Zwischen Lebensgefühl und Krankheit: Depression heute
Ringvorlesung des Sigmund Freud-Instituts und des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften
FRANKFURT. Seit zwei Jahrzehnten nimmt die Häufigkeit der Diagnose 'Depression' zu. An depressiven Erkrankungen leiden in Deutschland mindestens vier Millionen Menschen, in der Mehrzahl Frauen. Weltweit sollen (nach Schätzungen der WHO) über 300 Millionen Menschen an Depressionen erkrankt sein. Von der 'Volkskrankheit Depression' ist die Rede.
Sicher wird diese Feststellung dadurch geschwächt, dass sich unter diesem Terminus, je nach Perspektive der psychotherapeutischen oder psychiatrischen Schule, Verschiedenes verstehen lässt. In der Ringvorlesung wird die psychoanalytische Auffassung der Depression in verschiedenen Facetten vorgestellt. Thematisiert werden grundsätzliche Forschungsprobleme, persönlichkeits- strukturelle und pathologische Aspekte, und es werden Fragen der Diagnose und Behandlung erörtert.
Darüber hinaus liegt die Vermutung nahe, die heutige Verbreitung der Depression sage auch etwas über den Seelenzustand der Epoche aus. Sie kann als Hinweis auf gewachsene psychosoziale Belastungen der Menschen in der Moderne, erst recht im Zeitalter der Globalisierung verstanden werden. Momente von Depression stecken in den alltäglichen Lebensentwürfen und Beziehungs- mustern ebenso wie in den Gestaltungen von Literatur, Film, Musik und bildender Kunst.
Ist dies Anzeichen einer verschlechterten Stimmungslage des heutigen Menschen, somit einer sozialen Pathologie, oder ist es lediglich Ausdruck normaler Stimmungsschwankungen, wie sie seit jeher im Seelenleben vorkommen?
Zur Erhellung dieser nichtpathologischen Seite des Phänomens Depression wird in der Vorlesung auch dessen kulturelle und soziale Dimension ausführlich behandelt.
Programm
06.11.03 Rolf Haubl
Melancholie als Lebensform. Walter Benjamin und die Psychoanalyse (Antrittsvorlesung)
27.11.03 Marianne Leuzinger-Bohleber,
Psychoanalytische Depressionsforschung zwischen Verweigerung und Anpassung
18.12.03 Heinrich Deserno,
Liebe und Depression. Am Beispiel von Dieter Wellershoffs Roman 'Der Liebeswunsch'
15.01.04 Stephan Hau
Depression und Kreativität
05.02.04 Tomas Plänkers,
Manische Abwehrformen gegen Depression
Die Ringvorlesung findet jeweils donnerstags, 20 Uhr, in Raum 1801, Casino, IG Hochhaus, Campus Westend, Grüneburgplatz 1, statt.
Organisation: Hans-Joachim Busch, Heinrich Deserno
Informationen: Hans-Joachim Busch; Sigmund Freud-Institut, Myliusstr. 20, 60323 Frankfurt; Tel. 069/971204-0, Fax 069/971204-4; E-Mail: SFI-S.Kroll@t-online.de
Weitere Informationen:
http://www.sfi-frankfurt.de