Improvisationstheater im Knast
Praxisprojekt mit Inhaftierten von Sozialwissenschaftlern der Hochschule Osnabrück vorgestellt
Paul schaut in die Kamera. Er preist ein Haarwuchsmittel an, was bei seinem kahlen Schädel grotesk und lustig wirkt. In der nächsten Szene verschönert ein Designer eine Gefängniszelle und berät den Insassen bei der Wahl der wenigen zur Verfügung stehenden Utensilien. In einer Talkshow sieht ein Gesprächspartner nicht ein, warum er inhaftiert ist und will die Talkmasterin von seiner schlimmen Kindheit als Hauptgrund überzeugen.
Die Gäste bei der Präsentation des Praxisprojektes „Drogenwelten“ fühlten sich an einigen Stellen ins Theater oder Kabarett versetzt. Unterschiedlichste und oft lustige Themen wurden bei der Vorstellung der filmischen Beiträge gezeigt. Talkshow, Kochstudio, Werbung und sogar Tanzbeiträge waren Thema. Die Darsteller: allesamt Studierende der Sozialen Arbeit an der Hochschule Osnabrück sowie Inhaftierte der Justizvollzugsanstalt Osnabrück (JVA) im geschlossenen und offenen Vollzug.
„Die Präsentationsveranstaltung ist ein „Dankeschön“ an die Praxisanleiter und Praxisanleiterinnen aus Caritas, Diakonie, Ameos-Klinikum und anderen Einrichtungen der Suchthilfe und –therapie“, erklärt der Leiter des Projekts, Professor Dr. Joachim Thönnessen. Der Experte für Wirtschafts- und Sozialforschung mit dem Schwerpunkt Suchtforschung von der Hochschule Osnabrück erläutert zu Beginn der Veranstaltung den wissenschaftlichen Hintergrund des Projekts: „Die Studierenden im Projekt stellen die wichtigsten Ergebnisse ihrer Projektarbeit dar. Etwa die Hälfte der 20 Studentinnen bearbeitet den jeweiligen Forschungsschwerpunkt, in diesem Fall Improvisationstheater mit Gefangenen. Die übrigen Studierenden bearbeiten individuelle Projekte, die auf den jeweiligen Erfahrungen in den Praxiseinrichtungen aufbauen“ erläutert Thönnessen.
In Kooperation mit der JVA konnte die erstgenannte Gruppe der angehenden Sozialarbeiter hinter die Kulissen einer Haftanstalt schauen. Gut 150 Stunden Praxisarbeit hat jede Studentin in das Projekt investiert. Das Ziel dieser Arbeit fast Thönnessen kurz zusammen: „Wir wollen den Projektteilnehmern auf spielerische Weise Ressourcen vermitteln, die sie in ihrem alltäglichen Leben in und nach der Haft verwenden können.“ Und das scheinen die Studierenden erreicht zu haben, wie die Reaktionen der Probanden zeigen. Von Wertschätzung ist da die Rede, von dem angenehmen Gefühl, nicht ständig mit der Tat konfrontiert zu sein, und von Hilfe im Alltag einer Haftanstalt.
„Über die Tat, die zur Inhaftierung führte, wurde während des gesamten Projektes nie gesprochen“ weiß Studentin Rebekka Kaiser. Ihre Kommilitonin Sarah Fengler fügt hinzu: „Wir möchten mit dem Projekt auch erreichen, dass sich Menschen von außerhalb für die Menschen hinter Gittern und ihre Belange interessieren.“
Im Projekt wurde besonderer Wert darauf gelegt, alle Absprachen einzuhalten, Ausdauer in den Handlungen zu erzielen, die Kompromissfähigkeit der Probanden zu trainieren und Neuem gegenüber aufgeschlossen zu sein.
„Es gab während des Projekts keinerlei Konflikte“, berichten die Studierenden und loben die Aufgeschlossenheit und Motivation der Häftlinge bei ihrem Projekt.
Für Prof. Thönnessen liegen die Perspektiven des Projektes auf der Hand: „Das Projekt könnte fest in den Gefängnisalltag installiert werden. Es könnte zu einer ständigen Einrichtung werden, die den Projektteilnehmern hilft, ihr Handeln zu reflektieren, Handlungsalternativen zu erfahren und in einem vertrauten Rahmen auszuprobieren. Und - es könnte dazu beitragen, die Lebensqualität der Projektteilnehmer zu verbessern.“
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