Alle vier 'Terrestrischen Astronauten' gut gelandet
1. Staffel der simulierten Schwerelosigkeit am UKBF erfolgreich beendet
Presseinformation ZMK, 15.4.2003
Vier junge, gesunde Männer im Alter von Ende zwanzig bis Anfang dreißig Jahre haben eines ihrer bisher aufregendsten Abenteuer bestanden. Acht Wochen wurden sie unter strengen Auflagen den Bedingungen der physiologisch simulierten Schwerelosigkeit unterzogen - im Dienste der Weltraummedizin.
Ziel des in der Öffentlichkeit stark wahrgenommenen Forschungsprojektes ist die Klärung, ob und wie sich die Atrophien von Muskulatur und Knochen verhindern lassen, denen Langzeit-Weltraumfahrer ausgesetzt sind. Eine Lösung dieses Problems kommt nicht nur den interstellar Reisenden zugute, sondern auch den Besatzungsmitgliedern der Internationalen Raumstation ISS, die zur Zeit im Einsatz ist.
Die ersten vier 'Terrestrischen Astronauten' haben es also geschafft und den achtwöchigen Aufenthalt unter simulierter physiologischer Schwerelosigkeit hinter sich gebracht. Eine Zeit intensiver Erfahrungen lag hinter ihnen, als sie am Sonntag, den 13. April 03, das erste Mal wieder Boden unter den Füßen hatten. Dabei darf man sich das Aufstehen nicht so einfach vorstellen wie im Bett aufrichten, Beine über die Bettkante schwingen und los geht's.
Mitnichten. Zunächst musste der Kreislauf mit den damit zusammen hängenden Körperfunktionen langsam wieder an die vertikale Haltung gewöhnt werden. Über einen Zeitraum von ca. einer Stunde werden die Probanden langsam von der horizontalen in die vertikale Position gebracht. Während dieser Prozedur wurden relevante Kreislaufparameter der Testpersonen kontrolliert.
Erst danach kam der große Augenblick, sowohl für die Testpersonen als auch für alle beteiligten Wissenschaftler: die ersten Schritte. Diese führten direkt zur so genannten Sprungmechanographie, wo mehrere Testsprünge zu absolvieren waren. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen liefern aussagekräftige Daten über Muskelkraft und -leistung, anhand derer die Wirksamkeit des in dieser Studie erstmalig eingesetzten Vibrations-Muskeltrainingsgerätes überprüft werden soll. Zwei der vier Testpersonen haben sich zwei Mal täglich einem 5-7 minütigen Training unterzogen.
Nach den wichtigsten Erfahrungen befragt, die die 'Erdastronauten' während der simulierten Schwerelosigkeit machten, berichten André Beau und Marten Strübing - beide gehören der trainingsfreien Kontrollgruppe an - gleichermaßen, sie hätten jetzt erfahren, wie hilflos sich bettlägerige Menschen fühlen müssen. Sie könnten sich jetzt in die Lage dieser Kranken hineinversetzen, auch in Bezug auf die psychischen Probleme, die dabei entstehen. Vor allem würde man jetzt zu schätzen wissen, wie wertvoll ganz alltägliche Dinge werden können. André fügt hinzu, dass er stolz sei, diese außergewöhnlichen Belastungen gemeistert zu haben. Marten ist eigentlich ein Bewegungsmensch und wäre gerne in die Trainingsgruppe gegangen, aber leider hat der Zufallsgenerator anders entschieden. So war das achtwöchige Liegen ohne körperliche Aktivität für ihn eine besondere Herausforderung.
Die beiden Probanden der Trainingsgruppe, Ulf Gast und Thorsten Weber, hatten mit dem achtwöchigen Liegen keine Probleme. Grund hierfür ist u.a. das Vibrations-Muskeltraining, das eine große körperliche Anstrengung abverlangt. Ein Training von drei Minuten entspricht einer Muskelbeanspruchung eines 10.000 m-Laufes. Hauptproblemzone der beiden aktiven Erdastronauten war das Aufbringen einer ausreichenden Selbstmotivation, um das Training mit möglichst hohem körperlichen Einsatz, der individuell gesteuert werden kann, absolvieren zu können. Für Thorsten war die größte Herausforderung die Isolation von privaten Bezugspersonen, für Ulf die körperliche Abhängigkeit, die Tatsache, sich für alle alltäglichen Belange bedienen lassen zu müssen, obwohl man doch kerngesund ist. Am Ostersamstag kehren die erfolgreichen Teilnehmer der ersten Teststaffel nach Hause zurück.
Weitere vier Staffeln folgen, jede mit vier mutigen Männern, die sich auf das unbekannte Abenteuer, das eine langfristige Ausnahmesituation mit sich bringt, einlassen wollen.
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Erste Einschätzung von Ergebnissen der Berliner BedRest-Studie: Das wissenschaftliche Konzept geht auf
"Das in der Berliner BedRest-Studie Studie eingesetzte neuartige Vibrations-Muskeltrainingsgerät (Galileo Space) hat sich bisher als das wirksamste Trainingssystem für die Bedingungen der Schwerelosigkeit erwiesen," so lautet die erste Einschätzung von Prof. Felsenberg, dem Leiter der Studie nach Abschluss der ersten von insgesamt fünf geplanten BedRest-Phasen.
Ziel der vom Zentrum für Muskel- und Knochenforschung (ZMK) initiierten weltraummedizinischen Studie ist es, die Wirksamkeit dieses Vibrations-Muskeltrainings zu überprüfen als Maßnahme gegen Muskel- und Knochen-atrophien, wie sie bei Astronauten im Laufe von Langzeit-Weltraumflügen auftreten.
In der ersten BedRest-Staffel wurden vier Probanden getestet, zwei von ihnen trainierten mit dem Galileo Space, die beiden anderen gehörten der so genannten Kontrollgruppe an, die nicht trainiert wurde. Alle anderen Bedingungen der simulierten physiologischen Schwerelosigkeit waren bei allen vier Probanden identisch. Nach acht Wochen Immobilisation konnte bei der Kontrollgruppe eine Abnahme des Muskelvolumens von ca. 20 bis 30 Prozent festgestellt werden, während bei den Testpersonen der Trainingsgruppe das Muskelvolumen sogar aufgebaut werden konnte.
Die Werte der Knochendichte verhalten sich ähnlich. Bei der Kontrollgruppe wurde eine deutliche - aber für die Probanden ungefährliche - Abnahme verzeichnet, während in der Trainingsgruppe die Knochendichte praktisch unverändert blieb. Damit hat das Training zwei der wichtigsten Ziele sehr gut erfüllt. Weitere physiologische Parameter, die durch das Training beeinflusst werden, werden noch wissenschaftlich untersucht und ausgewertet.
Da die Astronauten im Space nicht nur mit Maßnahmen gegen die Atrophien des Bewegungssystems beschäftigt werden können, ist neben der physiologischen eine zeitliche Effizienz für das Training zu fordern. Auch diese erfüllt das eingesetzte Vibrationstraining mit dem Galileo Space (Entwicklung des ZMK in Kooperation mit NovoTec, Pforzheim) in beeindruckender Weise.
Die Erfahrungen der ersten Teststaffel haben aber auch gezeigt, dass die Trainingsbelastung höher als erwartet war. Der Trainingsplan der zweiten Staffel wird entsprechend moduliert, um die Akzeptanz für diese Trainingsmethode zu verbessern. Immerhin müssen Astronauten auch während monatelanger Space-Missionen täglich 'Lust auf den Galileo Space' haben, damit das Vibrationstraining seinen präventiven Zweck erfüllen kann.
Kurze wissenschaftliche Hintergrund-Informationen:
In der Schwerelosigkeit werden insbesondere die Muskeln der Beine, des Beckens und des unteren Rumpfes nicht beansprucht, da ein aufrechter Gang, für den diese Muskeln im Wesentlichen verantwortlich sind, nicht erforderlich ist. Im Schwerefeld der Erde oder auch eines jeden anderen Planeten werden aber diese Muskeln gebraucht, um aufrecht stehen zu können. Die Folge der ŽNichtbenutzungŽ der Muskulatur ist der weitgehende Abbau mit Verlust der Muskelkraft und der Muskelleistung.
Ohne Muskelkraft wird aber auch dem Knochen kein Signal mehr vermittelt, dass er gebraucht wird - die Folge ist, dass auch dieser abbaut und an Festigkeit verliert. Bei fortbestehendem Verlust des Knochens wird dieser brüchiger und schon kleine Verletzungen können zum Knochenbruch führen. Für eine bemannte Weltraum-Mission stellt dies ein intolerabeles Risiko dar.
Termine der folgenden Staffeln unter http://www.medizin.fu-berlin.de/zmk
Weitere Informationen:
Renate Bowitz
Media- and PublicRelations
Zentrum für Muskel- und Knochenforschung (ZMK)
am Universitätsklinikum Benjamin Franklin der FU Berlin
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