TA-Akademie fordert "Stiftung Gesundheitstest"
Mehr Transparenz und Wettbewerb im Gesundheitswesen nötig
Das heutige Gesundheitssystem wird von den Interessen der Ärzteschaft, der Krankenversicherungen, der Krankenhäuser und der Pharmaindustrie bestimmt - der einzelne Patient hat kaum Chancen, seine Interessen selbstverantwortlich wahrzunehmen. Wenn Patienten und Versicherten mehr Verantwortung und Wahlfreiheiten zugemessen werden sollen, dann muss das gegenwärtige System strukturell verändert werden. Vor allem das Kartell von Leistungsanbietern und Kassen muss aufgebrochen werden, wobei dann z.B. auch die kassenärztlichen Vereinigungen abgeschafft und ihre regulativen Funktionen von den Ärztekammern übernommen werden könnten. Den Sicherstellungsauftrag für die Versorgung von Patienten könnten die Krankenkassen übernehmen. Das sind die wichtigsten Empfehlungen einer neuen Studie der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg (TA-Akademie) mit dem Titel "Szenarien für mehr Selbstverantwortung und Wahlfreiheit im Gesundheitswesen"*.
"Die Kartelle der ambulanten und stationären Anbieter und der Krankenkassen erweisen sich als das größte Hemmnis für eine zukunftsfähige Reform zum Nutzen der Patienten", so die Autoren der Studie, die drei Reformszenarien für das Gesundheitswesen entwickelt haben, die stufenweise aufeinander aufbauen. Die Szenarien sehen u.a. vor, die Vertragsstrukturen aufzubrechen und wettbewerbliche Elemente einzuführen. Der bisherige Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) soll danach in Grund- und (konsumnähere) Satzungsleistungen differenziert werden, um einen Wettbewerb auf der Leistungsseite zu initiieren. "Die Satzungsleistungen sind Angebote, die sich je nach Krankenkasse unterscheiden können und von den Versicherten der jeweiligen Kasse solidarisch finanziert werden. Sie gehen damit nicht in den Risikostrukturausgleich ein", so die Autoren. Bei der Finanzierung plädieren sie für einen Preiskorridor aus Mindestvergütung und Erstattungsobergrenze, dessen Einhaltung ebenso wie die Gewährleistung eines Grundleistungskataloges durch eine gesetzliche Aufsicht zu garantieren sei: "Das verhindert die Dominanz einzelner Marktteilnehmer". Die Folge wäre ein Wettbewerb zwischen den Krankenkassen über Qualität und Preis der ärztlichen Leistungen.
Voraussetzung dafür sei eine größere Transparenz im Gesundheitswesen, um die Bürger überhaupt in die Lage zu versetzen, selbstständige Entscheidungen zu treffen. Die Studie schlägt dazu die Einrichtung einer unabhängigen "Stiftung Gesundheitstest" vor, die ähnlich der "Stiftung Warentest" über das Internet umfassende Informationen zur Qualität von Leistungen in Praxen und Kliniken sowie dem Gesundheitssystem insgesamt bereitstellen soll. Der Stiftung sollten auch Mitspracherechte bei der Ausgestaltung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) eingeräumt werden.
Das Pilotprojekt "Szenarien für mehr Selbstverantwortung und Wahlfreiheit im Gesundheitswesen" ist mit finanzieller Unterstützung durch das Sozialministerium Baden-Württemberg, der Landesärztekammer Baden-Württemberg und der Gottlieb Daimler- und Karl Benz-Stiftung zustande gekommen.
Ansprechpartner: Dr. Manfred Rohr, Tel: 0711/9063-103
E-Mail: manfred.rohr@ta-akademie.de
Markus Geckeler, Tel: 0711/9063-222
E-Mail: markus.geckeler@ta-akademie.de
*Lars Thielmann, Manfred Rohr, Diethard Schade: Szenarien für mehr Selbstverantwortung und Wahlfreiheit im Gesundheitswesen. Arbeitsbericht der TA-Akademie Nr. 222, Dezember 2002.
Als Download im Internet unter www.ta-akademie.de, bestellbar per Fax: 0711/9063-299 zum Preis von
7,7 Euro plus Porto und Verpackung.
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