Pilze, Fledermäuse und Käfer - der Leipziger Auwaldkran lüftet Geheimnisse
Anlässlich eines Symposiums stellen Wissenschaftler ihre Forschungen zum Leipziger Auwald vor, die mit dem Auwaldkran möglich wurden. Das wichtigste Ergebnis: Die Ökologie des Waldes ist intakt.
Zeit: 23. März 2004, 09:00 Uhr bis 17:00 Uhr
"Europaweit einmalig ist die umfassende und intensive Untersuchung der Baumkronen eines Auwaldes", erklärt Prof. Dr. Wilfried Morawetz, Leiter des Projektes vom Institut für Botanik der Universität Leipzig. "Wir haben erstaunlich viele Organismen gefunden, die man auf so dichtem Raum in dieser Frequenz nicht vermutet hätte." Viele Tiergruppen seien mit fast allen zu erwartenden Arten im Auwald vertreten. Der Wald erfülle seine ökologische Funktion, immerhin erstaunlich für die unmittelbare Nähe der Großstadt. Die Schlussfolgerung sei, so Morawetz: Mischwald mit naturnaher Bewirtschaftung kann einen Großteil des heimischen Artenspektrums erhalten.
Fledermäuse als Indikator eines intakten Ökosystems
Sabine Fichtner untersuchte die räumliche Nutzung des Waldes durch Fledermäuse und was sie fand, kann durchaus als spektakulär gelten: Von 19 in Sachsen heimischen Fledermausarten konnte die junge Wissenschaftlerin erstmals 15 auf einem Fleck, nämlich in dem kleinen untersuchten Stückchen Auwald nachweisen, darunter eine seltene Zwergfledermaus, die erstmals brütend angetroffen wurde. Das wird als Indikator für eine aktive Population gewertet. Das hohe Artenaufkommen erklärt sich dadurch, dass die Tiere unterschiedliche Nischen besiedeln. Ihr Vorkommen wiest darauf hin, dass auch die Insektenfauna intakt sein muss, wiederum ein Hinweis auf ein funktionierendes Ökosystem.
Pilze - von mikroskopisch klein bis stattlich
Ca. 120 Arten entdeckte Martin Unterseher, darunter zwei Arten, die in Sachsen bisher noch nicht nachgewiesen werden konnten. Außerdem fand der Pilzforscher (Mykologe) eine Art, die weltweit bisher erst vier Mal gefunden wurde. Interessant auch ein Baumpilz namens Hericinum erinaceum, der Igelstachelbart oder Affenkopfpilz. Der Pilz ist ein Wundparasit. Unterseher fand ihn im Oktober 2002 in ca. 7 m Höhe am Stamm einer alten Linde. Der Fruchtkörper war ca. 2 kg schwer und ca. 40 cm im Durchmesser. Die Sporen bilden sich an den Stacheln. Der Affenkopfpilz, der wohlschmeckend und bekömmlich sein soll, gilt in China seit langem als wertvoller Heilpilz. Da der Pilz in jüngster Zeit auch bei uns kultiviert und verwendet wird, kann er sich durch Sporenflug auch bei uns ausbreiten.
Manchmal sind die Pilze so winzig, dass sie mit bloßem Auge nur als weißlicher oder grünlicher Überzug auf abgestorbenem Holz sichtbar sind. Erst unter dem Mikroskop zeigten sie ihre Pilz-Natur. Die Pilze tragen dazu bei, dass sich abgestorbenes Holz bereits am Baum zu zersetzen beginnt, eine Vorgang, der dann am Boden vollendet wird. Auch sie sind Teil eines funktionierenden Kreislaufes.
Was Baumkronen über den Zustand des Waldes verraten
Mit einem Lasermessgerät erfasste Markus Rohrschneider direkt vom Kran die Waldoberflächenstruktur und erstellte ein Höhenmodell. Mit Hilfe des Lasers maß Rohrschneider das Volumen des Kronenraumes, das Rückschlüsse auf den Zustand des Waldes und seines Jungwuchses zulässt. Auch hier das Ergebnis: Der untersuchte Waldabschnitt an der Burgaue ist in hervorragendem Zustand.
Wie geht es weiter?
Insgesamt ist das Team um Prof. Morawetz vom Ergebnis der Untersuchungen begeistert. "Die Zielvorstellungen wurden bei weitem übertroffen", freut sich der Professor. "Auf der Grundlage der Einzelprojekte können wir jetzt ein koordiniertes Gesamtprojekt angehen." Auch die unterstützende Forstbehörde ist an einer Fortführung der Forschungsarbeiten interessiert, ließen sich doch aus den bisherigen Ergebnissen Empfehlungen für eine praktische Bewirtschaftung des Waldes ableiten.
Noch sind viele Fragen offen, von denen sich die Wissenschaftler mit Hilfe des Auwaldkranes eine Antwort erhoffen. Welche Fledermäuse jagen welche Insekten? Wie werden die Insekten reguliert? Wo kommen sie her? Wodurch unterscheidet sich die Fauna einer Linde von der einer Eiche? Noch hat der Auwald nicht alle seine Geheimnisse preisgegeben. Die Möglichkeit, in den Kronen der Bäume direkt die lebendige Vielfalt des Waldlebens zu beobachten, ist eine einmalige Chance, diese Geheimnisse zu enträtseln.
weitere Informationen Prof. Dr. Wilfried Morawetz
Telefon: 0341 97-38590
E-Mail: morawetz@uni-leipzig.de
Weitere Informationen:
http://www.uni-leipzig.de/~instbota
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