Lehramtsstreit: Weiter viele offene Fragen
Präsidium weist Vorwürfe gegen Präsident Fouquet zurück
Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) hat kein Interesse an einem Bruch mit der Universität Flensburg (UF). Dies stellten Vertreterinnen und Vertreter der Landesuniversität heute (Montag, 5. Mai) nochmals öffentlich klar. Seit Beginn der Diskussion über ein neues Lehrkräftebildungsgesetz in Schleswig-Holstein habe sich die CAU stets an der Sache orientiert und entsprechende Fragen gestellt.
„Noch am vergangenen Freitagmorgen, also am 2. Mai, habe ich dem Präsidenten der Universität Flensburg vor dem gemeinsamen Gespräch in Schleswig schriftlich mitgeteilt, dass sich die politische Auseinandersetzung der letzten Zeit um den Entwurf des Lehrerbildungsgesetzes nicht gegen die Universität Flensburg und gegen die Integrität der dortigen Kolleginnen und Kollegen richtet. Es geht uns um die Sache und die Wahrung unserer eigenen Unverletzlichkeit als die Volluniversität des Landes Schleswig-Holstein“, erklärte CAU-Präsident Professor Gerhard Fouquet.
Lediglich dort, wo der Umgang mit der Universität Kiel taktlos gewesen sei, habe man sich in den vergangenen Wochen verteidigt. Die Universität Kiel setze auch weiterhin auf die Kraft des Argumentes, so der Historiker weiter. Fouquet: „Wer mich kennt, weiß: Ich bin ein Mann des Konsenses. Dass ich in der Vergangenheit in vielen vertrackten Situationen immer wieder eine Lösung zum Wohle aller gesucht habe, hat mir durchaus auch Kritik im eigenen Haus eingebracht. Im vertraulichen Gespräch mit Flensburg habe ich lediglich meine große Sorge geäußert, dass wir in eine Situation hineinzulaufen drohen, in der Argumente nicht mehr viel gelten könnten. Vielleicht war meine Wortwahl drastisch. Aber wir haben niemandem gedroht und werden niemandem drohen. Das Thema liegt jetzt im Parlament.“
Es tue der Kieler Hochschulleitung ausgesprochen leid, dass die Gespräche zwischen CAU und UF schon in der ersten Runde an einen Punkt gekommen seien, an dem die Universitäten nicht mehr zueinander finden konnten und ergebnislos abgebrochen werden mussten, bestätigten Vizepräsident Professor Frank Kempken, Vizepräsidentin Professorin Birgit Friedl und Kanzler Frank Eisoldt, die in Schleswig mit am Tisch saßen: „Die diffamierenden Äußerungen der Herren Reinhart und Danker gegen unseren Präsidenten weisen wir jedoch entschieden zurück. Wer ein solch entscheidendes Gespräch mit der Unterstellung beginnt, dass man Gerhard Fouquet nicht trauen könne, der muss sich im Nachgang nicht so darstellen, wie es im besagten Interview geschah.“
Kiel habe die Integrität der Universität Flensburg im gesamten Streit niemals infrage gestellt – auch daher verstehe man die Äußerungen der Flensburger Hochschulleitung nicht. Fouquet: „Wir wollen lediglich von der Landesregierung wie von der Universität Flensburg drei einfache Fragen beantwortet haben. Denn es ist sehr wohl unser gutes Recht, in einem gedeckelten Gesamthochschulhaushalt des Landes zu wissen, wo langfristig größere Verschiebungen zu Lasten einer einzelnen Hochschule oder aller gehen, wie der komplette Ausbau der Universität Flensburg auf Sekundarstufen II-Niveau strukturell angegangen und in welcher zeitlichen Abfolge er umgesetzt werden soll.“
Diese drei Fragen lauten:
1. Welchen bildungspolitischen Sinn ergibt der Aufbau einer nahezu flächendeckenden Doppelstruktur im künftigen Sekundarlehramt II in Flensburg, wenn die Schüler- und Schülerinnenzahlen in den nächsten Jahren zurückgehen und ab 2017 die Landesregierung selbst die Zahl der Referendariatsplätze reduzieren wird? Überdies wird durch diese Doppelstruktur in Fächern wie Deutsch und Geschichte das bestehende Überangebot an Absolventinnen und Absolventen noch erhöht.
2. Wie bewältigt die Universität Flensburg strukturell, finanziell, qualitativ und in welcher genauen zeitlichen Erstreckung den kompletten Ausbau ihrer bisherigen, lediglich auf Grundschul- und Sekundarstufe I (Haupt- und Realschule) ausgerichteten Strukturen auf das völlig neue Sekundarlehramt? Und welche Auswirkungen hat das konkret auf andere Standorte?
3. Wie können unter der Annahme einer gewollten besten Ausbildung im Lehramt und unter Berücksichtigung der nun einmal in Flensburg gegenwärtig bestehenden Strukturen, die von Sekundarstufe I geprägt sind, in einer vermutlich etwa 10 bis 15 Jahre währenden Ausbauphase Studierende dort zielgerichtet zu welchen Abschlüssen geführt werden, wenn die Fächer für das Sekundarstufenlehramt noch nicht entsprechend mit den vorgesehenen Professuren entwickelt sind und die von der CAU angebotene Kooperation nicht gewollt wird?
Weitere offene Fragen betreffen die praktische Umsetzung der Novelle im Hinblick auf das Praxissemester (landesweites Semesterticket), aber auch die weitreichenden schulpolitischen Folgen wie die Besoldung, die Lehrkräfteplanung oder Beschäftigungsoptionen des Nachwuchses. Die CAU habe lediglich an einer Stelle, nämlich beim Ausbau der naturwissenschaftlichen Fächer, auf die enorme Kostenwelle aufmerksam gemacht, die in der Folge der Gesetzesnovelle auf das Land zukommen würde. „Es wäre jetzt an Landesregierung und Universität Flensburg den Nachweis zu erbringen, dass und wie dies in allen Fächern gelingen kann. Und was es kostet. Die CAU ist überzeugt davon, schon bei den vier Naturwissenschaften den Nachweis erbracht zu haben, dass dies unter der Annahme einer bestmöglichen Lehramtsausbildung und einer Schuldenbremse nur durch Umverteilung innerhalb des Gesamthochschuletats des Landes möglich ist. Deswegen haben wir alles Recht dazu zu verlangen, dass nun endlich die Karten auf den Tisch gelegt werden, bevor über sieben, dreizehn oder vielleicht sogar mehr Fächer auf Sekundarlehramtsniveau II in Flensburg gesprochen wird. Der eingebrachte Gesetzentwurf ist in dieser Hinsicht unentschieden. Er spricht bislang von allen Fächern der Universität Flensburg“, stellte Fouquet noch einmal klar.
Grundsätzlich teile die CAU in vielen Punkten durchaus die inhaltlichen Ziele des Gesetzes, bekräftigten die Präsidiumsmitglieder abschließend: „Wir sind daher weiter bereit, uns an einer sachgerechten Diskussion über eine fundierte und zukunftsgerechte Lehrkräfteausbildung zu beteiligen. Allerdings nur auf der Grundlage kompetenter externer Expertise, seriöser Berechnungen sowie einer klaren und nachvollziehbaren mittel- und langfristigen Projektplanung. Alles andere würde aus unserer Sicht angesichts der bereits existierenden massiven Unterfinanzierung aller Bildungsbereiche im Land der Komplexität und Bedeutung dieser Aufgabe für die zukünftige Entwicklung Schleswig-Holsteins nicht gerecht.“ Man brauche dazu weitere Expertenmeinungen. „Eine Mediation zwischen UF und CAU wird nicht mehr benötigt. Die Verantwortung für die Schulpolitik liegt beim Land. Es muss jetzt den erheblichen Zielkonflikt mit der Wissenschaftspolitik auflösen.“
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