20. Sozialerhebung liefert Befunde zur wirtschaftlichen und sozialen Situation der Studierenden
Sie ist die größte und traditionsreichste Studierendenbefragung in Deutschland: Heute ist die 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW) erschienen, die das HIS-Institut für Hochschulforschung (HIS-HF) mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) durchgeführt hat. Die Sozialerhebung bietet eine umfassende Bestandsaufnahme der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Studierenden in Deutschland.
Aus welchen sozialen Gruppen kommen die Studierenden? Wie finanzieren sie ihr Studium? Wie viel Zeit wenden sie für das Studium auf? Wie ist die Situation von Studierenden mit gesundheitlicher Beeinträchtigung? Wie viele Studierende mit Kind sind an den deutschen Hochschulen immatrikuliert, wie viele Studierende haben einen Migrationshintergrund? Die Sozialerhebung, die vor zwei Jahren ihren 60. Geburtstag gefeiert hat, bietet Antworten auf diese Fragen und beschreibt die Entwicklungen im Zeitverlauf. Sie ist damit eine wichtige Informationsquelle für Wissenschaftler(innen), Bildungspolitiker(innen) sowie für Studierende und ihre Vertretungen.
Die Sozialerhebung wird alle drei Jahre durchgeführt. In die Zeit zwischen der 19. und der 20. Sozialerhebung fallen eine Reihe von Veränderungen, die die Situation der Studierenden beeinflusst haben, darunter die Weiterentwicklung des gestuften Studiensystems, die Abschaffung der Studiengebühren in vier von sechs Ländern, die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur und die Aussetzung der Wehrpflicht. Die letzten beiden Entwicklungen führten zusammen mit einer deutlich gestiegenen Studierneigung zu einem Höchststand bei der Zahl der Studierenden an deutschen Hochschulen von zuletzt rund 2,5 Millionen. Wer sind diese Studierenden, wie leben, lernen und arbeiten sie?
Bildungsherkunft der Studierenden
Im Sommersemester 2012 kam jede(r) zweite Studierende an einer deutschen Hochschule aus einem nicht-akademischen Elternhaus (50 % Bildungsherkunft „niedrig“ und „mittel“, s. Abb. 1). 28 % der Studierenden kommen aus einem Elternhaus, in dem ein Elternteil ein Studium absolviert hat (Bildungsherkunftsgruppe „gehoben“), 22 % aus einem Elternhaus mit zwei akademisch ausgebildeten Elternteilen (Bildungsherkunftsgruppe „hoch“). Im Vergleich zur 19. Sozialerhebung zeigen sich nur geringfügige Verschiebungen in der Zusammensetzung der Studierendenschaft nach Bildungsherkunft. Der langjährige Trend eines wachsenden Anteils an Studierenden aus einem akademischen Elternhaus, der auch mit dem Anstieg des Bildungsniveaus in der Gesamtbevölkerung zusammenhängt, stagniert seit 2006 auf hohem Niveau.
Studienfinanzierung und wirtschaftliche Situation der Studierenden
Im Sommersemester 2012 hatten Studierende im Erststudium durchschnittlich 864 € im Monat zur Verfügung. Dies sind 52 € mehr als drei Jahre zuvor. Fast neun von zehn Studierenden (87 %) werden von ihren Eltern finanziell unterstützt. Die Eltern sind damit weiterhin die wichtigste Einnahmequelle für Deutschlands Studierende. Die zweitwichtigste Einnahmequelle ist der eigene Verdienst: Etwas weniger als zwei Drittel der Studierenden (63 %) sind neben dem Studium erwerbstätig, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Rund ein Drittel (32 %) der ledigen Studierenden im Erststudium, die außerhalb des Elternhauses wohnen, bezieht BAföG, 6 % finanzieren sich u. a. über einen Kredit, 4 % werden durch ein Stipendium unterstützt. Die Zusammensetzung der monatlichen Einnahmen variiert stark mit der Bildungsherkunft der Studierenden (s. Abb. 2).
Auf der Ausgabenseite ist der größte Posten die Miete inklusive Nebenkosten, für die Studierende durchschnittlich 34 % ihrer Einnahmen bzw. 298 € aufwenden müssen. Für Ernährung geben Studierende durchschnittlich 165 € monatlich aus. Nicht allen Studierenden bleibt nach Abzug aller Ausgaben am Ende des Monats noch finanzieller Spielraum. Bei 21 % der Studierenden reichten die Einnahmen im Sommersemester 2012 gerade aus, um die Ausgaben zu decken. Dennoch gaben 2012 mehr als die Hälfte der Befragten an, dass die Finanzierung ihres Lebensunterhalts während des Studiums sichergestellt sei.
Zeitbudget
Studierende im Erststudium, die Vollzeit studieren, wenden in der Vorlesungszeit durchschnittlich 35 Stunden pro Woche für ihr Studium auf. Etwa die Hälfte der Zeit (18 Std./Woche) fällt für den Besuch von Lehrveranstaltungen an, die andere Hälfte (17 Std./Woche) investieren die Studierenden in das Selbststudium. Im Vergleich zu 2009 ist der Zeitaufwand für das Studium um eine Stunde gesunken, er liegt jedoch im Mittel der letzten 20 Jahre.
Fast die Hälfte der Studierenden (48 %) erachtet die zeitliche Inanspruchnahme durch das Studium als hoch oder zu hoch. Im Vergleich zu 2009 ist dieser Anteil deutlich um acht Prozentpunkte gesunken. 44 % der Studierenden im Erststudium fühlen sich zeitlich optimal durch das Studium gefordert. Dies sind sechs Prozentpunkte mehr als 2009.
Die Mehrheit der Studierenden im Erststudium (61 %) geht in der Vorlesungszeit neben dem Studium einer Erwerbstätigkeit nach. Für das Jobben wenden diese Studierenden im Schnitt 13 Stunden in der Woche auf. Gegenüber 2009 ist sowohl der Anteil der erwerbstätigen Studierenden (2009: 66 %) als auch deren zeitlicher Umfang für die Erwerbstätigkeit gesunken (2009: 14 Stunden/Woche).
78 % der Studierenden im formellen Vollzeitstudium betreiben einen Zeitaufwand für das Studium, der den Erwartungen an diese Studienform auch tatsächlich entspricht (min. 25 Stunden/Woche). Die übrigen 22 % können de facto als Teilzeit-Studierende gelten.
Diversität der Studierenden
Rund 137.000 Studierende wiesen im Sommersemester 2012 eine gesundheitliche Beeinträchtigung auf, die sich studienerschwerend auswirkte. Dies können physische oder psychische Beeinträchtigungen sein.
Daneben gab es im Sommersemester 2012 ca. 101.000 Studierende mit Kind, davon 55 % Frauen und 45 % Männer. Studierende mit Kind sind im Durchschnitt 7,6 Jahre älter als ihre kinderlosen Kommiliton(inn)en und absolvieren ihr Studium häufiger in Teilzeit.
Fast jede(r) vierte Studierende im Erststudium (23 %) hatte im Sommersemester 2012 einen Migrationshintergrund. Studierende mit Migrationshintergrund gehören mehr als viermal so häufig wie ihre Kommiliton(inn)en ohne Migrationshintergrund der Bildungsherkunftsgruppe „niedrig“ an (21 % vs. 5 %). Der Anteil an Studierenden mit mindestens einem akademisch gebildeten Elternteil (Herkunftsgruppen „gehoben“ und „hoch“) ist bei ihnen um sieben Prozentpunkte niedriger als bei Studierenden ohne Migrationshintergrund (44 % vs. 51 %).
Die Sozialerhebung ist eine bundesweit repräsentative Befragung von Studierenden, die Auskunft über das Sozialprofil sowie die wirtschaftliche und soziale Situation der Studierenden an deutschen Hochschulen gibt. Sie wird seit 1952 durchgeführt und ist somit auch ein Spiegel deutscher Sozialgeschichte. An der 20. Sozialerhebung beteiligten sich mehr als 15.000 Studierende an deutschen Hochschulen. Weitere Informationen und Download der 20. Sozialerhebung unter www.sozialerhebung.de (tm)
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