Plagiat als Programm: RUB-Philologe untersucht vergessene Literaturform
Seit der Affäre Guttenberg ist das Thema Plagiat in aller Munde. Dass das Plagiat in der Antike ein weit verbreitetes Phänomen war, beschreibt RUB-Philologe Prof. Dr. Reinhold Glei in der Zeitschrift Neulateinisches Jahrbuch. „Im Gegensatz zu heute bekannten sich Plagiatoren ganz offen zu ihren Plagiaten. Sie erhoben das Plagiieren geradezu zu ihrem Programm“, sagt der Forscher vom Seminar für Klassische Philologie. Er untersuchte so genannte Centos, Gedichte, die vollständig aus Versatzstücken anderer Autoren zusammengesetzt sind. Die Kunst der Centonarier bestand darin, das Material so zu arrangieren, dass ein völlig neuer, manchmal sogar gegensätzlicher Sinn entstand.
Plagiat als Programm
Vergessene Literaturform neu untersucht
RUB-Philologe veröffentlicht Analyse plagiierter Gedichte
Seit der Affäre Guttenberg ist das Thema Plagiat in aller Munde. Dass das Plagiat in der Antike ein weit verbreitetes Phänomen war, beschreibt RUB-Philologe Prof. Dr. Reinhold Glei in der Zeitschrift Neulateinisches Jahrbuch. „Im Gegensatz zu heute bekannten sich Plagiatoren ganz offen zu ihren Plagiaten. Sie erhoben das Plagiieren geradezu zu ihrem Programm“, sagt der Forscher vom Seminar für Klassische Philologie. Er untersuchte so genannte Centos, Gedichte, die vollständig aus Versatzstücken anderer Autoren zusammengesetzt sind. Die Kunst der Centonarier bestand darin, das Material so zu arrangieren, dass ein völlig neuer, manchmal sogar gegensätzlicher Sinn entstand.
Vergil als Plagiatsopfer
Opfer eines solchen antiken Plagiats wurde zum Beispiel der römische Dichter Vergil, wie Glei in seiner Publikation beschreibt. Der Rhetorikprofessor und Prinzenerzieher Ausonius von Bordeaux verfasste etwa 368 nach Christus für eine Hochzeit am Kaiserhof in Trier einen Cento, der vollständig aus Vergils Versen zusammengesetzt war. „Vergil galt als besonders dezent und ‚keusch’“, erklärt Glei. „Deshalb machte Ausonius sich einen Spaß daraus, möglichst zweideutige Stellen aneinanderzureihen, indem er bei Vergil harmlose Wörter wie Lanze, Gebüsch oder Höhle im sexuellen Sinn gebrauchte“. Glei legt auch dar, wie die vornehme Christin Faltonia Betitia Proba wenig später einen ganz anderen Cento über die Vergilverse erschuf. Sie deutete den Inhalt im christlichen Sinn, so dass aus einer herabfliegenden Taube der Heilige Geist wurde und aus einem Weinpokal der Abendmahlskelch.
Plagiat als literarisches Spiel
Der Bochumer Philologe beschäftigt sich auch mit der Cento-Dichtung in der Frühen Neuzeit, in der humanistische Autoren immer neue Plagiate erstellten. „Es war geradezu ein gelehrtes Gesellschaftsspiel, die Kollegen herauszufordern, die Plagiate zu entdecken und die Übernahmen im Einzelnen aufzuspüren“, so Glei. „Keine leichte Aufgabe in einem Zeitalter ohne Suchmaschinen: Statt zu googlen mussten die Plagiatsfinder eine gewaltige Menge von Texten auswendig können.“ Glei erläutert viele Spielarten des Cento, auch die Satire am Beispiel des Autors mit Pseudonym „Menapius“. Dieser veröffentlichte 1618 eine böse Persiflage auf die Rosenkreuzer-Bewegung. „In seinem Cento schrieb er Vergil, Ovid und humanistische Autoren hemmungslos ab, ohne seine Quellen zu kennzeichnen“, sagt Glei. „Aber indem er sein Werk im Titel als Cento bezeichnete, teilte er ehrlicherweise mit: Hier kommt ein Plagiat! Und einen Doktortitel hat er dafür auch nicht beansprucht.“
Titelaufnahme
Reinhold F. Glei (2011): Aetnaei fratres. Die Centonen des Menapius (alias Friedrich Grick) gegen die Rosenkreuzer, Neulateinisches Jahrbuch 13, S. 95-121
Weitere Informationen
Prof. Dr. Reinhold F. Glei, Seminar für Klassische Philologie der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel.: 0234/32-22761
reinhold.glei@rub.de
Angeklickt
Seminar für Klassische Philologie
http://www.ruhr-uni-bochum.de/klass-phil/
Redaktion
Dr. Julia Weiler
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