Die Suche nach einem deutschen Weg
Internationalisierung ist auch für deutsche Softwareunternehmen eine Voraussetzung für Marktführerschaft. Einheimische Anbieter von Spielesoftware können internationale Erfolge vorweisen und ziehen oft internationales Risikokapital an. Dagegen sind viele Softwarehäuser in klassischen Bereichen mit Marktnischen zufrieden, obwohl ihre Produkte auf dem Weltmarkt bestehen können. Die Gründe hierfür sind genauso vielfältig, wie die vom Projekt „Deutsche Software-Champions“ identifizierten Erfolgsfaktoren.
In einer mit dem MÜNCHNER KREIS durchgeführten Veranstaltung in den Räumen des deutschen Innovationshotspots der EIT ICT Labs in Berlin haben Prof. Arnold Picot und Prof. Thomas Hess von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) in Kooperation mit dem Center for Digital Technology & Management (CDTM) – einer gemeinsamen Einrichtung von LMU und TUM – Wege zu einer nachhaltigen Förderung deutscher Software-Unternehmen aufgezeigt. Die Diskussion der Ergebnisse des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projektes „Deutsche Software-Champions“ (DESC) zeigte auf: Die viel diskutierte Verbesserung von Rahmenbedingungen am Standort Deutschland reicht allein nicht aus. Gefordert sind vor allem die Unternehmen selbst.
"Die Erfolgsgeschichte des Silicon Valley zu kopieren ist schwierig – die Rahmenbedingungen hierzulande erfordern dynamische Marktstrategien, die die eigenen Stärken konsequent nutzen“, sagte Prof. Picot, Inhaber der Forschungsstelle für Information, Organisation und Management der LMU München, Scientific Director des CDTM und Vorsitzender des Vorstands des Münchner Kreis. Und die Suche nach einem deutschen Weg lohnt sich. „Dabei gibt es nicht die eine große Stellschraube, vielmehr lässt sich eine Vielzahl erfolgversprechender Mechanismen für private Unternehmen, aber auch für die öffentliche Hand erkennen“, so Picot weiter. Einen Schlüsselfaktor sehen die Experten in der oftmals fehlenden Konsolidierung deutscher Unternehmen. „Es gibt in Deutschland exzellente junge und mittelständische Unternehmen, die – wenn Kapitalgeber wechseln – leider nicht von deutschen, sondern meist von ausländischen Unternehmen übernommen werden“, betonte Prof. Hess, Direktor des Instituts für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien der LMU und Mitglied des Board of Directors des CDTM.
Die Expertendiskussion zeigte Kriterien für eine erfolgreiche Internationalisierung auf. Die heimische Software- und Digitalwirtschaft konzentriert sich mit ihren Produkten und Diensten zu oft allein auf die Märkte des deutschen Sprachraums. Dagegen sollten die globalen Märkte von vornherein – also bereits bei der Planung und Gründung von Unternehmen und neuen Produkten – berücksichtigt werden.
Produkte und Dienste müssen dabei einfach und benutzerfreundlich sein. „Sobald sie erklärungsbedürftig sind, müssen Unternehmen verstärkt international teure Kompetenz aufbauen“, betonte Jürgen Biffar, Gründer und Geschäftsführer der DOCUWARE GmbH. Außerdem sei es ratsam, im Angebotsportfolio den Fokus auf die Kernkompetenzen der eigenen Produkte zu legen, und auf das Angebot ergänzender, und oftmals kostspieliger Dienstleistungen weitgehend zu verzichten beziehungsweise diese auszulagern. Ein weiteres wichtiges Erfolgskriterium sehen die Experten in der Skalierbarkeit des Angebots. „Erst wenn es gelingt, den hohen Entwicklungs- und Marketingaufwand von digitalen Systemen und Produkten in eine angemessene Relation zu den Markt- und Verkaufsgrößen zu bringen, können geringe Stückkosten und echte Wettbewerbsvorteile erzielt werden“, erklärte Picot.
Allerdings unterscheiden sich Internationalisierungspfade für die vertikalen Business-to-Business-Märkte grundsätzlich von denen im Konsumentenbereich. So erfordern erfolgreiche Konsumenten-Angebote möglichst rasche internationale Markteinführungen von eher generischen Diensten. Es empfehlen sich hier die Nutzung bestehender Plattformen sowie Kooperationen mit anderen Marktteilnehmern und möglichst benutzerfreundliche Produktauslegungen. In der Unternehmensorganisation ist auf flexible Strukturen und auf die Beschäftigung internationaler Mitarbeiter sowie auf offene Kollaboration auch mit externen Partnern zu achten, so das DESC-Projektteam.
Im Geschäftskundenbereich stellt dagegen die „Strategie der vertikalen Tiefe“, also die Konzentration auf die Expertise in ausgesuchten Marktnischen, einen wichtigen Aspekt des deutschen Weges dar. Die Bedeutung von Cloud-Diensten spielte bei der Diskussion der Ergebnisse des DESC-Projekts eine besondere Rolle. So ergeben sich für die deutsche Softwareindustrie aus der Nutzung von externen IT-Landschaften große Chancen, aber auch einige Risiken. Das Cloud-Computing ermöglicht einerseits aggressiven internationalen Anbietern einen relativ einfachen Eintritt in angestammte deutsche Nischenmärkte. Andererseits eröffnet es deutschen Anbietern aber auch einen schnellen Weg in attraktive ausländische Märkte sowie eine größere Expansionsfähigkeit.
Die kontinuierliche Beteiligung von Risikokapitalgebern an der Entwicklung neuer Unternehmen der Software- und Digitalbranchen ist gleich aus mehreren Gründen von besonderer Bedeutung. Zum einen wirkt das so genannte „Smart Money“, also das mit dem Kapitalengagement verbundene erfahrungsgestützte Coaching, als Korrektiv für unternehmerische Umwege. „Gleichzeitig können gerade junge Unternehmen von der Einbindung in wirtschaftliche Ökosysteme profitieren, die nicht selten auch den Transfer von Wissen und Erfahrung um erfolgreiche Internationalisierungsstrategien mit sich bringen“, berichtete Christian Vollmann, Gründer mehrerer namhafter Internet-Startups wie MyVideo und eDarling. Zum anderen steht bei der Risikokapitalfinanzierung, die auf einen profitablen Verkauf von Unternehmensanteilen zu einem bestimmten Zeitpunkt setzt, das kontrollierte Wachstum wesentlich stärker im Vordergrund.
„Das Bewusstsein in der deutschen Öffentlichkeit für die kritische Zukunftsbedeutung einer sehr leistungsfähigen Softwareindustrie ist auf breiter Front voranzutreiben“, resümierte Hess. In der Öffentlichkeit wird wirtschaftliche Stärke noch weitgehend mit Produktion und Vermarktung physischer Objekte, wie Autos oder Maschinen, gleichgesetzt. „Angesichts der sich beschleunigenden Digitalisierung, die alle Bereiche von Technik, Wirtschaft und Gesellschaft ergreift, hängt die Weltmarktposition deutscher Unternehmen aber sehr stark davon ab, wie konsequent man die Chancen auch der extrem dynamischen, digitalen Märkte nutzt“, so Hess weiter. „Dafür müssen Politik und Wirtschaft gemeinsam eine konstruktive und motivierende Atmosphäre schaffen.“
Über die LMU:
Die LMU ist eine der führenden Universitäten in Europa mit einer über 500-jährigen Tradition. Sie nutzt ihren Erfolg in der Exzellenzinitiative, um ihr Profil als forschungsstarke „universitas“ in den nächsten Jahren zu schärfen und ihre Position international weiter auszubauen. Mit ihrem breiten und ausdifferenzierten Fächerspektrum verfügt die LMU über ein großes Potenzial für innovative Grundlagenforschung und eine qualitativ hochwertige Lehre – sei es im Kern der einzelnen Disziplinen oder im inter- und transdiziplinären Verbund verschiedener Wissensfelder. Die LMU ist in ein breites internationales Netzwerk eingebettet und kooperiert mit mehr als 400 renommierten Partnern aus aller Welt.
www.lmu.de
Über das Center for Digital Technology & Management (CDTM):
Das Center for Digital Technology & Management (CDTM) ist eine gemeinsame wissenschaftliche Einrichtung der beiden Münchner Universitäten Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und Technische Universität München (TUM). In der Lehre bietet das CDTM den englischsprachigen Elitestudiengang Technology Management (Honors Degree) an, mit Fokus auf den interdisziplinären Austausch zwischen Studierenden der Betriebswirtschaftslehre, der Elektrotechnik, sowie der Informatik. Dieser wird als internationaler Parallelstudiengang vom Elitenetzwerk Bayern gefördert. Der Studiengang verwirklicht eine exzellente Lehre durch innovative Kursformate, intensive Betreuung, starke Vernetzung und gelebte Interdisziplinarität sowie ein hohes Maß an Internationalität. In der Forschung engagiert sich das CDTM an Schnittstellenthemen zwischen Management und Technologie mit 12 Partnerlehrstühlen von TUM und LMU. So trägt das CDTM zur Schaffung einer universitätsübergreifenden, innovativen und offenen Kultur bei.
www.cdtm.de
Über den Münchner Kreis:
Der Münchner Kreis ist eine gemeinnützige übernationale Vereinigung für Kommunikationsforschung. An der Nahtstelle von Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Medien befasst er sich mit Fragen der Technologie, der Gesellschaft, der Ökonomie und der Regulierung im Bereich von Informations- und Kommunikationstechniken sowie der Medien. Er begleitet und fördert die Entwicklung der Informationsgesellschaft in verantwortungsvoller Weise, und wirkt an der Verbesserung der Rahmenbedingungen durch wissenschaftlich qualifizierte Beiträge und sachlichen Dialog konstruktiv mit.
www.muenchner-kreis.de
Über die EIT ICT Labs:
EIT ICT Labs ist eine Knowledge and Innovation Community (KIC), gefördert von dem Europäischen Institut für Innovation und Technologie (EIT). Unsere Mission ist es, Europa als globalen Marktführer in IKT-Innovationen zu etablieren. Unsere Ziele sind der nachhaltige Wandel der europäischen Wissensgesellschaft und die Verbesserung der Lebensqualität. EIT ICT Labs Co-Locations in Berlin, Helsinki, Paris, Eindhoven, Stockholm und Trento spielen eine wichtige Rolle als virtuelle und Live-Treffpunkte für Projekt-Mitglieder, Studierende, Unternehmer, KMUs und Start-Ups, Think Tanks, sowie große industrielle Partner, die auf der Suche nach Talent und Möglichkeiten sind. Mobilität ist dabei ein entscheidender Faktor. EIT ICT Labs Germany GmbH operiert vom Ernst-Reuter-Platz im Herzen von Berlin, in unmittelbarer Nähe des Campus der TU Berlin. Sie arbeitet nah zusammen mit einem starken Netzwerk von exzellenten Partnern im Forschung, Akademie und Industrie.
www.eitictlabs.eu
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