Bayerns Politikwissenschaftler: Keine lokalen Entscheidungen ohne ausgereifte Strukturüberlegungen!
Mit Blick auf die Neugestaltung des bayerischen Hochschulwesens betonen Bayerns Politologen den Beitrag ihrer Disziplin zur demokratisch-rechtsstaatlichen Selbstvergewisserung der Gesellschaft und die Abhängigkeit der Demokratie von einer ausreichenden Bildung ihrer Staatsbürger. ---
Die von dem Augsburger Politikwissenschaftler Prof. Dr. Rainer-Olaf Schultze und seinem Kollegen Prof. Dr. Edgar Grande (TU München) geleitete bayerische Landesgruppe der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW) hat auf ihrer Tagung am vergangenen Wochenende in Tutzing die nachfolgend im Wortlaut wiedergegebene Erklärung zum Umgang mit der Politikwissenschaft im Rahmen der Neugestaltung des bayerischen Hochschulwesens verabschiedet.
ERKLÄRUNG DER MITGLIEDER DER BAYERISCHEN LANDESGRUPPE DER DEUTSCHEN VEREINIGUNG FÜR POLITISCHE WISSENSCHAFT
Zur Neugestaltung des bayerischen Hochschulwesens wird die Politikwissenschaft selbstverständlich ihren Beitrag leisten. Zugleich erwartet sie, in die reformorientierten Kommunikations- und Entscheidungsprozesse einbezogen zu werden. Überlegungen zur Konzeption neuer, im Rahmen des Europäischen Hochschulraums
attraktiver Studiengänge sind bereits im Gang. Das Fach ist aufgrund seines Gegenstandes und seiner Struktur auch bisher schon überaus offen für Interdisziplinarität und Internationalität. Es hat zugleich aber auch seinen in der internationalen Diskussion unumstrittenen eigenen Kern und seine eigene Professionalität. Zur Herausbildung einer demokratischen politischen Kultur in Deutschland hat es entscheidend beigetragen. Wenn der freiheitlich-demokratische Staat von Voraussetzungen lebt, die er nicht selbst garantieren kann, ist politische Bildung unabdingbares Mittel, den in der pluralistischen Gesellschaft unverzichtbaren Grundkonsens zu sichern. Die Demokratie ist die einzige Staatsform, die normativ und funktional auf ausreichende Bildung ihrer Staatsbürger angewiesen ist.
Absolventen der Politikwissenschaft sind insbesondere in Lehr-, Bildungs-, Medien- und Beratungsberufen, nicht zuletzt auch in politiknahen Arbeitsverhältnissen tätig. Sie leisten einen erheblichen Beitrag zur demokratisch-rechtsstaatlichen Selbstvergewisserung der Gesellschaft. Auf internationale Beziehungen spezialisierte Studiengänge erziehen Experten für europäische und internationale Institutionen. Die Befähigung zur Mitgestaltung nationaler und internationaler Politik erwächst aus professioneller Verankerung in fachwissenschaftlichen Standards.
Ausweislich der gerade im Vergleich zu Nachbardisziplinen hohen Zahl von Studierenden und Absolventen besitzt das Fach an den Universitäten große Attraktivität und erbringt eine hohe Ausbildungsleistung. Im übrigen ist die bayerische Politikwissenschaft mit der überregionalen und transnationalen Forschungslandschaft gut vernetzt. Verbesserungen und Antworten auf neue Herausforderungen sind unverzichtbar. Dazu bedarf es einerseits modernisierender Maßnahmen auf der Ebene der einzelnen Universitäten, nicht zuletzt aber eines landesweiten Gesamtkonzepts, das über Profilierungen, eventuelle Schwerpunktbildungen und interuniversitäre Kooperationsstrukturen entscheiden muss. An dieser Entwicklung werden die Fachvertreter gerne mitwirken. Sie raten jedoch dringend davon ab, mit lokalen Einzelentscheidungen in das Fach einzugreifen, bevor strukturelle Überlegungen konzeptionell ausgereift sind.
Die Vorsitzenden der DVPW-Landesgruppe Bayern
Prof. Dr. Edgar Grande und Prof. Dr. Rainer-Olaf Schultze
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Prof. Dr. Rainer-Olaf Schultze
Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät
Universität Augsburg
86135 Augsburg
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rainer-olaf.schultze@phil.uni-augsburg.de