Abiturienten und die Kunst und Chemie des Bierbrauens
15 Abiturienten der Laura Schradin Schule Reutlingen ließen sich in die Kunst und Chemie des Bierbrauens einweisen. Da im schriftlichen Abitur der Abbau der Stärke beim Bierbrauen ein Thema war, wollten sie es genauer wissen und selbst Bier herstellen. Eine vorsichtige Anfrage bei Prof. Dr. Gerhard Schulz, Dekan der Fakultät Angewandte Chemie an der Hochschule Reutlingen, begeisterte ihn so, dass er die Schüler mit ihrer Lehrerin Friederike Federmann in sein Labor einlud. Erfahrungen auf diesem Gebiet hatte er bereits wenige Wochen vorher als Gastdozent an der Donghua Partneruniversität in Shanghai gemacht. Seine Vorlesungen erhielten eine kulturelle Zugabe für chinesische Studierende: die Kunst des Bierbrauens nach dem deutschen Reinheitsgebot im Chemielabor.
"Bier brauen ist die Kunst, in einem Kessel die chemischen Vorgänge so zu steuern, dass bei den bekannten Rohstoffen Hopfen, Gerstenmalz und Wasser am Ende ein mit Genuss zu trinkendes Bier heraus kommt", so Prof. Schulz zu den Schülern und drückte damit seinen Respekt vor dem handwerklichen Geschick der alten Braumeister und heutiger kleiner Brauereien aus. Ein Hefeweizen nach dem deutschen Reinheitsgebot will Prof. Schulz gemeinsam mit den Schülern im Labor herstellen, 20 Liter aus fünf kg Gerstenmalz für den Abiball. Bleibt anzumerken, dass die Hefe nicht im Reinheitsgebot von 1542 erwähnt ist, erst der berühmte Chemiker Louis Pasteur erkannte die Bedeutung der Hefe für den Brauprozess, ohne seine Arbeiten gäbe es heute weder Weizenbier noch Pilsner.
Damit alles gelingt, wurden die Schüler in Arbeitsgruppen aufgeteilt. Die Maischegruppe war für den Stärkeabbau des geschroteten Malzes im Rührkessel verantwortlich. Dabei mussten vor allem die verschiedenen Temperaturstufen exakt eingestellt werden, damit die Enzyme ihre Arbeit verrichten können. Die Hopfengruppe beschäftigte sich mit der instrumentellen Analyse von Aromastoffen im Tettnanger Hopfen. Die Wassergruppe war für die Analyse des Brauwassers verantwortlich. Die Hefegruppe schließlich musste die Hefe für die Vergärung vorbereiten und mittels Mikroskop und Partikelmesstechnik die Größenverteilung der Hefezellen bestimmen. Maischen, Läutern, Würze kochen, Filtrieren, Kühlen und schließlich der Zusatz der obergärigen Hefe zum Sud waren die Arbeitsschritte des langen Brautages.
Rastzeiten während der einzelnen Prozessstufen wurden genutzt, um den Blick der Schüler ein wenig über den Tellerrand zu lenken. Der Biermarkt ist globalisiert, steigende Nachfrage sowie ein verstärkter Anbau von Energiepflanzen lassen nicht nur die Weizenpreise steigen, sondern auch den Preis für Malz, der in zwei Jahren auf das Dreifache gestiegen ist. Hopfen beginnt auf dem Weltmarkt sogar zu Mangelware zu werden. "Diese Rohstoffsituationen voraus zu ahnen und rechtzeitig Alternativen zu entwickeln, gehören auch zu den Aufgaben eines Chemikers in einer globalisierten Welt", erklärt Prof. Schulz.
Es wurde später Abend bis die zuckerhaltige Bierwürze in den Gärbehälter gefüllt werden konnte. 15 Millionen Hefezellen pro mm³ müssen nun die Umwandlung des Malzzuckers in Alkohol und Kohlendioxid vollbringen. Wenn alles gut gegangen ist, wird nach Gärung und guter Reifung zur Abitursfeier ein selbstgebrautes Weizenbier ausgeschenkt. Wenn es schlecht läuft und die Milchsäurebakterien die Oberhand gewinnen, dann ist das Bier sauer und "Hopfen und Malz verloren". Das ist das Risiko chemischen Experimentierens und dann bleibt nichts anderes übrig, als zu lernen und das Experiment zu wiederholen. Aber ein erster Blick in den Gärbottich lässt hoffen.
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