Wie wir Bewegungsabfolgen erlernen
Egal ob es darum geht, einen Ball zu fangen oder nach einem Glas zu greifen – Visuomotorik erlaubt es uns, Bewegungen zu planen und zu koordinieren. Wie Forschungsarbeiten der Donau-Universität Krems zeigen, leisten visuelle und motorische Impulse einen unterschiedlich starken Beitrag zum Bewegungslernen und werden auch zu verschiedenen Zeitpunkten relevant. Die Untersuchungsergebnisse könnten die Trainingserfolge im Sport verbessern und bergen neue Ansätze für die Neurorehabilitation nach Schlaganfällen.
Wenn wir zielgerichtete Bewegungen ausführen, handelt es sich meist nicht um Einzelbewegungen, vielmehr sind es Bewegungssequenzen: „Beim Gehen machen wir nicht nur einen Schritt, sondern mehrere zusammenhängende Schritte. Genauso verhält es sich auch, wenn wir Sport betreiben, kochen oder schreiben – ständig führen wir geordnete Abfolgen von Bewegungen durch“, erklärt Priv.-Doz. Mag. Dr. Georg Dirnberger vom Department für Klinische Neurowissenschaften und Präventionsmedizin der Donau-Universität Krems. Wie aber lernen wir, solche Bewegungssequenzen durchzuführen? Über optische Wahrnehmungen, rein über die Ausführung der Bewegungen oder mittels beider Mechanismen?
Um zu unterscheiden, welchen Anteil visuelle Reize und motorische Impulse am Bewegungslernen haben und wie sie sich im Zeitverlauf verhalten, hat Dirnberger gemeinsam mit KollegInnen eine neue Methode entwickelt, die auf seriellen Reaktionszeitaufgaben beruht. „Damit konnten wir zeigen, dass das Lernen über visuelle Reize unabhängig von den motorischen Mechanismen funktioniert. Das motorische Lernen setzt später ein und sein Beitrag wird erst mit der Zeit relevant“, berichtet Dirnberger.
In weiterer Folge untersuchten die ForscherInnen, welche Rolle verschiedene Areale des menschlichen Gehirns beim visuomotorischen Lernen spielen und konzentrierten sich dabei vor allem auf das Kleinhirn. Gerade nach einer Schädigung des Kleinhirns, etwa durch einen Schlaganfall, sind das visuomotorische Lernen und der Abruf des Gelernten besonders stark beeinträchtigt. „Das macht sich auch bei übermäßigem Alkoholgenuss bemerkbar. Alkohol ist ein starkes Kleinhirngift und daher können wir uns nicht auf den Beinen halten, wenn wir zu viel getrunken haben“, erklärt Dirnberger.
Eine Studie an PatientInnen mit Kleinhirnschädigung nach einem Schlaganfall führte schließlich zu einem überraschenden Ergebnis. Entgegen früherer Annahmen war bei den PatientInnen weniger die Organisation der Bewegungsabläufe gestört, sondern bereits – auf einer früheren Stufe – die Verarbeitung der Sinnesreize. „Wenn sich diese Ergebnisse bestätigen lassen, kann das ein wichtiger Schritt für die Optimierung der neurologischen Rehabilitation sein“, meint Dirnberger. Nun geht es zunächst darum, zu versuchen, bei gesunden Personen den Trainingserfolg im Sport zu verbessern, indem der Fokus zu bestimmten Zeitpunkten im Trainingsverlauf entweder auf visuelle Stimuli oder auf Bewegungen gelegt wird.
Studie zur Erfassung des Beitrags visueller und motorischer Mechanismen am Bewegungslernen: Dirnberger et al.: Motor and perceptual sequence learning: different time course of parallel processes. NeuroReport 2013 Jul; 24(10): 578-583
Vergleichende Studie an einer Gruppe von PatientInnen nach Kleinhirn-Schlaganfall und gesunden Kontrollpersonen: Dirnberger et al.: Perceptual Sequence Learning Is More Severely Impaired than Motor Sequence Learning in Patients with Chronic Cerebellar Stroke. Journal of Cognitive Neuroscience. 2013 Dec; 25 (12): 2207-2215
Weitere Informationen:
http://www.donau-uni.ac.at/kmp