RUB trauert um Rudolf Vierhaus
Die Ruhr-Universität trauert um Prof. em. Dr. Rudolf Vierhaus, der am 13. November 2011 89-jährig in Berlin gestorben ist. Der Historiker ist eine der herausragenden Gründergestalten der Ruhr-Universität und langjähriger Direktor des Max-Planck-Institutes für Geschichte in Göttingen. Vierhaus, der als erster Historiker an die neugegründete Ruhr-Universität berufen wurde, hatte von 1964 bis 1971 den Lehrstuhl für Neuere Geschichte inne. Wie kein anderer hat Vierhaus die Abteilung für Geschichtswissenschaft im ersten Jahrzehnt geprägt. Er war dann als Direktor des Göttinger Institutes einer der führenden deutschen Historiker, insbesondere im Bereich der Frühneuzeitforschung.
Studium erst nach dem Krieg
Der 1922 in Wanne-Eickel als Sohn eines Zechenhandwerkers geborene Vierhaus, der als erster in seiner Familie Abitur machte, durchlitt wie viele seiner Generation den Krieg: Sogleich zum Militär eingezogen, wurde er schwer verwundet, geriet in Kriegsgefangenschaft und konnte – unter den Kriegsfolgen leidend – erst 1949 als 27-Jähriger sein Studium u.a. der Geschichte, Germanistik und Philosophie in Münster aufnehmen. Zu seinen akademischen Lehrern gehörten Kurt von Raumer und Herbert Grundmann, auch der Philosoph Joachim Ritter. Doch wurde Vierhaus auch schon von Werner Conze und seinem Arbeitskreis für Sozialgeschichte beeinflusst. 1955 promovierte er mit einer Arbeit über Ranke, dessen Verhältnis zur sozialen Welt er zu bestimmen versuchte. 1961 habilitierte er sich über „Deutschland im Zeitalter der Aufklärung“, womit er sein wichtigstes Forschungsthema fand, auf das er sich freilich keineswegs beschränkte.
Studienreform und Universitätssiegel
1964 nahm er – obgleich er gleichzeitig einen Ruf an die Universität Frankfurt erhalten hatte – den Ruf an die Ruhr-Universität an, nicht zuletzt weil er in Fragen der Hochschulreform engagiert war. Vierhaus hatte großen Anteil am Aufbau der Abteilung (erst später übernahm man auch in Bochum den Begriff Fakultät) und des Historischen Institutes. Daneben entfaltete er in der RUB und ihren Gremien eine vielfältige Tätigkeit. Die von ihm formulierten Empfehlungen zur Studienreform setzten sich durch, die „eine Straffung und überlegtere Durchführung des Studienganges ohne durchgängigen Dirigismus, aber mit besserer Grundausbildung und erweiterten Möglichkeiten für wirklich begabte Studenten“ anzielten. Das Integrierte Proseminar der Fakultät für Geschichtswissenschaft war eines der Resultate dieses Konzeptes. Auch die Idee, das Brüderpaar Prometheus und Epimetheus als Symbol des Miteinanders von Geistes-, Natur- und Ingenieurwissenschaften zu betrachten und zum Emblem der neuen Universität zu machen, wird Vierhaus zugeschrieben. Neue Wege ging Vierhaus in der interdisziplinären Zusammenarbeit und in lehrstuhlübergreifenden Kolloquien mit Hans Mommsen u.a. Nicht zuletzt war er ein ausgesprochen anregender und erfolgreicher akademischer Lehrer, dem professorale Allüren gänzlich abgingen, obgleich seine profunde Bildung, sein eindringliches Fragen und seine Offenheit gegenüber Neuansätzen jeden Studierenden und nicht wenige Kollegen beeindruckten.
Blick für die großen Fragen
Vierhaus hat sich an Diskursen über zahlreiche Fragen und Zeiten beteiligt. So publizierte er schon 1964 – bevor der Begriff wiederentdeckt wurde – in der Historischen Zeitschrift einen Aufsatz über „faschistisches Führertum“. In seiner Bochumer Zeit befasste er sich auch mit der Weimarer Republik und der Diskussion über den „deutschen Sonderweg“. Ein besonderes Interesse widmete er über Jahrzehnte historiographischen Fragen, etwa der Rolle der Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Auch an der Grundlagendiskussion der Geschichtswissenschaft, die in den ausgehenden 60er- und in den 70er-Jahren u.a. um ihr Verhältnis zu den Sozialwissenschaften und der Anthropologie kreiste, war Vierhaus engagiert beteiligt. Dabei war Vierhaus nie ein Mann, der Moden nachlief oder irgendeinen methodischen Ansatz festschrieb. Er betrieb – so ist zu Recht hervorgehoben worden – Sozialgeschichte, als sie noch keine Konjunktur hatte. Und in der Zeit, als Sozial- und Gesellschaftsgeschichte dominant waren, ging Vierhaus kultur-, mentalitäts- und politikgeschichtlichen Fragen nach und verlor nie die Subjektivität menschlichen Handelns aus den Augen. Der vielleicht wichtigste Charakterzug des Historikers Rudolf Vierhaus war, dass er sich in einer Zeit der Spezialisierungen und fachlicher Verengungen den Blick für die großen Fragen und historischen Zusammenhänge bewahrte, die für Geschichte als Wissenschaft und als Bildungsmacht konstitutiv sind.
Weitere Informationen
Prof. em. Dr. Bernd Faulenbach, Fakultät für Geschichtswissenschaft der Ruhr-Universität, 0234-323125
faulenbach.bochum@t-online.de
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