Studenten vergeben schlechte Noten an RWE-Vorstand
Bochumer Masterstudierende besuchen die Hauptversammlung des Essener Energieversorgers
Von Rüdiger Kurtz
RWE-Vorstandschef Peter Terium sah bei der RWE-Hauptversammlung "dunkle Wolken am Horizont" aufkommen. Entsprechend düster schaute das Heer der zumeist graumelierten Aktionäre drein. Eine kleine Gruppe im Saal interessierte sich nicht nur für Zahlen, Fakten und die pessimistischen Zukunftsaussichten des Energieversorgers. Die in diesem Umfeld auffallend jungen Leute waren von der Hochschule Bochum angereist, um ihr im Hörsaal erworbenes Theoriewissen mit der in der Essener Gruga-Halle präsentierten Praxis einer Hauptversammlung abzugleichen.
"Viele Fragen wurden erstaunlich unpräzise beantwortet", wunderte sich Masterstudentin Karin Goy in der Nachbesprechung: "Ich hätte mich als Aktionärin nicht ernst genommen gefühlt." Auch Johannes Karbach fand es "erschreckend" wie abweisend seitens des Vorstandes auf Anregungen reagiert wurde und "mit welcher Ignoranz man über Umweltprobleme hinwegging, die von Betroffenen eindrücklich geäußert wurden." Nadine Thiel störte sich an der wiederholten Weigerung des Vorstandes, aufgrund bestehender Verschwiegenheitsklauseln Auskünfte zu erteilen. "Die Klauseln wurden doch vom Vorstand selber in die Verträge eingebracht", so Thiel: "Man gewinnt den Eindruck, dass den Anlegern und der Öffentlichkeit dadurch bewusst unliebsame Tatsachen vorenthalten werden sollen."
Auch die Aktionäre bekamen in der Rückschau ihr Fett weg. "Nachmittags ist es schnell leerer geworden", konstatierte Andreas Bongartz: "Offensichtlich war für einen Großteil der Aktionäre das Essen ein wesentlicher Anreiz zur Teilnahme." Viele Anfragen von Anteilseignern hätten zudem von eher mangelnden wirtschaftlichen Grundkenntnissen gezeugt. Olga Schatt zeigte daher sogar Verständnis für den zeitweise gelangweilt wirkenden Vorstand. "Mehrere Beiträge der Kleinaktionäre waren doch eher lähmend."
Wirtschaftsprofessor Lars Renner wollte bei der Nachbetrachtung des Besuchs nicht wertend eingreifen, freute sich aber über die engagierte und kritische Diskussion der Studierenden. "Wir haben im Vorfeld der Hauptversammlung über den Corporate Governance Kodex gesprochen", erläuterte Lars Renner: "Das Regelwerk beinhaltet Vorschläge zur guten Unternehmensführung und soll das Vertrauen in die Unternehmensführung deutscher Aktiengesellschaften stärken." Anhand eines Aufgabenkatalogs überprüften die Bochumer Studierenden des Masterstudiengangs "Accounting, Auditing and Taxation", ob und wie der Kodex umgesetzt wurde. Nach gut sechs Stunden fiel das Gesamturteil ernüchternd aus. "Bei mir ist ein eher negatives Bild von Vorstand und Gesellschaft haften geblieben", sagt Marcus Rüber: "Ich würde mein Geld niemanden anvertrauen, der meine Fragen unwillig oder ausweichend beantwortet."
Einig waren sich alle Studierenden, dass die Teilnahme an der Hauptversammlung eine sehr gute Ergänzung zur Wissensvermittlung an der Hochschule war. "Man hat einen guten Einblick über den Ablauf einer Hauptversammlung gewonnen", so David Brall, der auch die Betreuung seitens der RWE lobte. Neben einem Ansprechpartner, der den Studierenden während der Veranstaltung für Fragen zur Verfügung stand, hatten alle Teilnehmer auch den Geschäfts- und Personalbericht sowie umfangreiches Material zum Jahresabschluss erhalten.
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