Fakultät Angewandte Sozialwissenschaft gründet Forum „Junge Menschen und Familien“
Professor Adams: „Flüchtlinge können nicht darauf warten, bis wir mal Zeit haben“ – schnelles Handeln sei gefragt
Viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge schlafen nach der Ankunft in Deutschland anfangs in Alltagskleidung, das Licht muss nachts anbleiben, der Rucksack steht immer griffbereit. Obwohl viele der Kinder und Jugendlichen traumatisiert sind, Schussverletzungen ausweisen, Krieg und/oder Flucht erleben mussten, sind sie meist lernwillig und möchten langfristig im Land bleiben. Im Jahr 2014 kamen 3.800 junge Flüchtlinge unterschiedlicher Herkunft nach Bayern – ein Zuwachs zum Vorjahr um etwa 3.400. Aktuell fehlen etwa 2.500 Betreuungsplätze in stationären Jugendeinrichtungen. In Unterfranken sind 143 sogenannte Inobhutnahme- und Clearingplätze bereitgestellt worden, in diesem Jahr sollen ca. neunzig weitere geschaffen werden vor allem auch Verselbständigungsplätze für beinahe erwachsene Jugendliche, 2016 zusätzliche 230 Plätze in der Jugendhilfe mit 52 Inobhutnahmeplätzen (www.inobhutnahme-bayern.de). Diese aktuelle Situation stellt Politik, Gesellschaft und Hochschulen als Ausbildungsträger vor neue Herausforderungen: „Die Flüchtlinge“, so Professor Gunter Adams von der Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt, „können nicht darauf warten, bis wir mal Zeit haben“.
In seiner Funktion als Beauftragter für den „Campus Community Dialogue“ hat Adams sich zum Ziel gesetzt, die Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Praxis zügig zu intensivieren und auf eine systematische Grundlage zu stellen. 2014 wurde daraufhin ein Steuerungsgremium gegründet, das „Campus Community Advisory Board“: Hier treffen sich die Vertreter der unterfränkischen Spitzenverbände mit den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe und der Regierung von Unterfranken sowie der Bezirksregierung, um mit Hoch-schulvertretern den Praxis-Hochschul-Dialog zu koordinieren und zu steuern. Im Zuge der Gründung des Forums „Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ trafen sich rund vierzig Vertreter stationärer Einrichtungen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und Träger für Vormundschaften sowie Vertreter aller Jugendämter aus Unterfranken.
Im Fokus des Interesses der Teilnehmer des Forums stehen vor allem folgende Aspekte: die Vernetzung aller Beteiligten, Therapieangebote, die Schaffung von verbindlichen Standards, die Bereitstellung von einer adäquaten Beschulung bzw. Beschäftigung sowie die Lösung bei Immobilienanfragen. In einem Fragebogen der Hochschule zur Bedarfsermittlung für Vormünder, Mitarbeiter der Jugendhilfe und Richter in Familiengerichten zeigten die Ergebnisse auf, daß sie sich dringend Qualifizierungsmaßnahmen wünschen in den Bereichen Aufenthalts-, Asylrecht sowie Jugendhilfe, in den Modulen Schule und Berufsvorbereitung, Gesundheit und Trauma sowie in der Interkulturellen Kompetenz, hier explizit das Verständnis über das jeweilige Herkunftsland und seine kulturelle Prägung.
Kurzfristig wird die Hochschule Würzburg-Schweinfurt eine Plattform bereitstellen für den direkten, schnellen Austausch. Darüber hinaus hat Professorin Dr. Dagmar Unz einen Förderantrag gestellt, um über die Produktion einer Web-Soap in Kooperation mit dem FHWS-Studiengang Medienmanagement das Erlernen der deutschen Sprache und des Alltags sowie der Kultur zu erleichtern.
Im Bachelor-Studiengang Soziale Arbeit können sich an der Migrationsthematik interessierte Studierende bereits ab dem ersten Semester fortbilden und in den Wahlfächern entsprechende Handlungsfelder wählen bzw. ein Praxissemester im Bereich der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge belegen; als Vertiefungsmodul steht die „Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft“ auf dem Studienprogramm. Die Fakultät Angewandte Sozialwissenschaft hat für eine weitere, vertiefende Qualifizierungsmöglichkeit die Konzeptionsförderung für einen „Fernzertifikatsstudiengang „Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ beim Asyl-, Migrations- und Integrationsfond der Europäischen Union beantragt. Auch die Einrichtung eines Präsenzstudiengangs im Weiterbildungssektor ist in der Diskussion.
Die Fachtagung der Fakultät zum Thema „Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ im Oktober letzten Jahres wurde von 800 Teilnehmern besucht und zeigte deutlich, dass zum einen ein erheblicher Kooperations- und Kommunikationsbedarf zwischen den Anbietern der Hilfen für diese Zielgruppe besteht, zum anderen ein großer Fachkräftemangel für diese Arbeit vorliegt. Die klassische, herkömmliche Sozialarbeit sowie die Ausbildung sei im Umgang mit diesen Kindern und Jugendlichen nicht mehr ausreichend, so Adams, es ginge nicht primär nur um das alltägliche „Zurechtkommen und Zurechtfinden“ in der Gesellschaft, vielmehr sei ein sogenanntes „Case Management“ gefragt: Benötigt werde eine bedarfsgerecht auf den einzelnen Menschen individuell zugeschnittene und abgestimmte Hilfe, Förderung und Unterstützung.
Weitere Informationen zum Campus Community Dialogue unter http://fas.fhws.de/campus_community_dialogue.html.
Weitere Informationen:
http://www.fhws.de
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