Keine Kostenexplosion im Gesundheitswesen
In der gegenwärtigen Diskussion über das Gesundheitswesen steht die Ausgabenseite mit dem Ziel der Kostensenkung im Vordergrund. Das DIW Berlin kommt in seinem aktuellen Wochenbericht 7/2003 aber zu dem Ergebnis, dass nicht die Kosten "explodieren", sondern dass die Einnahmeseite das Problem ist. Eine schmaler werdende Bemessungsgrundlage hat die Beitragssätze in den vergangenen 30 Jahren in die Höhe geschraubt. Wenn man diese stabilisieren oder sogar senken will, muss die Bemessungsgrundlage verbreitert werden.
Das DIW Berlin zeigt, dass die Gesundheitsausgaben nicht schneller gestiegen sind als die gesamtwirtschaftliche Leistung. So hat sich die Relation der Leistungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zum Bruttoinlandsprodukt von 5,7 % im Jahre 1975 geringfügig auf 6 % im Jahre 1998 erhöht; bei den Behandlungsausgaben ist sie von 4,7 % auf gerade einmal 5,1 % gestiegen. Von einer Kostenexplosion im Gesundheitswesen kann also keine Rede sein. Trotz dieser relativen Konstanz ist aber der durchschnittliche Beitragssatz für die GKV seit 1970 kräftig angehoben worden: von 8,2 % des beitragspflichtigen Einkommens im Jahre 1970 auf 13,6 % im Jahre 1998. Diese Anhebung um 5,4 Beitragssatzpunkte entspricht einer prozentualen Steigerung von 66 %. Dieser auffällige Anstieg der gesetzlichen Krankenversicherung beruht auf einem Zurückbleiben der gegenwärtigen Bemessungsgrundlage der Beiträge, nämlich der Bruttolohn- und -gehaltsumme, deren Anteil am Bruttoinlandsprodukt stetig gefallen ist.
Sollen kurzfristig das Leistungsniveau beibehalten und zugleich die Beitragssätze gesenkt werden, geht an einer Verbreiterung der Bemessungsgrundlage kein Weg vorbei. Problematisch ist dabei die Erfassung jener Einkommen, die nicht aus abhängiger Beschäftigung erzielt werden, also vor allem die Kapitaleinkommen. Um diese zu erfassen, müsste die Krankenversicherung zu einem zweiten Finanzamt umfunktioniert werden. Um dies zu vermeiden, bietet sich eine Finanzierung über Pauschalprämien an. Das DIW Berlin hat deshalb als Finanzierungsalternative versicherungsspezifische Pauschalprämien für alle Leistungsempfänger vorgeschlagen. Hierfür benötigt die Krankenversicherung keinerlei Informationen über die Einkünfte, da der soziale Ausgleich über das Steuer-Transfersystem erfolgt.
Während sich die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage im Fall der Gesundheitsausgaben plausibel damit begründen lässt, dass schließlich auch andere Konsumgüter nicht nur aus einem Teil der Einkünfte, sondern aus sämtlichen Einkünften finanziert werden, trifft diese Argumentation nicht auf die Altersvorsorge zu. Die künftige Rentenzahlung hat die Funktion eines Lohnersatzes. Kapitaleinkünfte müssen nicht ersetzt werden, sie fließen auch in der Altersphase weiter. Von daher sind Kapitaleinkünfte bei der Altersvorsorge anders zu behandeln als im Fall der Gesundheitsvorsorge.
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