Brüten. Unterwegs gehen sie sowohl im Wattenmeer als auch in den Poldern des Wattengebiets nieder, um junges Gras zu fressen. Bauern stellten schon immer fest, dass Gänse Grasländer mit kurzer Vegetation bevorzugen. STW-Forscher an der Universität Groningen (Niederlande) haben Ursachen dafür herausgefunden. Die Ökologen maßen die Präferenz der Gänse mit Hilfe kleiner Testflächen. Ein Teil der Flächen hatte wenig Gras, ein anderer Teil viel Gras. Manche Flächen enthalten einen hohen Eiweißgehalt (ein Maß für die Nahrungsqualität) und manche einen Niedrigen. Die Biologen studierten das Verhalten der Vögel und zählten den Kot auf jeder Testfläche. Aus dem Kot ging die Aufenthaltsdauer hervor, weil Gänse sehr regelmäßig Kot produzieren. Aus der Studie hat sich herausgestellt, dass Gänse Grasflächen bevorzugen, in denen am schnellsten Eiweiß aufgenommen werden kann. Das ist der Fall bei nachwachsendem kurzen Gras, weil dies im allgemeinen einen höheren Eiweißgehalt hat. Gänse fressen außerdem leichter kurzes als langes Gras. Grasendes Vieh kann helfen, die Pflanzendecke kurz zu halten, wenn der Wachstum sehr stark ist, wie im Frühjahr. Wenn die Gänse nicht verjagt werden, kehren sie regelmäßig zum selben Gebiet zurück. Dadurch halten sie selber das Gras kurz. Sie halten so die Qualität ihrer eigenen Nahrung aufrecht. Die in den vergangenen Jahren in Kraft getretenen Duldungsregelungen für Gänse auf Polderflächen an einigen Plätzen entlang der niederländischen Wattenküste sind daher günstig für die Gänse, weil es den Gänsen die Möglichkeit bietet, das Gras selber kurz zu halten. Der Vorzug für kurzes Gras bedeutet auch, dass eine natürliche Entwicklung der Vegetation für Ringelgänse nachteilig ist. Durch das Wachstum von Salzwiesenvegetation überwuchern unappetitliche Pflanzen die appetitliche Nahrung der Gänse. Auch in diesem Fall ist Vieh ein Verbündeter der Ringelgänse. Grasende Kühe, Schafe und Pferde treten der natürlichen Entwicklung der Vegetation auf Salzwiesen entgegen. Zum Vorteil der Gänse ist es daher erforderlich, einen ausreichend großen Teil der gesamten Salzwiesenfläche im Wattenmeer weiterhin zu beweiden. Dies entspricht der Realität des Salzwiesenschutzes im gesamten Wattenmeer.
Nähere Informationen bei Dipl.-Ing. Daan Bos (Universität Groningen, Pflanzenökologie und Tierökologie, inzwischen bei Altenburg und Wymenga tätig), Tel. +31 (0)50 3119691 (privat), Email: d.bos@altwym.nl. Die Dissertation kann in Kürze unter www.ub.rug.nl/eldoc/dis/science/d.bos/ nachgeschlagen werden. Die Promotion findet am 25. Oktober (RUG) statt, Betreuer sind Prof. Dr. J.P. Bakker und Prof. Dr. R.H. Drent