Wundermaterial Graphen goes Textile
Oberflächenbeschichtung setzt neue Maßstäbe bei Persönlicher Schutzausrüstung
(PSA)
BÖNNIGHEIM (sre) Was hat ein Graphit-, oder Bleistift mit einer spektakulären
Entdeckung in der Welt der Materialforschung gemeinsam? „Graphen“ -Graphen ist
eine einzelne Kohlenstoffschicht von der Dicke eines Atoms und der Form einer aus
einzelnen Sechsecken bestehenden Honigwabe (siehe Infokasten 1). Diese wenige
Nanometer dünne Schicht ist nur unter einem Rastertunnelmikroskop zu erkennen und
beinhaltet die Technologie von morgen. Der Werkstoff ist multifunktional: superdünn
und daher transparent, extrem strom- und wärmeleitfähig, zugfester als Stahl und
dennoch flexibel und abriebbeständig und undurchlässig gegenüber Gasen.
Durch diese vielversprechenden Eigenschaften von Graphen sind in der Industrie
viele Verwendungsmöglichkeiten denkbar. Während die Forschung hauptsächlich
im Bereich Leitfähigkeit vorangetrieben wurde, fand die Anwendung von Graphen
im textilen Sektor bisher wenig Beachtung. Hier setzt ein Forschungsvorhaben von
Wissenschaftlern des Hohenstein Instituts für Textilinnovation gGmbH aus Bönnigheim
in Kooperation mit den Firmen IoLiTec Ionic Liquids Technologies GmbH aus Heilbronn
und FUCHSHUBER TECHN O-TEX-GmbH aus Lichtenstein, sowie den belgischen
Projektpartnern Centexbel und Soieries Elite an. Das Team um Projektleiter Dr.
Roshan Paul, bearbeitet im Rahmen des EU - Forschungsprogramms „M-era.Net“
das deutsche Teilprojekt mit dem Titel „GRAFAT – Oberflächenmodifizierung von
Textilien für Hitzeschutzkleidung mittels Graphen“ (Förderkennzeichen 03X0157A).
„In den nächsten drei Jahren erforscht das Konsortium inwieweit die Oberfläche
von Textilien mittels Graphenmodifikationen, verändert werden kann (siehe
Infokasten 2), insbesondere im Hinblick auf die spätere Verwendung im Bereich der
Hitzeschutzkleidung. Graphen weist eine Fülle von positiven Eigenschaften auf, die
diesen Bereich revolutionieren würden. Mit dieser Forschung sind wir weltweit Vorreiter
für Anwendungen von Graphenmodifikationen auf Textiloberflächen“, kommentiert Dr.
Paul. Die Überführung der verschiedenen Graphenmodifikationen in stabile wässrige
Dispersionen wird von der Firma Iolitec übernommen.
Zielsetzung des Hohensteiner Forschungsteams ist die Entwicklung stabiler
Applikationstechniken für wässrige Graphen-Dispersionen um diese dauerhaft
auf verschiedene Textiloberflächen aufzubringen. Dabei werden diverse
Graphenmodifikationen (z.B. Graphenoxid, „multi-layer Graphen“) berücksichtigt,
da diese unterschiedliche Eigenschaften mit sich bringen. Die neu entwickelten
Oberflächenmodifikationen der unterschiedlichen Textilien werden anschließend
hinsichtlich ihrer Eignung für Hitzeschutzausrüstung charakterisiert. Im Rahmen der
Forschungsarbeiten fällt der Firma FUCHSHUBER TECHNO TEX die Aufgabe zu die
entwickelte Applikationsrezeptur in einen großtechnischen Maßstab zu überführen und
eine Verarbeitbarkeit der ausgerüsteten Textilien sicherzustellen. Ziel ist die Erstellung
eines Demonstrators.
Durch die Oberflächenveränderung mit Graphen können sich die Eigenschaften des
Textils hinsichtlich dessen Flammfestigkeit erheblich verbessern. Graphen kann als
eine physikalische Barriere wirken, die das Durchdringen von Wärme und Gasen
wirkungsvoll unterbindet. Gleichzeitig kann Graphen potentiell eine thermische
Zersetzung des Textils vermeiden. Ein weiterer Vorzug von Graphen, liegt in der im
Vergleich zu Stahl circa 200-fach höheren Bruch- und Abriebfestigkeit. Auch diese
Fähigkeiten machen Graphen für Anwendungen im Bereich Schutzausrüstung hoch
interessant.
Normalerweise ist für die Funktionalisierung von Textilien im Bereich der PSA
ein mehrstufiges Verfahren notwendig. Durch das Aufbringen von Graphen in
einem einstufigen Prozess kann sich diese erübrigen. Damit wäre ein dünnerer und
somit leichterer Aufbau für die PSA möglich. Das geht einher mit einer besseren
Beweglichkeit für den Träger.
„Die mit Graphen oberflächenmodifizierten Textilien können bei erfolgreichem
Funktionsnachweis Anwendung im Bereich der PSA, vor allem bei der
Hitzeschutzkleidung finden“, so Dr. Paul. Hierdurch entsteht für die Anwendung von
Graphen ein neues Marktsegment, welches die Wirtschaftlichkeit von innovativen
Unternehmen und der Industrie weiter stärkt.
Infokasten 1:
Als Graphen wird eine einatomige Lage reinen Kohlenstoffs bezeichnet. Es wird
zwischen einlagigem, mehrlagigem Graphen und Graphen mit mehr als 10 Lagen,
dem sogenannten Graphit (Bleistiftmine) unterschieden. Durch die unterschiedliche
Anzahl an Lagen ergeben sich trotz gleichen strukturellen Aufbaus unterschiedliche
Eigenschaften.
Eine Graphen-Lage ist etwa 0,3 Nanometer dick, das entspricht einem
Hunderttausendstel der Dicke eines menschlichen Kopfhaares. Jedes Kohlenstoff-
Atom steht in einer solchen Schicht mit drei weiteren Kohlenstoff-Atomen in
Verbindung, so dass eine bienenwabenartige, zweidimensionale Schichtstruktur
entsteht.
Infokasten 2:
Graphen kann mit Sauerstoff in sogenannte Graphenoxide umgewandelt werden,
die unterschiedliche Mengen an gebundenem Sauerstoff enthalten können. Über
die Verknüpfung beziehungsweise Funktionalisierung mit anderen Molekülen oder
Atomen lassen sich verschiedene chemische Eigenschaften des Materials erzeugen.
Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) und dem Forschungszentrum Jülich GmbH
(PTJ) mit den Förderkennzeichen 03X0157A und aufgrund eines
Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.
Weitere Informationen:
http://www.hohenstein.de/de/inline/pressrelease_91136.xhtml?excludeId=91136
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