Früherkennung und neue Therapiestrategien senken Sterblichkeit
Fortbildungsveranstaltung des Tumorzentrums Heidelberg/Mannheim zu Brustkrebs / Biologische Marker ermöglichen Verzicht auf Chemotherapie
Brustkrebs ist keine einheitliche Erkrankung: Seine Diagnostik und Behandlung wird zunehmend an die individuellen Bedingungen der einzelnen Patientin angepasst, denn immer mehr Faktoren werden bekannt, die den Verlauf der Erkrankung bestimmen. So kann anhand neuer tumorbiologischer Faktoren besser entschieden werden, ob eine adjuvante, medikamentöse Therapie, insbesondere eine Chemotherapie nach der Entfernung des Tumors erforderlich ist. Dies berichtete Dr. Andreas Schneeweis, Oberarzt an der Universitätsfrauenklinik Heidelberg bei der Fortbildungsveranstaltung "Mammakarzinom" des Tumorzentrums Heidelberg/Mannheim am 1. Februar in Heidelberg, die von mehr 500 Ärztinnen und Ärzten besucht wurde.
In Deutschland erkranken jedes Jahr ca. 48. 000 Frauen an einem bösartigen Krebs der Brustdrüse; etwa 16.000 sterben innerhalb von fünf Jahren. Diese Sterblichkeit könnte nach Meinung von Experten erheblich, d.h. um 50 Prozent gesenkt werden: Etwa 35 Prozent könnte eine verbesserte Früherkennung beitragen, weitere 15 Prozent ließen sich durch eine optimierte Behandlung erreichen.
Einen wesentlichen Betrag soll die Einführung einer Reihenuntersuchung zur frühzeitigen Entdeckung des Tumors durch eine spezielle Röntgen-Untersuchung der Brust leisten (Mammographie-Screening). In frühen Stadien, wenn der Tumor oft nur wenige Millimeter groß ist, sind die Heilungschancen groß. Experten rechnen damit, dass in Deutschland rund 3.000 Todesfälle pro Jahr verhindert werden könnten, wenn Frauen zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr regelmäßig durchleuchtet würden.
Flächendeckendes Brustkrebs-Screening ab 2005
"In vier deutschen Modellregionen wird derzeit ein Screening-Programm der Bevölkerung erprobt, das den europäischen Qualitätsstandards entspricht", berichtete Dr. Hans Junkermann, Leiter des Bremer Mammographie-Screening-Zentrums. In Bremen, Wiesbaden, der Region Weser-Ems und Erlangen werden alle Frauen über 50 aufgefordert, ihre Brust untersuchen zu lassen. Etwa 60 Prozent nehmen dieses Angebot an. Voraussetzung für die flächendeckenden Einführung für alle Frauen im Jahr 2005 ist die Einhaltung der europäischen Standards. So müssen die diagnostischen Geräte bestimmten Anforderungen genügen und die Aufnahmen von mindestens zwei geschulten Ärzten begutachtet werden.
Schon heute liege die Sterblichkeit in qualifizierten deutschen Brustkrebszentren unter dem Bundesdurchschnitt. Diese Zentren erfüllten bereits die internationalen Standards, erklärte Prof. Dr. Gunther Bastert, Ärztlicher Direktor der Universitätsfrauenklinik Heidelberg. Mittlerweile könnten ca. 70 Prozent der Patientinnen brusterhaltend operiert werden, etwa 80 Prozent der Frauen sind mit den ästhetischen Ergebnissen zufrieden. Das Heidelberger Brustzentrum, das mit etwa 500 neuen Brustkrebspatientinnen pro Jahr mit das größte Zentrum in Deutschland ist, unterzieht sich derzeit einer Zertifizierung der Deutschen Krebsgesellschaft unter Mitarbeit des TÜV, die hohe Qualitätsanforderungen stellt und alle drei Jahre wiederholt werden muss.
Wie sehen die optimale Therapiestrategien bei Brustkrebs aus? Ärzte und Patientinnen können heute im Internet die Prognose der individuellen Erkrankung analysieren, berichtete Dr. Andreas Schneeweis. Unter www.adjuvantonline.com können sie etablierte Prognosefaktoren in ein englischsprachiges Kalkulationsprogramm eingeben, die den weiteren Verlauf der Erkrankung ohne Therapie errechnen und den individuellen Therapiegewinn durch Antihormontherapie und Chemotherapie quantifizieren. Entscheidend sind dabei vor allem der Lymphknotenbefall in der Achselhöhle, der Entartungsgrad des Tumors, die Tumorgröße , das Alter der Patientin und das Ansprechen des Tumors auf weibliche Hormone. Neue tumorbiologische Prognosefaktoren gehen jedoch in dieses System noch nicht ein, so dass diese Kalkulation nur die Basis für eine individuelle Risikoabschätzung durch einen Spezialisten sein kann, diese aber nicht ersetzt.
Therapeutische Erfolge durch Anti-Hormon-Therapie und Bestrahlung
Neue tumorbiologische Faktor, die obligat zumindest bei Patientinnen ohne Befall der Achsellymphknoten bestimmt werden sollten, sind uPA und PAI-. Dabei handelt es sich um spezifische Eiweißstoffe (Proteinasen), die ein Maß für das Metastasierungsverhalten des Tumors darstellen. Bei Patientinnen, deren Lymphknoten nicht befallen sind, kann auf eine Chemotherapie nach der Operation verzichtet werden, wenn diese Faktoren niedrig sind, wie klinische Studien gezeigt haben. Allerdings können sie nur im frischen, entnommenen Tumorgewebe bestimmt werden. Dies ist bislang an wenigen Zentren möglich. Weiterer Pfeiler des Behandlungsregimes ist die Anti-Hormon-Therapie. Sie nützt allerdings nur Frauen, deren Tumoren "hormon-empfindlich" sind.
Nahezu 70 Prozent der Patientinnen werden heute zusätzlich bestrahlt. "Klinische Studien haben gezeigt, dass die Rezidivrate mindestens um ein Drittel reduziert werden kann", sagte Privatdozent Dr. Dietmar Zierhut, Radiologische Universitätsklinik Heidelberg. Moderne Bestrahlungsformen gehen auf die individuellen Anforderungen der Patientinnen ein. So profitierten vor allem Patientinnen unter 50 Jahren von einer intensiven "Boost-Bestrahlung", bei der z.B. radioaktive Substanzen direkt in das Brustgewebe eingebracht wird. Mit der "intensitätsmodulierten" Bestrahlung, die hohe Strahlendosen in kritischen Bereichen wie Herz und Lunge vermeidet, werden ebenfalls zufriedenstellende Ergebnisse erzielt.
Etwa 5-10 Prozent der Patientinnen haben eine erbliche Disposition für Brustkrebs, aber oft noch für andere Tumorarten, etwa des Eierstocks und der Bauchspeicheldrüse. Bei ihnen tritt der Krebs häufig frühzeitig auf. Zwei spezifische Gene für Brustkrebs seien bislang bekannt, sagte Prof. Dr. Claus Bartram, Ärztlicher Direktor des Humangenetischen Instituts am Universitätsklinikum Heidelberg. Doch ihre Trägerinnen, in deren Familie mehrere Frauen betroffen sind, müssten in unterschiedlichem Maße mit einer Erkrankung rechnen und deshalb beraten werden, z. B. bei der Verwirklichung eines Kinderwunsches.
Von vorneherein sei eine umfassende Betreuung durch ein Expertenteam erforderlich, das eine humangenetische und gynäkologische Beratung, aber auch eine psychotherapeutische Betreuung gewährleistet. Den Patientinnen wird empfohlen, sich bereits im dritten Lebensjahrzehnt in kurzen Abständen untersuchen zu lassen. Eine vorsorgliche Abnahme der Brust wird nur bei Nachweis einer erblichen Belastung erwogen und derzeit nur von etwa 5 Prozent der betroffenen Frauen vorgezogen; in anderen Staaten wie den Niederlanden entscheiden sich etwa die Hälfte der Frauen mit einer Erbanlage für Brustkrebs für die Entfernung der Brust.
Weitere Informationen:
http://www.adjuvantonline.com