Fünffacher Erfolg der Universität Tübingen bei den Sonderforschungsbereichen
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft bewilligt Gelder für Archäologie, Schlafforschung, Krebsimmuntherapien, Linguistik und Physik
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet an der Universität Tübingen den neuen Sonderforschungsbereich „RessourcenKulturen. Soziokulturelle Dynamiken im Umgang mit Ressourcen“ (1070) ein, dessen Sprecher der Archäologe Professor Martin Bartelheim ist. Ein weiterer Sonderforschungsbereich (SFB) kommt durch den Wechsel des bisherigen Sprechers, des Neurobiologen Professor Jan Born, an die Universität Tübingen: „Plastizität und Schlaf“ wird nun als SFB Transregio (654) gemeinsam mit den Universitäten Lübeck und Kiel an der Universität Tübingen weitergeführt. Zwei weitere, besonders erfolgreiche Sonderforschungsbereiche, deren Förderperiode im kommenden Juni zu Ende geht, werden weiter finanziert: Der SFB 685 „Immuntherapie: Von den molekularen Grundlagen zur klinischen Anwendung“ mit dem Sprecher Professor Hans-Georg Rammensee vom Interfakultären Institut für Zellbiologie und SFB 833 „Bedeutungskonstitution – Dynamik und Adaptivität sprachlicher Strukturen“ mit der Sprecherin Professor Sigrid Beck vom Englischen Seminar. Außerdem verlängert wird der SFB Transregio 21 „CO.CO.MAT – Kontrollierte Wechselwirkung in maßgeschneiderter Quantenmaterie“, an dem die Universität Tübingen mit dem hiesigen Koordinator Professor Reinhold Kleiner vom Physikalischen Institut beteiligt ist. Die DFG fördert die Sonderforschungsbereiche jeweils mit durchschnittlich einer Größenordnung von zwei Millionen Euro pro Jahr. In diesem Jahr gibt es an der Universität Tübingen insgesamt sechs Sonderforschungsbereiche, sie ist Sprecherhochschule eines Sonderforschungsbereichs Transregio und an weiteren fünf SFB Transregios beteiligt.
Im SFB 1070 „RessourcenKulturen. Soziokulturelle Dynamiken im Umgang mit Ressourcen“, der von Oktober 2013 bis Juni 2017 laufen wird und der in der aktuellen Bewilligungsrunde der DFG der einzige neue geisteswissenschaftliche SFB ist, sollen sozio-kulturelle Dynamiken im Umgang mit Ressourcen interdisziplinär erforscht werden. In der Kooperation untersuchen Archäologen, Philologen, Historiker, Geografen und Ethnologen, wie materielle und immaterielle Mittel von Menschen genutzt werden, um soziale Beziehungen, Einheiten und Identitäten zu schaffen, zu erhalten und zu verändern. Unter Ressourcen verstehen die Wissenschaftler Rohstoffe wie Metalle und Stein, landwirtschaftlich nutzbare Böden, Reis und Heilpflanzen, aber auch Abstraktes wie technologische Innovationen oder Ikonen. In dieser Definition wird der Gegensatz zwischen „natürlichen“ und „kulturellen“ Ressourcen aufgehoben, denn auch Rohstoffe werden als kulturell geprägt angesehen.
Von den Neandertalern und ersten modernen Menschen in Europa zu den frühen Hochkulturen um das Mittelmeer, von der Wirtschaft von Klöstern im Mittelalter bis hin zu heutigen Kulturen in Afrika, Indien und Zentralasien – die Wissenschaftler wollen herausfinden, wie die Menschen mit Ressourcen umgehen. „Ressourcen bestimmen, wie wir leben und wer wir sind, sie sind der Grundstein unserer Gesellschaften“, sagt der SFB-Sprecher Martin Bartelheim, Professor am Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Universität Tübingen. In seinem Teilprojekt untersucht er, wie die Gewinnung und Verarbeitung von Metallen die frühen Kulturen auf der Iberischen Halbinsel beeinflusst haben.
Die Ressourcen, der Umgang damit sowie daraus resultierende Dynamiken stehen im Wechselverhältnis mit kulturellen Vorstellungen und Praktiken. Da diese kulturellen Voraussetzungen variabel sind und zudem maßgeblich bestimmen, was als Ressource definiert wird und wie man mit ihr umgeht, lassen sich aus vergleichender Perspektive unterschiedliche „Ressourcen-Kulturen“ ausmachen. Die Wissenschaftler im SFB arbeiten an einer Neu-konzeptualisierung eines kulturwissenschaftlichen Ressourcenbegriffs, wollen sozio-kulturelle und politische Entwicklungen nachvollziehen, das Verständnis für Prozesse der Raumerschließung und Identitätsbildung vertiefen und die symbolischen Dimensionen von Ressourcen erfassen.
Kontakt:
Prof. Dr. Martin Bartelheim
Universität Tübingen
Philosophische Fakultät
Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters
martin.bartelheim[at]uni-tuebingen.de
Neu an der Universität Tübingen ist der Sonderforschungsbereich Transregio 654 „Plastizität und Schlaf“. Als Besonderheit wurde dieses Großprojekt zunächst als SFB an der Universität zu Lübeck und dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein geführt und wird nun durch den Wechsel des Sprechers Professor Jan Born nach Tübingen ans Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie als SFB Transregio, der gemeinsam von den Universitäten Tübingen, Lübeck und Kiel getragen wird, verlängert.
Die Wissenschaftler in diesem SFB gehen davon aus, dass Schlaf Gedächtnis bildet. So weisen die bisherigen Erkenntnisse auf eine fundamentale Bedeutung des Schlafs für die Langzeitgedächtnis-bildung hin. Doch darüber hinaus betrachten die Wissenschaftler Gedächtnisbildung als einen allgemeinen biologischen Prozess, der nicht nur im Gehirn als Speicher für Erlebtes, sondern auch im Immunsystem als Gedächtnis für Antigene und im Stoffwechsel als Gedächtnis für den Stoff- und Energieumsatz im Organismus abläuft. In dem SFB werden auf mehreren Ebenen die plastischen Mechanismen untersucht, durch die Schlaf in diesen verschiedenen Systemen die Gedächtnisbildung verstärkt. Die Forscher wollen die zugrunde liegenden Mechanismen aufklären, aber auch medizinische Strategien entwickeln, um das breite Spektrum von Erkrankungen, bei denen Störungen der Gedächtnisbildung in diesen Systemen vorliegen, effizienter behandeln zu können.
Der Schwerpunkt liegt auf der experimentellen Erforschung von Zusammenhängen, die den gesamten Organismus betreffen. Die Forschungsarbeiten zielen darauf ab, den Schlaf als Angriffspunkt im Rahmen der klinisch-medizinischen Behandlung bei ganz unterschiedlichen Erkrankungen zu nutzen. Die Forscher erwarten, dass sich durch die gezielte Beeinflussung von Schlafprozessen zum Beispiel der Erfolg von Impfungen steigern lässt und die Behandlung von Adipositas und des Metabolischen Syndroms effizienter als bei herkömmlichen Therapieansätzen gestaltet werden kann. Durch Steuerung über den Schlaf lassen sich Gedächtnisinhalte gezielt löschen oder verstärken, sodass er zur Vorbeugung bei post-traumatischen Belastungsstörungen und zur Steigerung der Gedächtnisleistungen bei alten Menschen, aber auch Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden kann. In den Tübinger Teilprojekten des SFB „Plastizität und Schlaf“ werden schwerpunktmäßig neuro- und verhaltensbiologische Aspekte untersucht.
Kontakt:
Prof. Dr. Jan Born
Universität Tübingen
Medizinische Fakultät
Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie
jan.born[at]uni-tuebingen.de
Der SFB 685 „Immuntherapie: Von den molekularen Grundlagen zur klinischen Anwendung“ wird um vier Jahre verlängert. Sprecher des erfolgreichen Sonderforschungsbereichs ist Professor Hans-Georg Rammensee vom Interfakultären Institut für Zellbiologie. Ziel der Wissenschaftler ist es, die aus der immunologischen Grundlagenforschung gewonnenen Erkenntnisse bis zur klinischen Anwendung an die Patienten zu bringen. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der angeborenen Immunität, wie sie bei Infektionen, bei Krebs sowie bei entzündlichen Haut- und Darmerkrankungen vorkommen. Den Vorgängen bei Immunreaktionen in den Zellen, der genauen Struktur beteiligter Moleküle, der Sichtbarmachung der Wanderungsbewegungen spezifischer Immunzellen im lebenden Organismus sowie der Bewältigung der enormen Datenflut, die sich aus der Anwendung neuer Methoden wie der Sequenzierung des gesamten Erbguts ergeben, sind weitere Teilprojekte gewidmet. Teilweise dient die weitere Forschung bereits der wissenschaftlichen Begleitung klinischer Therapiestudien an verschiedenen Krebserkrankungen. Auf der Grundlage von Erkenntnissen aus dem SFB und in Zusammenarbeit mit einer Ausgründung aus dem SFB sind bereits erste Erfolge bei der Krebsimmuntherapie gelungen, insbesondere bei Patienten mit Nieren-krebs und Darmkrebs.
Kontakt:
Prof. Dr. Hans-Georg Rammensee
Universität Tübingen
Medizinische Fakultät und Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Interfakultäres Institut für Zellbiologie
rammensee[at]uni-tuebingen.de
Ebenfalls um vier Jahre verlängert wird der SFB 833 „Bedeutungskonstitution: Dynamik und Adaptivität sprachlicher Strukturen“. Sprecherin ist Professor Sigrid Beck vom Englischen Seminar. In diesem SFB 833 wird die Entstehung von Bedeutung untersucht. Die Frage, wie sprachliche Ausdrücke mit ihrer Interpretation verbunden werden, interessiert neben der Sprachwissenschaft auch die Kognitionswissenschaften und die Literaturwissenschaft. Gemeinsam erforschen die beteiligten Disziplinen, warum sich die Bedeutung von Wörtern und Sätzen flexibel entwickelt und nach welchen Regeln dies geschieht. Die jetzt beginnende, zweite Phase des SFB rückt große Zusammenhänge in den Vordergrund wie zum Beispiel die Beziehung zwischen Kontextabhängigkeit und Sprachwandel oder zwischen Sprachverarbeitungsstrategien und einzelsprachlicher Grammatik.
Kontakt:
Prof. Dr. Sigrid Beck
Universität Tübingen
Philosophische Fakultät
Englisches Seminar
sigrid.beck[at]uni-tuebingen.de
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