HAWK vergibt als erste deutsche Hochschule das Waldpädagogik-Zertifikat
Wenn echter Wald das Naturkundebuch ersetzt und der Waldweg die Schulbank, dann sind in der Regel Waldpädagoginnen und Waldpädagogen nicht weit. Lernen mit allen Sinnen ist gemeinhin leichter als Auswendiglernen. Doch wie eine gute Wissensvermittlung vor Ort funktioniert, muss auch gelernt sein. Nicht jeder darf sich mit dem pädagogischen Titel schmücken. Erstmalig können Studierende des Studiengangs Forstwirtschaft der Göttinger Fakultät Ressourcenmanagement der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst ein Waldpädagogik-Zertifikat im Rahmen ihres Studiums erlangen.
„Die HAWK wurde im Jahr 2011 von den Niedersächsischen Landesforsten vertraglich mit der Ausübung der Zertifikatsfortbildung beauftragt und darf als erste deutsche Hochschule überhaupt dafür ausbilden“, erklärt Dr. Bettina König von den Niedersächsischen Landesforsten, die Waldpädagogik an der HAWK lehrt. Für die Studierenden ergibt sich daraus der Vorteil, dass sie ihr Studium zusätzlich mit einer bundesweit gültigen Qualifikation abschließen können. Die Prüfung des ersten Jahrgangs hat jetzt unter den wachsamen Augen der Experten der Niedersächsischen Landesforsten stattgefunden.
In der Klasse 4b der Wilhelm Henneberg Schule herrscht Aufregung, denn es geht heute in den Wald. Treffpunkt ist beim Walderlebnispfad Springberg in Weende/Göttingen. Einige vermuten einen Spaziergang, andere Unterricht wie in der Schule. Klassenlehrerein Saskia Winkel hingegen kann sich als Pädagogin gut vorstellen, was die Forstwirtschaft-Studierenden Lara Laubner, Tim Jonas Eickmann und Steffen Wilhelmi heute mit der Klasse unternehmen möchten. Bei einem Streifzug in vier verschiedene Wälder der Erde soll es um den Aufbau verschiedener Waldtypen und um deren Bedeutung für den Brandschutz gehen. Dabei soll das aktive und unmittelbare Erleben im Mittelpunkt der Aktion stehen.
Dann geht es auch schon los. Zuerst werden für alle Namensschilder in Form von Eichenblättern verteilt, damit sich auch alle richtig ansprechen können. Als nächstes erklärt Laubner den Kindern die Grundregeln eines jeden Waldbesuchs: „Wenn ihr Müll habt, dann steckt ihn bitte in eure Tasche oder bringt ihn zu uns. Außerdem bleibt bitte immer in Ruf- und Hörweite. Und ganz wichtig: Esst nichts aus dem Wald, was ihr nicht kennt.“ Klaus-Dieter Hosang und Burkhard Verch, sie sind beide Prüfer für Waldpädagogik-Zertifikate der Niedersächsischen Landesforsten, hören genau zu und schreiben stillschweigend ihre Notizen auf die Prüfungsbögen.
Als erste Aufgabe soll die Klasse Bilder finden, die die Studierenden vorher im Wald versteckt hatten. Schnell sind sie entdeckt. Darauf zu sehen sind verschiedene, im Wald im wahrsten Sinne des Wortes brenzlige Situationen. Zwei Männer zünden einen Grill an, ein anderer läuft mit einer brennenden Fackel durch den Wald, auf dem nächsten Bild liegen Zigarettenstummel inmitten des satten Grüns. Laubner lässt die Schülerinnen und Schüler nun herausfinden, was auf diesen Bildern nicht stimmt. Schnell haben es alle erkannt: Offenes Feuer und Wälder sind keine guten Freunde und sollten immer streng voneinander getrennt werden. Außerdem lernen die Kinder, warum vor vielen Wäldern Schranken sind – heiße Motoren von Autos können über einem trockenen Waldboden verheerende Brände entfachen.
Nun übernimmt der Kommilitone Wilhelmi – die 90-minütige Prüfung teilen sich die drei Studierenden. Jetzt teilt er die Klasse in vier Gruppen auf, jede bekommt ein Foto mit einer bestimmten Waldart. Auf dem einen Bild ist ein klassischer deutscher Buchenwald zu sehen. Auf dem nächsten der südamerikanische Regenwald, dann die trockene Savanne am Rand der Sahara und auf dem vierten die antarktische Tundra mit ihren niedrigen Bäumen. „All diese Wälder holen wir jetzt hierher“, verspricht Wilhelmi und holt vier haushaltsübliche Backbleche hervor. Darauf sollen die Kinder nun den ihnen zugeteilten Wald darstellen. Die einen sammeln nun fleißig frische, grüne Zweige, andere finden trockenes Stroh, wieder andere bedienen sich am Moos von den Steinen. Bis alle vier Gruppen ein volles Blech haben. Und tatsächlich – die Fotos passen gut mit den Bildern auf den Backblechen zusammen. Doch jetzt wird es gefährlich. Wilhelmi holt einen großen roten Feuerlöscher herbei und einen Wassersprüher. „Was meint ihr – können die alle vier brennen?“, fragt Wilhelmi. „Der nasse Regenwald vielleicht nicht so gut“, mutmaßen einige Kinder. Doch weit gefehlt. Alle Backblech-Wälder brennen – die trockene Savanne natürlich am schnellsten. Bevor aber etwas passieren kann, löschen die Kinder mit dem Wassersprüher schnell den potentiellen Brandherd.
„Das ist Bildung für eine nachhaltige Entwicklung, wenn die Waldpädagogik die Begeisterung für den Lebensraum Wald weiter gibt“, findet Rainer Boldhaus vom Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung. Offensichtlich sehen das viele andere auch so: Seit der Einführung des Waldpädagogik-Zertifikats in Niedersachsen im Jahr 2010 haben bereits 130 Menschen die Prüfung bei den Landesforsten bestanden, so Boldhaus. Zumeist seien es Menschen aus forstfremden Berufe wie beispielsweise aus der Psychologie, der Erziehung oder der Schauspielerei.
Nach dieser Einheit gibt Wilhelmi ab an den Forstwirtschaft-Studenten Tim Jonas Eickmann. Der sorgt für eine ordentliche Portion Spiel und Spaß. Das ist ganz einfach. „Alle suchen sich jetzt einen Stock, der ungefähr bis zum Bauchnabel geht“, ruft Eickmann. Nun erklärt er das Spiel. Alle stellen sich im Kreis auf und halten mit einer Hand den Stock senkrecht stehend zum Boden. „Wenn ich das Signal gebe, lasst ihr los und versucht, den Stock eures Nachbarn zu greifen. Wer keinen zu greifen bekommt, scheidet aus“, fährt Eickmann fort.
„Das ist ein echter Klassiker der Waldpädagogik. Das Spiel ist einfach verständlich und funktioniert eigentlich immer“, freut sich Prüfer Klaus-Dieter Hosang. „Ich für meinen Teil konnte bei dieser Prüfung selber neue Inspiration sammeln. Denn die Idee mit den vier verschiedenen Wäldern, die kannte ich absolut noch nicht“, meint Prüfer Burkhard Verch. Das klingt ja gut – und tatsächlich haben alle drei, genau wie ihre zwölf anderen Kommilitonen, die Prüfung erfolgreich bestanden. Und da alle im sechsten Semester und damit nahezu am Ende ihres Studiums sind, kriegen sie auch ganz schnell ihr Waldpädagogik-Zertifikat verliehen – nämlich mit der Übergabe der Bachelor-Urkunde. So hat der Wald sogar noch mehr zu bieten, als es auf den ersten Blick den Eindruck macht.
Info-Kasten
Die Ausbildung für ein Waldpädagogik-Zertifikat ist in den HAWK-Forstwirtschaft-Studiengang integriert. Das Hoheitsrecht für die Prüfung hat das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung. Die Niedersächsischen Landesforsten bieten im Auftrag des Ministeriums selber Fortbildungen für das Waldpädagogik-Zertifikat an und nehmen Prüfungen ab. Neu ist, dass nun auch die HAWK auf diesem Gebiet ausbilden darf. Forstwirtschaft-Studierende der HAWK Fakultät Ressourcenmanagement Göttingen können nun im Rahmen ihres Studiums das bundesweit anerkannte Waldpädagogik-Zertifikat erwerben. Es steht den Studierenden frei, ob sie diese Qualifikation zusätzlich zum Studium der Forstwirtschaft absolvieren möchten.
Weitere Informationen:
Ute Neumann
Fakultät Ressourcenmanagement
0551/5032-131
ute.neumann@hawk-hhg.de
Weitere Informationen:
http://www.hawk-hhg.de
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