Nobelpreisträger eröffnet Heiligenstädter Kolloquium 2014 des iba
Prof. Dr. Dr. hc. Erwin Neher spricht über seine Forschungsarbeiten zu Ionenkanälen.
Große Freude herrscht derzeit bei den Mitarbeitern des Heiligenstädter Instituts für Bioprozess- und Analysenmesstechnik. Mitten in der Vorbereitung zum 17. Heiligenstädter Kolloquium, das das Institut vom 22.-24.09.2014 ausrichtet, erreichte sie die Zusage, dass Prof. Dr. Erwin Neher, Nobelpreisträger für Medizin des Jahres 1991, den Plenarvortrag zur Eröffnung der Tagung halten wird. Professor Neher war bis 2011 Direktor des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie in Göttingen.
Professor Neher erhielt den Nobelpreis gemeinsam mit seinem Kollegen und Freund, Professor Bert Sakmann, für die Entdeckung der Ionenkanäle*. Das sind porenartige Strukturen in den Zellmembranen, die als Reaktion auf chemische oder elektrische Reize öffnen und schließen und damit ermöglichen, dass Ionen zwischen dem Zellinneren und Zelläußeren wandern können. Damit ist ein Stromfluss verbunden. Neher und Sakman haben federführend eine Methode entwickelt (die sog. Patch-Clamp-Technik), die es ermöglicht hat, diese Ströme 100 bis 1000 mal empfindlicher zu messen als das bis dahin der Fall war, auch an einem einzelnen Ionenkanal.
Ein solcher Ionenkanal besteht aus speziellen Proteinmolekülen und ist mikroskopisch klein (der Durchmesser ist etwa ein Zehntel Nanometer, das ist der millionste Teil eines Millimeters). Ionenkanäle übernehmen eine Vielzahl von Funktionen in allen Zellen und Geweben, u.a. den Transport von Flüssigkeiten, vor allem aber auch die Übertragung von Signalen. Sie ermöglichen somit die Kommunikation von Zellen, so dass sich beispielsweise alle Zellen des Herzmuskels synchron zusammenziehen oder ausdehnen, aber auch die Übertragung von Informationen durch Zellen des Nervensystems.
Mit dieser Technik wurde es z. B. möglich, die Wirkung von Medikamenten besser zu untersuchen oder neue Medikamente zu entwickeln. Sie ist heute weit verbreitete Grundlage für derartige Untersuchungen und wird im iba ebenfalls angewendet. „Man kann wohl ohne Übertreibung sagen, dass diese neue Methode … an wissenschaftlicher Bedeutung für die Biologie dem sichtbaren Beweis atomarer Teilchen gleichkommt“, äußerte damals ein anderer Nobelpreisträger, der Brite Sir Bernard Katz, über diese Entdeckung.
Was den Vortrag für die Heiligenstädter Tagung neben der Tatsache, dass man einen Nobelpreisträger zu Gast hat, besonders interessant macht, ist der interdisziplinäre Ansatz der wissenschaftlichen Arbeiten, die zum Nobelpreis geführt haben. Die Heiligenstädter Kolloquien pflegen von jeher solche Themen als Tagungsschwerpunkte, die zwischen Technik und Lebenswissenschaften angesiedelt sind. Daher auch das Thema der Konferenz: „Technische Systeme für die Lebenswissenschaften“.
Die Einladung an Professor Neher erfolgte durch Professor Beckmann, Direktor des iba, vor dem Hintergrund, dass in dem Heiligenstädter Forschungsinstitut selbst zur Bioimpedanzspektroskopie geforscht wird. Mit dieser sensitiven Methode kann man beispielsweise Zellen und Geweben auf ihre Vitalität untersuchen. Anwendung findet sie in der Medizin, aber auch in der Bio- und Lebensmitteltechnologie. Beckmann hatte den Nobelpreisträger deshalb schon zu der 2013 vom iba ausgerichteten internationalen Tagung – mit mehr als 230 Wissenschaftlern aus 32 Ländern - eingeladen. Neher war allerdings damals die Teilnahme wegen einer anderen Verpflichtung nicht möglich gewesen. Umso mehr fühlen sich die Heiligenstädter Wissenschaftler jetzt durch seine Zusage geehrt.
* Medizin-Nobelpreis "für ihre Entwicklung einer Methode zum direkten Nachweis von Ionenkanälen in Zellmembranen zur Erforschung der Signalübertragung innerhalb der Zelle und zwischen Zellen".
Weitere Informationen:
http://www.iba-heiligenstadt.de/kolloquium/