Öffentliche Herbstsitzung mit Vortrag von Karlheinz Brandenburg
Die Sächsische Akademie der Wissenschaften lädt am 12. Dezember um 16.00 zu ihrer Öffentlichen Herbstsitzung ein: u.a. mit einem Vortrag des Erfinders des MP3-Formats, Karlheinz Brandenburg, und der Verleihung des Nachwuchsförderpreises an Riccarda Henkel für ihre Promotion über die Gesellschaft der freyen Künste zu Leipzig.
PROGRAMM
Begrüßung durch den Präsidenten Pirmin-Stekeler-Weithofer
Karlheinz Brandenburg (TU Ilmenau, Erfinder des MP3-Formats)
Räumliches Hören: aktuelle Forschungsergebnisse zur Funktion von Gehör und Gehirn
Verleihung des Nachwuchsförderpreises an Dr. Riccarda Henkel für ihre Promotion Die
Gesellschaft der freyen Künste zu Leipzig. Eine ‚Gottschedsche‘ Sozietät als Beispiel des
aufklärerischen Wissenschaftsdiskurses (dotiert mit 1000€, verliehen vom Förderverein der
Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig)
Rolf Sauer (Universität Erlangen-Nürnberg)
Multimodale Therapie in der Onkologie am Beispiel des Rektumkarzinoms
Das musikalische Rahmenprogramm bestreiten Daniel Tauber – Violine (Finalteilnehmer beim XIX. Internationalen Bachwettbewerb Leipzig 2014) und David Erzberger – Cembalo.
Im Anschluss lädt der Präsident zum feierlichen Jahresabschluss in das Haus der Akademie ein, wo auch die neueste Ausgabe des Akademiejournals „Denkströme“ zur Mitnahme ausliegt.
HINTERGRUNDINFOS
Karlheinz Brandenburg
Professor für elektronische Medientechnik an der TU Ilmenau und Leiter des Fraunhofer-Institutes für Digitale Medientechnologie in Ilmenau; Ordentliches Mitglied der Technikwissenschaftlichen Klasse seit 9. Februar 2007.
Vortrag: Räumliches Hören: aktuelle Forschungsergebnisse zur Funktion von Gehör und Gehirn
Der Traum von „High Fidelity“, dem originalgetreuen Klang, begleitet uns seit den ersten Versuchen, Töne mechanisch aufzuzeichnen. Seit den Zeiten Edisons gibt es große Fortschritte, trotzdem wünschen sich viele Musikliebhaber einen noch perfekteren Klang. Kurz gesagt: In Mono funktioniert alles sehr gut, eine räumliche Illusion zu erzeugen, ist immer noch schwierig.
Um zu verstehen, was heute möglich ist und was aktuelle Forschungsergebnisse zukünftig ermöglichen können, brauchen wir ein besseres Verständnis von der Funktion von Gehör und Gehirn, von der Mechanik im Mittel- und Innenohr bis hin zur Kognition, also zu den (vermuteten) Mechanismen des Entstehens eines Höreindrucks.
Am besten untersucht sind die sogenannten Maskierungseffekte: Unser Gehör gibt nur einen Teil der Information an den Hörnerv und insbesondere an die höheren Schichten der Verarbeitung im Gehirn weiter, viel ist nicht hörbar. Das sind die in den aktuellen Audiocodierverfahren wesentlich genutzten Effekte aus der Psychoakustik.
Räumliches Hören geschieht über unsere zwei Ohren und die gemeinsame Verarbeitung der Signale im Gehirn, aber auch über die Veränderung des Klangs je nach Einfallsrichtung, die sogenannten „Head Related Transfer Functions (HRTF)“. An dieser Stelle ist unser Verständnis noch unvollständig: In aktuellen Lehrbüchern lernen wir noch, dass es reicht, die Signale exakt so zu reproduzieren, wie sie das Trommelfell erreichen. Das stimmt nach heutigem Stand nicht. Unsere Erwartungen, die Umgebung, in der wir Musik hören, was wir sehen – alles hat Einfluss auf den Höreindruck. Technisch ausgedrückt bedeutet das: Betrachtet man Gehör und Gehirn als System, sind sie nicht „LTI“ (Linear Time Invariant), sondern nichtlinear und zeitvariabel.
Der Vortrag stellt aktuelle experimentelle Ergebnisse zu diesen Themen vor, zeigt aber auch die Folgerungen auf, die wir für unser Erlebnis der Tonqualität von Hifi-Anlagen und die Möglichkeiten immersiven Klangs daraus ziehen müssen. Gerade zum Thema der vollkommenen akustischen Illusion gibt es zurzeit eine Reihe neuer Ergebnisse: Mittels Verfahren der Wellenfeldsynthese oder auch von „Ambisonics“ wird die Klangwiedergabe wieder ein Stück überzeugender. Aktuell befinden sich die Technologien gleichzeitig in der Grundlagenforschung, in der Standardisierung und in den ersten Anwendungen. Auch diese Anwendungen werden (leider nur im Bild) vorgestellt.
Rolf Sauer
em. Professor für Medizinische Radiologie an der Universität Erlangen-Nürnberg; Ordentliches Mitglied der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse seit 13. März 1992.
Vortrag: Multimodale Therapie in der Onkologie am Beispiel des Rektumkarzinoms
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit aller onkologisch Tätigen ist das Gebot der Stunde. Konkurrenzdenken zwischen den einzelnen Fachgebieten in den Bereichen der Diagnostik, Therapie und Grundlagenforschung um den Vorrang bzw. einen Führungsanspruch ist sinnlos und gefährlich. In der Bundesrepublik war ein derartiges Anspruchsdenken „wem gehört der Patient?“ deutlicher ausgeprägt als in der ehemaligen DDR. Dem steuern die Bundesministerien und die Deutsche Krebshilfe seit den 70er Jahren entgegen durch die Förderung von Onkologischen Arbeitskreisen, Tumorzentren und von interdisziplinärer klinischer Forschung.
Eines der Paradebeispiele für den Gewinn solcher Zusammenschlüsse ist die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Rektumkarzinoms, vor allem natürlich für den jeweiligen Patienten, aber auch für das internationale Renommee der deutschen klinischen Wissenschaft. Angesprochen sind hier die Gastroenterologen, Radiologen, Pathologen, Chirurgen, Strahlentherapeuten, die internistischen Onkologen und die Hausärzte. Und persönliche Freundschaften bzw. Respekt spielen hier eine nicht zu unterschätzende Rolle. Das wird am Beispiel des Enddarmkrebses vorgestellt.
Die Karzinome des Dick- und Enddarms nehmen in allen Industrienationen zu – gegenwärtig bei Männern 40/100000 und bei Frauen 30/100000 jährlich. Dies wird ursächlich auf Ernährungsgewohnheiten, Bewegungsmangel, Fettleibigkeit und und eine Reihe von Risikofaktoren wie familiäre Polypose, chronische entzündliche Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn), Dickdarmpolypen und das Vorhandensein des hereditären nichtpolypösen Kolonkarzinom-Gens (HNPCC) zurückgeführt. Auch frühere Krebserkrankungen der Brust, des Ovars und des Uterus erhöhen das Erkrankungsrisiko.
Zurzeit beschäftigt sich die klinische Forschung mit der Sequenzoptimierung der einzelnen Behandlungsschritte, mit der Einsparung von Toxizität, Vermeidung von Überbehandlung, Funktionserhalt und der Identifizierung von individuellen Risikomarkern. Meist sind dazu prospektive Phase III-Studien erforderlich.
Riccarda Henkel
Die Gesellschaft der freyen Künste zu Leipzig. Eine „Gottschedsche“ Sozietät als Beispiel des aufklärerischen Wissenschaftsdiskurses (Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte, Bd. 38), Stuttgart 2014.
Sozietäten entwickelten sich im 18. Jahrhundert zu einem festen Bestandteil der Res Publica Litteraria. Sie dienten der Beschäftigung des Einzelnen mit wissenschaftlichen Themen und bildeten den Rahmen für einen angeregten gelehrten Austausch. Somit spiegeln Gelehrte Sozietäten die vielfältigen Interessen der Aufklärungsgesellschaft wider und sind Teil der Kommunikation neuer Wissenschaftsfelder. Dabei kann vor allem für den mitteldeutschen Raum und insbesondere für Leipzig von einer blühenden Sozietätslandschaft gesprochen werden.
Die vorliegende Arbeit stellt in diesem Zusammenhang eine Einzelstudie über die 1752 gegründete Gesellschaft der freyen Künste zu Leipzig dar. Entstehung, Organisation und Entwicklung der Sozietät werden detailliert untersucht, ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Auswertung der Sozialstruktur der Mitglieder. Ihre thematische Ausrichtung auf die "Schönen Wissenschaften und freyen Künste" wird in den zeitgenössischen wissenschaftshistorischen Kontext gesetzt und damit die letzte Schaffensphase von Johann Christoph Gottsched beleuchtet. Zudem wird die Bedeutung Gottscheds in den 1750er und 1760er Jahren anhand zeitgenössischer Quellen neu bewertet.
Weitere Informationen:
http://www.saw-leipzig.de/de/presse/pressemitteilungen/2014_pm17_12_04_herbstsitzung-der-akademie.pdf/view
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