Wissenschaftliches Fehlverhalten: Entscheidungen in drei DFG-Verfahren
Wissenschaftliches Fehlverhalten: Entscheidungen in drei DFG-Verfahren
Maßnahmen gegen zwei Wissenschaftlerinnen / Datenmanipulationen und Verletzung von Aufsichtspflicht
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) zieht erneut Konsequenzen aus Fällen von wissenschaftlichem Fehlverhalten. Der Hauptausschuss von Deutschlands zentraler Forschungsförderorganisation beschloss jetzt in Bonn gegenüber zwei Wissenschaftlerinnen Maßnahmen gemäß der DFG-Verfahrensordnung zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten. In beiden Fällen folgte er dabei den vorangegangenen Untersuchungen und Empfehlungen des DFG-Ausschusses zur Untersuchung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens. In einem weiteren Fall wurde ein wissenschaftliches Fehlverhalten als nicht erwiesen angesehen. In allen drei Fällen ging es um den Vorwurf von Datenmanipulationen.
Die Fälle und Entscheidungen im Einzelnen:
Verfahren gegen Professorin Silvia Bulfone-Paus, FZ Borstel
Das erste der jetzt abgeschlossenen DFG-Verfahren richtete sich gegen die Leiterin der Abteilung Immunologie und Zellbiologie am Forschungszentrum (FZ) Borstel, Professorin Silvia Bulfone-Paus. Diese hatte der DFG im Mai 2010 angezeigt, dass gegen mehrere ihrer veröffentlichten Publikationen mit DFG-Bezug Vorwürfe der Datenmanipulation erhoben werden. Die DFG leitete daraufhin ein Verfahren zur Überprüfung der Vorwürfe ein. Weitere Untersuchungen dieser und weiterer Vorwürfe gegen Bulfone-Paus fanden am FZ Borstel, der Universität Lübeck und an der Berliner Charité statt und sind teilweise noch nicht abgeschlossen.
Die gegen Bulfone-Paus erhobenen Vorwürfe wurden zunächst durch den Abschlussbericht der externen Untersuchungskommission am FZ Borstel wesentlich erhärtet. Diese stellte im November 2010 fest, dass unter anderem vier Publikationen, die auf einer DFG-Förderung beruhen, zahlreiche Datenmanipulationen aufwiesen. Für diese seien die in ihrer Laborgruppe tätigen Erstautoren wesentlich verantwortlich; bei Bulfone-Paus müsse jedoch von einer mangelnden Wahrnehmung der Aufsichtspflicht ausgegangen werden.
Aufgrund dieses Berichts und der umfänglichen Förderung von Bulfone-Paus zu diesem Zeitpunkt durch die DFG, sprach der DFG-Ausschuss zur Untersuchung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens bereits im Februar 2011 gegenüber der Wissenschaftlerin die Empfehlung aus, bis zum Abschluss der Untersuchungen durch die DFG kein neues wissenschaftliches Personal in den DFG-geförderten Projekten einzustellen sowie ihre Projektleitung ruhen zu lassen. Zuvor hatte Bulfone-Paus von sich aus der DFG vorgeschlagen, sie für einen von der DFG zu bestimmenden Zeitraum als Gutachterin sowie einer Tätigkeit in DFG-Gremien auszuschließen.
Der DFG-Ausschuss kam zu der Bewertung, dass bei Bulfone-Paus eine „grobe Vernachlässigung der Aufsichtspflicht“ als Leiterin der Arbeitsgruppe und damit ein wissenschaftliches Fehlverhalten gemäß der Verfahrensordnung der DFG vorlag. Aufgrund dieses Ergebnisses beschloss nun der Hauptausschuss der DFG gegen Bulfone-Paus den Ausspruch einer schriftlichen Rüge, den Ausschluss von der Antragsberechtigung für drei Jahre sowie die Nichtinanspruchnahme als Gutachterin und den Ausschluss aus den Gremien der DFG für drei Jahre. Da jedoch Bulfone-Paus seit Beginn der Untersuchung durch die DFG bereits von sich aus ein Ruhenlassen ihrer Ämter sowie eine Nichtinanspruchnahme als Gutachterin und in den Gremien vorgeschlagen hatte, beschloss der Hauptausschuss, diesen Zeitraum auf die getroffenen Maßnahmen anzurechnen. Es solle nur der Ausspruch einer schriftlichen Rüge nachwirken.
„Diese Maßnahmen sind geeignet und angemessen, die kontinuierliche Vernachlässigung der Aufsichtspflicht seitens Frau Bulfone-Paus gegenüber dem wissenschaftlichen Nachwuchs nachhaltig und deutlich zu rügen. Frau Bulfone-Paus als erfahrene Wissenschaftlerin ist damit auch einer essenziellen Vorbildfunktion gegenüber ihren Mitarbeitern nicht gerecht geworden“, stellte DFG-Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek dazu fest.
Verfahren gegen Dr. Elena Bulanova, FZ Borstel
Das zweite DFG-Verfahren richtete sich gegen Dr. Elena Bulanova, die als Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe von Professorin Bulfone-Paus am FZ Borstel tätig war, aus der die Publikationen hervorgingen, gegen die sich der Vorwurf der Datenmanipulationen richtete.
Bereits die zur Prüfung dieser Vorwürfe eingesetzte externe Kommission am FZ Borstel hatte Dr. Bulanova als eine der wesentlich Verantwortlichen für die festgestellten Datenmanipulationen benannt. Dies galt insbesondere auch für eine Publikation, die auf einer Förderung durch die DFG beruht. Auch der DFG-Ausschuss zur Untersuchung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens kam zu der Bewertung, dass Dr. Bulanova Daten und Forschungsergebnisse durch Manipulation einer Darstellung und Abbildung verfälscht hat. Sie war in der betreffenden Publikation Erstautorin und Corresponding Author; eine andere Person, die die Datenmanipulationen vorgenommen haben sollte, kam nach Auswertung und Würdigung aller Aussagen nicht in Betracht.
Auf dieser Grundlage beschloss der Hauptausschuss der DFG nun auf Vorschlag des DFG-Ausschusses gegen Dr. Bulanova den Ausspruch einer „schriftlichen Rüge“ und den Ausschluss von der Antragsberechtigung für fünf Jahre. Damit soll in besonderer Weise der korrekte und sorgfältige Umgang mit Daten und Forschungsergebnissen angemahnt werden. „Die Verfälschung von Forschungsergebnissen in Publikationen ist nicht entschuldbar und entbehrt jeder Rechtfertigung“, unterstrich DFG-Generalsekretärin Dzwonnek. „Daher ist auch eine deutliche Antragssperre angemessen.“
Verfahren gegen PD Dr. Volker Korz, Universität Magdeburg
Das dritte DFG-Verfahren richtete sich gegen PD Dr. Volker Korz, gegen den Ende 2008 im Zuge seines Wechsels vom Leibniz-Institut für Neurobiologie (IfN), Abteilung Neurophysiologie, in Magdeburg an das Center for Behavioral Neuroscience der Universität Magdeburg Vorwürfe der Datenmanipulationen und der Nichtreproduzierbarkeit von Daten aufgekommen waren.
Nachdem zunächst ein Ombudsverfahren an der Universität Magdeburg mit einer Schlichtung geendet hatte, wandte sich die Leiterin von Korz‘ früherer Arbeitsgruppe am IfN, Professorin Julietta Uta Frey, wegen der aus ihrer Sicht nicht entkräfteten Vorwürfe Ende Dezember 2010 an den von der DFG eingesetzten „Ombudsman für die Wissenschaft“, der allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Deutschland in Fragen guter wissenschaftlicher Praxis offen steht. Der Ombudsman wiederum gab das Verfahren im Dezember 2011 an die DFG ab.
Der DFG-Ausschuss zur Untersuchung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens konzentrierte sein Verfahren auf den Vorwurf von Datenmanipulationen in einem Laborbuch sowie auf die Nichtreproduzierbarkeit von Daten im Zusammenhang mit einem unveröffentlichten Manuskript. Dabei kam der Ausschuss auf der Grundlage einer gutachterlichen Stellungnahme und einer persönlichen Anhörung von PD Dr. Korz zu der Bewertung, dass ein wissenschaftliches Fehlverhalten nicht nachweisbar ist.
Den Vorwurf einer bewussten oder auch grob fahrlässigen Datenmanipulation sah der Ausschuss ebenso für nicht erwiesen an wie den der Nichtreproduzierbarkeit von Daten. Gleichwohl entsprächen die Untersuchungen und Arbeitsweisen nicht immer den Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis; die Grenze zum wissenschaftlichen Fehlverhalten sei aber noch nicht überschritten. In anderen strittigen Punkten handelt es sich nach Ansicht des Ausschusses um methodische Auseinandersetzungen zweier Schulen, über deren „Tragfähigkeit“ hinsichtlich der wissenschaftlichen Vorgehensweise letztlich der wissenschaftliche Diskurs entscheiden müsse.
Weiterführende Informationen
Medienkontakt:
Marco Finetti, Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der DFG, Tel. +49 228 885-2230, Marco.Finetti@dfg.de
Fachliche Ansprechpartnerin in der DFG-Geschäftsstelle:
Dr. Kirsten Hüttemann, Justitiariat, Tel. +49 228 885-2827, Kirsten.Huettemann@dfg.de
Ausführliche Informationen zu den DFG-Aktivitäten zur „Guten wissenschaftlichen Praxis“ finden sich unter: www.dfg.de/gwp
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