Stirbt Deutsch als Fachsprache?
Der Rat für Deutschsprachige Terminologie(RaDT)fordert gezielten Ausbau des fachsprachlichen Deutsch.Für den RaDT ist die Rolle des Englischen als Lingua franca in Wirtschaft und Wissenschaft in der heutigen Zeit unumstritten.Allerdings wies der RaDT darauf hin, dass die übermäßige, häufig unnötige Verwendung von englischen Fachwörtern in der deutschen Sprache nur selten der besseren Verständigung dient.
Der Einfluss des Englischen auf die deutschen Fachsprachen war das zentrale Thema der 17. Sitzung des Rat für Deutschsprachige Terminologie (RaDT), die vom 15. und 16. November 2002 erstmalig bei der nationalen UNESCO-Kommission in Luxemburg stattfand. Der RaDT ist eine Initiative der UNESCO-Kommissionen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, in der sich Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Bildungswesen zusammengeschlossen haben. Ziel des RaDT ist es, die Zusammenarbeit, Koordination und Bewusstseinsbildung im Bereich der deutschsprachigen Terminologie zu fördern.
Für den RaDT ist die Rolle des Englischen als Lingua franca in Wirtschaft und Wissenschaft in der heutigen Zeit unumstritten. Für den Wissenstransfer und die Beteiligung am weltweiten Handel ist die Förderung der englischen Sprachkompetenz im deutschen Sprachraum sogar von entscheidender Bedeutung. Anglizismen in den deutschen Fachsprachen werden generell nicht als Gefahr sondern vielmehr als ein Zeichen für die Vitalität einer sich stetig wandelnden Sprache gesehen. Die Übernahme von Fremdwörtern ist eines der üblichen Mittel, über die neue Fachwörter und Terminologien gebildet werden, und hat für das Deutsche eine lange Tradition.
Allerdings wies der RaDT darauf hin, dass die übermäßige, häufig unnötige Verwendung von englischen Fachwörtern in der deutschen Sprache nur selten der besseren Verständigung dient. Fachsprachliche Benennungen sollten klar, eindeutig und motiviert sein, sodass beim Lesen und Hören der Sinn möglichst schnell und zweifelsfrei erfasst werden könne. Der RaDT befürchtet, dass durch die Beschränkung auf das Englische als einzige Sprache der fachlichen Kommunikation und des Wissensaustausches das Deutsche als fachsprachliches Verständigungsmedium in bestimmten Fachgebieten zurückgedrängt und allmählich verschwinden werde. Wenn - wie jetzt schon in bestimmten Fachgebieten üblich - wissenschaftliche Artikel, Lehrbücher und Vorlesungen nur noch in Englisch veröffentlicht bzw. gehalten würden, könne das Deutsche auf die folkloristische Ebene reduziert werden und nur noch im Alltagsleben und im literarischen Bereich als Verständigungsmittel funktionieren.
Wer auf die gezielte Fortentwicklung landessprachlicher Terminologie verzichtet, so Prof. Dr. Klaus-Dirk Schmitz, 1. Vorsitzender des Rates für Deutschsprachige Terminologie (RaDT) und u. a. Geschäftsführender Leiter des Instituts für Informationsmanagement der Fachhochschule Köln, der verzichtet auch auf die aktive Mitgestaltung an der Weiterentwicklung eines Fachs. Wenn auch die internationale Wissenschaftssprache Englisch sei, so könne an der internationalen Diskussion nur glaubwürdig und erfolgreich teilnehmen, wer auch aus dem wissenschaftlichen Potenzial des eigenen Landes schöpfen könne, das sich auch sprachlich eigenständig darstelle.
Forschung und Entwicklung lassen sich nicht in der Isolation akademischer Elfenbeintürme oder industrieller Führungsetagen betreiben, in denen Englischkenntnisse die Regel sind, sondern finden ihre Basis in der praxisnahen Ausbildung und Qualifizierung von Facharbeitern, Technikern und Ingenieuren. Diese Ausbildung wird auch in Zukunft durch die kulturelle und sprachliche Eigenständigkeit geprägt sein. Alles auf die englische Karte zu setzen, würde für den RaDT bedeuten, die Wissenschaft von ihrer Basis in Forschung und Entwicklung abzuschneiden. Der deutsche Sprachraum behauptet sich als Wirtschaftsstandort wesentlich durch die Bindung von Wissenschaft an eine starke Basis; eine Bindung, die nur durch eine deutschsprachige Fachkommunikation möglich gemacht wird. Theorie und Praxis können nur im Dialog voneinander lernen. Damit sie sich verstehen können, brauchen sie eine verlässliche und vor allem verständliche Terminologie.
Der RaDT fordert daher alle mit Terminologiebildung befassten Institutionen und Organisationen im deutschen Sprachraum auf, künftig bei ihren begrifflichen Festlegungen ihrer doppelten Verantwortung gerecht zu werden, die sich aus terminologischer Sicht ergibt:
*Fachsprachliches Deutsch muss als effizientes Werkzeug zur Erleichterung des innersprachlichen Wissenstransfers und für den Gebrauch des Deutschen in der internationalen Fachkommunikation gezielt ausgebaut werden
*Transparenz und Motivation der Fachausdrücke, Verständlichkeit und demokratische Aspekte des Abbaus von Informations- und Sprachbarrieren müssen dabei erhalten werden.
Ebenso empfiehlt der RaDT der UNESCO und insbesondere den nationalen UNESCO-Kommissionen, den EU-Institutionen sowie den befassten Regierungsstellen im deutschsprachigen Raum, nicht nur angesichts der kulturell-gesellschaftlichen Rolle sondern auch der wirtschaftlichen Auswirkungen der Verwendung deutscher Fachsprachen, mit ihren Terminologien die vielfältigen terminologischen Aktivitäten im deutschsprachigen Raum im Rahmen der jeweiligen Informations-, Wissens- und Innovationsstrategien nach Kräften zu unterstützen.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Klaus-Dirk Schmitz
Fachhochschule Köln
Fakultät für Informations- und Kommunikationswissenschaften (F 03)
Mainzer Str. 5, D-50678 Köln
Tel.: (0221) 8275 - 3272; Fax: (0221) 8275 - 3991
Mail: klaus.schmitz@fh-koeln.de
Weitere Informationen:
http://radt.uibk.ac.at/index.html
http://www.iim.fh-koeln.de/iim/index.html
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