Auf in die Wildnis! - Plädoyers warum wir uns einen Nationalpark im Schwarzwald leisten sollten
Diese Woche wurde das mit Spannung erwartete von der Landesregierung in Auftrag gegebene Gutachten zu den Chancen und Risiken eines Nationalparks im Nordschwarzwald der Öffentlichkeit vorgestellt. Und für einen Nationalpark – es wäre der erste in Baden-Württemberg – wird nach den Einschätzungen und Empfehlungen der Experten grünes Licht gegeben. Passend zu diesem für unser Land wichtigen Vorhaben organisieren die Professoren Dr. Rainer Luick und Stefan Ruge (Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg) und Prof. Dr. Thomas Potthast, Leiter des Ethikzentrums an der Uni Tübingen, eine Vortragsreihe mit drei Veranstaltungen.
Nationalparke werden eingerichtet, um das Arteninventar von natürlichen und/oder noch sehr naturnahen Lebensräumen möglichst vollständig zu erhalten, zu verbessern und zu entwickeln. Nationalparke ergänzen andere Schutzgebietskulissen (z.B. Biosphärenreservate, Naturschutzgebiete oder Naturparke), wo Naturschutzziele über geeignete, meist traditionell begründete Nutzungsweisen umgesetzt werden sollen. Dazu zählen auch nachhaltige Nutzungen im Wirtschaftswald.
Wichtigstes Element von Nationalparken sind großflächige Kernzonen, um dort das Vorkommen von Arten und Lebensgemeinschaften zu ermöglichen, die auf anthropogen ungestörte ökologische Prozesse (Prozessketten) angewiesen sind und einen großen Raumanspruch besitzen. Derartige Prozessschutzgebiete sind auch zentrale Bausteine der nationalen Biodiversitätsstrategie (NBS), die ihrerseits wiederum in internationale Vereinbarungen, wie das Abkommen zum Schutz der Biologischen Vielfalt (UN 1992) eingebettet sind. Es geht in dieser völkerrechtsverbindlichen Vereinbarung um den Beitrag Deutschlands zum Erhalt unseres Naturerbes. Im Handlungsfeld Schutz der Biodiversität von Waldökosystemen ist gemäß der NBS ein 5%-Zielwert von dauerhaft nicht bewirtschafteter Waldflächen (Prozessschutzflächen) vorgesehen. Mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern sind alle anderen deutschen Bundesländer noch sehr weit entfernt von diesem gesetzten Zielwert.
Die Positionen zur Ausweisung großer Flächen mit natürlicher und naturnaher Waldentwicklung als Nationalparke sind angesichts der zahlreichen gesellschaftlichen Interessengruppen sehr unterschiedlich. Je nach Betroffenheit sind verschiedene Standpunkte und Sichtweisen die Folge, die in einem objektiven Diskurs auch berücksichtigt und abgewogen werden müssen. Die Ausweisung oder auch die Ablehnung eines Nationalpark Nordschwarzwald wird eine politische Entscheidung sein und vermutlich nicht nur auf wissenschaftlichen Erkenntnissen erfolgen, sondern darf und muss auch gesellschaftliche und ökonomische Abwägungen beinhalten. Zielsetzung und Motivation für die Einrichtung großflächiger Prozessschutzgebiete finden sich auch in ethisch begründbaren Positionen. Unsere Landschaften und Ressourcen stehen erst am Anfang von neuen und bedrohlich zunehmenden Konflikten und intensivierten Nutzungen. Daran hat in Deutschland die notwendige Energiewende mit der verstärkten Nutzung von Biomasse einen nicht unerheblichen Anteil. Vielleicht sind schon in nicht allzu langer Zukunft großflächige Schutzgebiete die letzten Refugien, in denen die Vielfalt an Arten, Strukturen und Prozessen gesichert erhalten bleibt und einen Zugewinn von bislang nicht bekannten Formen und Lebensräumen in unserer Umwelt ermöglichen.
Mit drei Vorträgen sollen Hintergründe, Informationen und auch die ethisch-moralische Dimension in der Debatte um einen geplanten Nationalpark im Nordschwarzwald beleuchtet werden.
18.04.2013: Naturschutz und Naturschutzstrategien im Nordschwarzwald – auf dem Weg zu einem Nationalpark (Dr. Wolfgang Schlund / Naturschutzzentrum Ruhestein)
25.04.2013: Warum mehr Wildnis auch unseren Wäldern gut tut (Dr. Thomas Waldenspuhl / Forstliche Versuchsanstalt BW)
02.05.2013: Welche Natur, welche Werte? Ethische Grundfragen in der Diskussion die Einrichtung von Nationalparken (Prof. Dr. Thomas Potthast / Universität Tübingen / IZEW)
Die Veranstaltungen sind öffentlich und finden jeweils um 18.00 Uhr in der Aula an der HFR statt. Wir freuen uns auf Ihren Besuch und eine regen Meinungsaustausch.
mögliche Bildtexte
Der weitaus größte Anteil biologischer Vielfalt in Waldökosystem korreliert mit den langen Reife- und Zerfallsphasen. Doch auch in einem nachhaltig bewirtschafteten Wald dürfen nur wenige Bäume natürlich alt werden. Kein Wunder daher, dass die Mengen und das konstante Vorkommen an stehendem und liegendem Totholz weit unter den Werten liegen, die für das Vorkommen charakteristischer Artengemeinschaften, wie z.B. xylobionter Pilze und Käfer, notwendig sind. Die rasant wachsende Nachfrage nach Energieholz führt ebenfalls dazu, dass viele Wälder an Totholzanteilen verarmen.
Das Erleben von Prozessschutzgebieten kann bei Besuchern sehr unterschiedliche Empfindungen auslösen. Was für den einen mit Abenteuer, Wildnis ursprünglicher Natur und der Ästhetik des Ungeplanten in Verbindung steht, ist für den anderen eher Schaden, Zerstörung, Ungepflegtheit und entgangener Nutzen. Daher gehören zu den Kernaufgaben des Managements derartiger Gebiete unbedingt eine gute Information und Umweltbildungsangebote. Dann werden Prozessschutzgebiete wie Nationalparke zu einer Allegorie des Lebens und vermitteln, dass auch dem Altwerden und Vergehen eine besondere Schönheit und kulturell wie ökologisch hohe Bedeutung eigen ist.
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private: Rainer Luick, 78247 Hilzingen, Feldbergstr. 14, phone: ++49 (0) 7739-781, mail: rainer.luick@t-online.de
office: Prof. Dr. Rainer Luick, Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg (HFR), Schadenweilerhof, 72108 Rottenburg, phone: ++49 (0) 7472-951-238, mail: luick@hs-rottenburg.de
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Weitere Informationen:
http://www.hs-rottenburg.de
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