Dr. Susanne Höing erhält den Wissenschaftspreis 2014 des Düsseldorfer Industrie-Clubs
Den Wissenschaftspreis 2014 des Industrie-Club Düsseldorf und der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste erhält die 34-jährige Münsteranerin Dr. Susanne Höing für die Entwicklung eines stammzellbasierten Testverfahrens für Wirkstoffe gegen neurodegenerative Erkrankung wie z. B. Morbus Parkinson, die Alzheimer-Krankheit oder die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS).
Frau Höing verbinde exzellentes wissenschaftliches Denken mit hohem technischen Können, ihre Arbeit habe zudem unmittelbaren praxisrelevanten Nutzen bei der Entwicklung von neuen Medikamenten, so die Jury in ihrer Begründung.
Das Verfahren von Frau Höing wird bei der Suche nach Substanzen eingesetzt, die wirksamer als bislang auf dem Markt vorhandene Medikamente sind. Im Idealfall sollen solche Medikamente künftig den Verlauf von neurodegenerativen Erkrankungen verlangsamen oder sogar aufhalten.
Zur Person:
Frau Dr. rer. nat. Susanne Höing absolvierte 2001 ihre Ausbildung als Medizinisch-Technische Laboratoriumsassistentin und nahm nach einem Jahr Berufspraxis das Studium der Molekularen Biologie an der Westfälischen Hochschule in Recklinghausen auf.
Ihre Masterarbeit verfasste sie am CBR Institute for Biomedical Research,
Harvard Medical School, Boston.
Nach Abschluss des Studiums trat sie 2007 eine Promotionsstelle in der von Prof. Dr. Hans R. Schöler geleiteten Abteilung für Zell- und Entwicklungsbiologie am Max-Planck-Institut für Molekulare Biomedizin in Münster an, wo sie auch als Postdoktorandin ihre Arbeiten zu stammzellbasierten Testverfahren weiter fortführt.
Für ihre Dissertation „Phenotypic Screening for Neurodegenerative Drug Discovery
using Mouse and Human Stem Cells” erhielt sie 2013 den MTZ®-MPI-Award.
Der Wissenschaftspreis:
Der Industrie-Club Düsseldorf verleiht in Zusammenarbeit mit der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste den Wissenschaftspreis, der mit 20.000 Euro dotiert ist. Der Preis, der seit 1997 in den Disziplinen Physik, Chemie, Medizin verliehen wird, wendet sich an junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Nordrhein-Westfalen.
Neben dem Preisgeld erhält der/die Nachwuchsforscher/ Nachwuchsforscherin die Gelegenheit, am jährlichen Treffen der Nobelpreisträger in Lindau teilzunehmen.
Der Preis wird in diesem Jahr zum 17. Mal verliehen. Er soll praxisrelevante und anwendungsorientierte Forschung fördern, deren Ergebnisse einen innovativen Impuls für die Wirtschaft geben können.
Zum Hintergrund:
Entwicklung stammzellbasierter Modelle neurodegenerativer Erkrankungen
In unserer alternden Gesellschaft nimmt die Häufigkeit neurodegenerativer Erkrankungen wie z. B. Morbus Parkinson, die Alzheimer-Krankheit oder die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) immer weiter zu. Trotz jahrzehntelanger Forschung stehen kaum Therapien zur Verfügung, die den Krankheitsverlauf verlangsamen, geschweige denn aufhalten könnten. Die Entwicklung neuer Arzneistoffe wird durch die Tatsache erschwert, dass wir bislang nur sehr wenig wissen über die Mechanismen von ALS und der anderen neurodegenerativen Erkrankungen. Ohne dieses Wissen ist es aber nicht möglich, nach potentiellen Wirkstoffen zu suchen, die spezifische krankheitsrelevante Ziele regulieren könnten. Phänotypische Modelle, die die Erkrankung oder einzelne ihrer Aspekte in der Kulturschale widerspiegeln, eröffnen die Möglichkeit eines Paradigmenwechsel in der Arzneimittelforschung. Hierbei können in einem Zellsystem mit physiologisch und pathophysiologisch relevanten Prozessen neue Wirkstoffe entdeckt, getestet und validiert werden.
Neurodegenerative Erkrankungen sind unter anderem durch den Verlust spezifischer Neuronensubtypen im Zentralnervensystem (ZNS) gekennzeichnet. Bei ALS sterben die Nervenzellen ab, die für die Muskelbewegung verantwortlich sind (Motoneurone). Dies führt bei zunehmender Muskelschwäche und Lähmungen letztendlich zum Tod. Es gibt deutliche Indizien dafür, dass entzündliche Prozesse im ZNS eine entscheidende Rolle im Verlauf der Krankheit ALS spielen. Daher mussten für die Entwicklung eines Zellmodells der ALS drei verschiedene Zellarten, nämlich Motoneuronen, Astrozyten und Mikrogliazellen, die Immunzellen des ZNS, in geschickter Weise kombiniert werden. Anhand dieses Modells hofft man, neue Wirkstoffe zu entdecken, die das Absterben der Nervenzellen verhindern.
Die einzigartigen Fähigkeiten von Stammzellen machen sie zum idealen Ausgangszelltyp für phänotypische Arzneimittelforschung. Durch ihre Fähigkeit zur Selbsterneuerung und zur Differenzierung in spezialisierte Zellen ermöglichen Stammzellen die Generierung von beliebig vielen homogenen und funktionsfähigen Zellen. Mit dem jetzt etablierten Modell wurden bis dato mehr als 66.000 Substanzen getestet und konnten neuroprotektive Wirkstoffe identifizieren werden. Sekundäre Untersuchungsverfahren zeigten, dass die Substanzen über verschiedene Mechanismen wirken. So wurden z. B. Wirkstoffe identifiziert, die die entzündliche Aktivierung der Mikrogliazellen hemmen oder die Nervenzellen sogar direkt vor diesen entzündlichen Prozessen schützen. Einige Substanzen wirken über Aktivierung des Nrf2-Signalweges, der bereits im Tierversuchsmodell unter Anderem für ALS als neuroprotektiv beschrieben wurde und somit großes Potential besitzt, in Zukunft zu einem Arzneistoff entwickelt zu werden. Des Weiteren wurde eine Klasse neuer Kinase-Inhibitoren identifiziert, die Motoneurone vor Degeneration schützen.
Die identifizierten Wirkstoffe haben großes Potential für die Arzneimittelentwicklung. Das gilt nicht nur für ALS, sondern auch für andere neurodegenerative Erkrankungen. Die Ergebnisse sind darüber hinaus der Beweis, dass phänotypische Screenings anhand stammzellbasierter Erkrankungsmodelle eine effektive Strategie zur Entdeckung neuer Wirkstoffe darstellen.
Weitere Informationen:
http://www.awk.nrw.de
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