Die IWF dokumentiert historische Physik-Experimente von Robert Wichard Pohl (1884-1976)
Eine Fahrradkette hängt schlaff auf dem Zahnrad an einem Elektromotor. Der Motor startet. Wie eine Zentrifuge beginnt sich die Kette zu drehen - immer schneller. Immer höher und lauter rast sie um die Achse, formt sich schließlich bei 30 Umdrehungen pro Sekunde zu einem kreisrunden Rad. Sie ist nun "dynamisch stabil". Der Experimentator schiebt ein Holzbrett an die Kette und verkantet sie. Schnarrend löst sie sich vom Zahnrad, rast den Fußboden entlang, springt über ein Hindernis, schlägt gegen die Wand, fällt zurück auf einen aufgespannten, alten Teppich, dreht sich dort noch viele Male auf der Stelle und sackt schließlich in sich zusammen. Der ganze Vorgang ist so schnell, dass man ihn kaum erfassen kann.
Ort des Geschehens: Der alte Hörsaal der Physikalischen Institute an der Universität Göttingen. Die Experimentier-Zutaten: Original-Geräte aus den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Mit ihnen hielt der Physiker Robert Wichard Pohl jahrzehntelang seine berühmte Experimentalphysik-Vorlesung. Daraus ging ein dreibändiges Werk "Einführung in die Physik" hervor, das in zahlreichen Auflagen verlegt wurde. Seine grundlegenden Experimente werden auch heute noch - mit modernem Gerät - in vielen Hörsälen der Experimentalphysik demonstriert.
Die im Film mögliche Bewegungsdarstellung - die Fahrradkette wird beispielsweise in Zeitlupe gezeigt - bietet eine lehrreiche und verständnisfördernde Ergänzung zu Experimentabbildungen in den Pohlschen Lehrbüchern. Auch Schüler können so Pohls didaktische Raffinesse kennen lernen. Beispielsweise lenkte er im abgedunkelten Hörsaal durch den Schattenwurf der Versuche die Aufmerksamkeit der Studierenden ganz gezielt auf das Geschehen.
Der historische Hörsaal der Göttinger Physik hat ausgedient. Demnächst ziehen alle Geräte in einen Neubau des Nord-Campus. Daher war höchste Eile geboten für die Umsetzung einer Idee: Die hohe Experimentierkunst Pohls mit seinem ungewöhnlichen Einfallsreichtum noch einmal lebensnah an Original-Geräten im historischen Umfeld des alten Hörsaals zu dokumentieren. Die ersten Aufnahmen entstanden im Herbst 2002. Ein Team der IWF um Kameramann Kuno Lechner und Projektleiter Dr. Walter Stickan machte sich ans Werk. Ein glücklicher Umstand kam hinzu: Pohls Sohn Robert O. Pohl, emeritierter Professor am Cornell Center for Materials Research (CCMR), Ithaca, USA, war längere Zeit bei der Arbeitsgruppe um den Institutsleiter Prof. Konrad Samwer und seine Kollegen Prof. Klaus Lüders und Prof. Gustav Beuermann in Göttingen zu Besuch. Er war spontan bereit und begeistert, die Experimente seines Vaters persönlich vorführen und erläutern zu können.
Zur Zeit bereiten die wissenschaftlichen Mitarbeiter am Projekt mit dem renommierten Springer-Verlag eine Neufassung der Pohl-Klassiker vor. Daher waren sie besonders begeistert von den heutigen technischen Möglichkeiten: In der Neuauflage sollen die Experimente - auf einer DVD beigefügt - eine lehrreiche und verständnisfördernde Ergänzung zu den Experimentalabbildungen des Lehrbuchs bieten.
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