Gottesdienst und postmoderne Gesellschaft
Liturgiewissenschaftliche Tagung an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt
Vor vierzig Jahren hat die katholische Kirche eine umfassende Reform ihres Gottesdienstes in Gang gesetzt. Am 4. Dezember 1963 verabschiedete das Zweite Vatikanische Konzil ein Dokument zu Fragen der Liturgie, die Liturgiekonstitution "Sacrosanctum Concilium". In der Folge kam es zu einer Neuformulierung der Liturgietheologie, einer Revision der liturgischen Bücher, einer Veränderung der Abläufe einzelner Gottesdienste, der Sprache im Gottesdienst, der Teilnahmemöglichkeiten für Laien etc. Dem Gottesdienst als Zentrum kirchlichen Selbstverständnisses sollte neues Profil gegeben werden. Mit dieser Reform wurde ein für Kirche und Gesellschaft weitreichendes Projekt eingeleitet, dessen Verlauf und Ergebnisse auch wissenschaftliche Diskussionen bis heute bewegen.
"Gottesdienst in Zeitgenossenschaft" ist ein Kolloquium am 12./13. Dezember an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt überschrieben. Es geht der Frage nach, welchen Entwicklungen diese erneuerte Liturgie in der postmodernen Gesellschaft unterworfen ist. "Als das Konzil die Liturgiekonstitution verabschiedete, waren die Erosion des katholischen Milieus und eine entsprechende Veränderung religiöser und konfessioneller Strukturen zumindest in westeuropäischen Gesellschaften längst zu beobachten", stellt der Liturgiewissenschaftler Prof. Dr. Benedikt Kranemann, der die Tagung organisiert hat, fest. Die Konsequenzen für die christliche Liturgie in der sich wandelnden und stärker pluralisierten Gesellschaft seien erst spät bedacht worden. "Das Kolloquium will nachfragen, wie sich die christliche Liturgie in Theologie und Gestalt im Hinblick auf eine Gesellschaft verändert, die sich gegenüber den frühen 60er Jahren des 20. Jahrhunderts markant gewandelt hat", kündigt Kranemann, der auch Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät ist, an. "Wo verliert, wo gewinnt die Liturgie im gesellschaftlichen Kontext neues Profil"?
Die Referenten des Kolloquiums aus dem In- und Ausland kommen aus verschiedenen Disziplinen und Arbeitsfeldern. Der Religionswissenschaftler Prof. Dr. Jörg Rüpke, Universität Erfurt, wird über Prognosen für die Entwicklung von Religion im 21. Jahrhundert und ihre Bedeutung für die Liturgie sprechen. Bischof Dr. Joachim Wanke, Erfurt, wird aus der Perspektive des kirchlichen Amtsträgers Erwartungen an das Verhältnis von Liturgie und säkularer Gesellschaft äußern. Die Liturgiewissenschaftler Prof. Dr. Paul Post, Universität Tilburg / Niederlande, und Prof. Dr. Frantisek Kunetka, Universität Olmütz / Tschechien, analysieren den Inkulturationsprozess der Liturgie in der niederländischen Gesellschaft bzw. gehen der Frage nach, welche Rolle die katholische Liturgie in der Kirche und Gesellschaft Tschechiens spielt. An einer abschließenden Podiumsdiskussion werden zudem Wissenschaftler aus Deutschland und der Schweiz teilnehmen.
Die Tagung ist der zweite Teil einer größeren Veranstaltung, die Prof. Dr. Benedikt Kranemann zusammen mit dem Leiter des Instituts für Liturgiewissenschaft an der Universität Fribourg, Prof. Dr. Martin Klöckener, durchführt. Ziel der Kooperation ist eine Relecture des Konzilsdokuments. Zugleich sollen seine Aussagen zu neuen Anforderungen in Kirche und Gesellschaft am Anfang des 21. Jahrhunderts in Bezug gesetzt werden. Die Tagung in Erfurt wird von der Fritz Thyssen-Stiftung gefördert.
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