Die ersten Amerikanerinnen an der Universität Leipzig
Studium ja, Promotion nein, so könnte das Fazit der ersten Vorlesung in der neuen Vortragsreihe im Universitätsarchiv lauten, die sich den Anfängen des Ausländer-Frauenstudiums zuwandte.
Nutzer des Leipziger Universitätsarchivs kommen zu Wort - in einer kleinen Vortragsreihe, die jetzt in den Archivräumen in der Oststraße eröffnet wurde. Wie Direktor Prof. Dr. Gerald Wiemers sagte, soll damit vorrangig ein Blick von außen auf die Leipziger Universitätsgeschichte geworfen und gleichzeitig das jeweils aus den Archivbeständen gewonnene Forschungsergebnis einem interessierten Publikum unterbreitet werden. Den Auftakt vollzog die Germanistik-Professorin Sandra Singer aus New York, die über die ersten Nordamerikanerinnen an der Universität Leipzig im Zeitraum 1868 bis 1915 referierte.
Ihrem Vortrag war zu entnehmen, dass seinerzeit über 1350 Nordamerikanerinnen an deutschsprachigen Universitäten als immatrikulierte Studentinnen oder als Gasthörerinnen zu verzeichnen waren, davon 57 an der Universität Leipzig. Diese galt als konservativ, weil sie keine dieser Frauen - im Gegensatz zum Beispiel zu Zürich - zu einer Promotion zuließ, andererseits aber doch als anziehend ob ihrer weltberühmten Gelehrten. Bei ihnen studiert zu haben, zählte etwas in der Welt der Wissenschaft und eröffnete gute Berufschancen auch im Heimatland. Studentinnen mussten damals mit manchen Diskriminierungen rechnen, teilweise wurde ihnen der gleichberechtigte Zugang zu Vorlesungen und Laboratorien verweigert. Das Bild von revolutionären russischen Studentinnen vor Augen, wurde der Verdacht geäußert, Frauen wollten nur deshalb studieren, um staatsfeindliche Aktionen vorzubereiten. Einige Naturwissenschaftler und Mediziner akzeptierten zwar die Bildungsbedürfnisse junger Frauen, aber nur dann, wenn sie nicht mit dem Berufswunsch Ärztin verbunden waren. Andere ließen Studentinnen nur zu, wenn ihre männlichen Studienkollegen einverstanden waren, was in der Regel der Fall war. Ein Lob gab es immerhin aus der Ferne, die New York Times berichtete 1904 aus Leipzig, dass die männlichen deutschen Studenten unter dem Einfluss der nordamerikanischen Studentinnen höflicher geworden seien.
In einem zweiten Teil ihres Vortrags erläuterte Prof. Singer Aspekte des damaligen Frauenstudiums an Hand ausgewählter Biographien von Nordamerikanerinnen, die zwischen 1880 und 1900 in Leipzig Vorlesungen und Seminare besuchten und denen später sämtlich eine Hochschulkarriere in den USA gelang. M. Carey Thomas, die 1882 als erste Nordamerikanerin in Zürich promoviert hat, studierte in Leipzig bei dem Germanisten Zarncke, dem Ägyptologen Ebers und dem Altphilologen Curtius; Elizabeth Denio ebenfalls bei Zarncke und dem Kunsthistoriker Springer; Ellen Churchill Semple bei dem Geographen Ratzel und Julia Henrietta Gulliver bei dem Psychologen und Philosophen Wundt. Allesamt erste Adressen in der Wissenschaftslandschaft - bis heute.
Die zweite Veranstaltung in dieser neuen Reihe bestreitet Prof. Joseph S. Freedman, New York, der schon seit Jahrzehnten im Leipziger Universitätsarchiv forscht, am 19. Juli mit dem Thema "Die Herausbildung der philosophischen Fakultäten an deutschen Universitäten im 16. und 17. Jahrhundert". Weitere Informationen:
Prof. Dr. Gerald Wiemers
Telefon: 0341 9904920
E-Mail: wiemers@uni-leipzig.de