Systemische Gesellschaft vergibt Förderpreis für Arbeit zu nonverbaler Synchronisation und Beziehungsqualität
Dr. Fabian Ramseyer (Jg. 1975), Universität Bern, ist diesjähriger Preisträger des wissenschaftlichen Förderpreises der Systemischen Gesellschaft e.V. (SG). Er erhält den Preis für seine Dissertation "Synchronisation nonverbaler Interaktion in der Psychotherapie".
Fabian Ramseyer, Diplom-Psychologe mit Weiterbildung in Psychotherapie mit kognitiv-behavioralem und interpersonalem Schwerpunkt, schrieb seine Arbeit vor dem Hintergrund, dass nonverbales Verhalten ein wichtiges Kennzeichen von Therapiebeziehungen ist. Nonverbale Synchronisation zwischen Patient und Therapeut wurde in diesem Zusammenhang wiederholt als Prädiktor für eine gute Beziehung interpretiert.
Die vorliegende Studie befasst sich mit dem Phänomen der nonverbalen Synchronisation in psychotherapeutischen Sitzungen. Unter nonverbaler Synchronisation wird die Koordination der Körperbewegung von Patient und Therapeut verstanden. Mit einem video-basierten Algorithmus (motion energy analysis, MEA) konnte eine automatische, objektive Quantifizierung der Bewegungen von Patient und Therapeut erstellt werden.
In einer randomisierten Stichprobe von 105 Therapiesitzungen einer psychotherapeutischen Ambulanz wurden jeweils die ersten 15 Minuten der therapeutischen Interaktion analysiert. Die Aufnahmen der Sitzungen stammen aus einer großen Datenbasis (über 500 Therapien) routinemäßig aufgezeichneter Therapiesitzungen. Die Untersuchung erfolgte an gleichgeschlechtlichen Dyaden, die keine Kenntnis der Fragestellung hatten, d.h. eine bewusste Steuerung des Bewegungsverhaltens war nicht zu erwarten. Zwei Kameras, die zu einem split-screen Bild zusammengefügt wurden, erstellten eine Ganzkörperaufnahme von Patient und Therapeut. Die nonverbale Synchronisation wurde als die gleichzeitige- und zeitverschobene (± 5 Sekunden) Korrelation der Bewegungen beider Interaktionspartner berechnet. Ein Vergleich mit zufällig zu erwartender Synchronisation konnte zeigen, dass das Phänomen in einer Ausprägung existiert, die signifikant über zufällige Koordination hinausgeht. In einem zweiten Schritt wurde nonverbale Synchronisation mit Stundenbögen (Selbsteinschätzungen von Patient und Therapeut nach Sitzungsende) und mit dem Therapieergebnis (Prä- Post-Messungen des Behandlungserfolgs) in Beziehung gesetzt.
Als wichtige Ergebnisse bleiben festzuhalten, dass ein hohes Maß nonverbaler Synchronisation positiv mit Stundenbogen-Faktoren der Beziehungsqualität und der Selbstwirksamkeit korrelierte. Patienten, die nach einer Therapiesitzung von einer guten Beziehung zum Therapeuten berichteten, hatten sich in dieser Sitzung auch stärker synchron bewegt. Das Ausmaß nonverbaler Synchronisation war ebenfalls mit dem Ergebnis der gesamten Psychotherapie assoziiert: Hohe Synchronisation korrelierte mit gutem Therapieerfolg, weniger Psychopathologie, weniger interpersonalen Problemen und einem sicheren Bindungsstil.
Die Richtung der Beeinflussung (Wer imitiert wen?) war nicht im Ausmaß der Synchronisation unterschiedlich (Patienten und Therapeuten imitierten sich gegenseitig), jedoch konnte ein charakteristisches Muster der oben berichteten Zusammenhänge gefunden werden: In der Anfangsphase der Therapie war imitatives Verhalten des Therapeuten (Patient als Zeitgeber) mit Erfolgsmassen assoziiert, währenddem in der Schlussphase der Therapie imitatives Verhalten des Patienten (Therapeut als Zeitgeber) stärker mit Erfolg zusammenhing.
Aus systemischer Perspektive ist die Arbeit für die Systemische Therapieforschung relevant, da Grundlagen "guter therapeutischer Beziehungen" vor dem Hintergrund hoher Komplexität des zwischenmenschlichen Geschehens, erforscht werden. Aus den Ergebnissen können sowohl Anregungen für den Therapiealltag gezogen werden, als auch Anreize für weitere Forschungsarbeiten entstehen.
Der wissenschaftiche Förderpreis an Dr. Fabian Ramseyer wurde auf der Mitgliederversammlung der Systemischen Gesellschaft am 7. Mai 2009 in Bochum vergeben. Er ist mit 3.000,- Euro dotiert und richtet sich an jüngere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mit Diplomarbeiten, Dissertationen, Habilitationen oder anderen (auch universitären) Projekten qualifizieren.
An der Ausschreibung beteiligten sich 16 Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, deren Arbeiten von einem Gutachterboard ausgewertet wurden, das aus vier externen Gutachtern und zwei Mitgliedern der SG besteht.
Die nächste Ausschreibung für die Preisvergabe 2011 wird in Kürze auf den Webseiten der SG veröffentlicht.
Weitere Informationen:
http://www.systemische-gesellschaft.de/presse.php?y=2&mod=single&pfi_id=85 - Informationen über die Systemische Gesellschaft
http://www.upd.unibe.ch/research/staff/ramseyer.html - Webseite von Dr. Fabian Ramseyer, Universität Bern
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