Die DGIM in der Zeit des Nationalsozialismus - Ausstellung eröffnet mit Zentralrat der Juden
Mannheim – Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM) bekennt sich zu ihrer historischen Verantwortung in der NS-Zeit und arbeitet ihre Geschichte auf. Erste Ergebnisse zeigt eine Ausstellung, die der Präsident des Zentralrats der Juden, Dr. Josef Schuster, am Sonntagabend gemeinsam mit dem DGIM Vorsitzenden Professor Dr. med. Michael Hallek in Mannheim auf dem 121. Internistenkongress eröffnete. Darin offenbaren sich erschütternde Schicksale derjenigen, die unter dem Nationalsozialismus leiden mussten. Sichtbar werden hier auch Täter aus den Reihen der DGIM und Fakten über NS-Medizinverbrechen.
Die DGIM beauftragte vor zwei Jahren Historiker, die Geschichte der Fachgesellschaft in der Zeit des Nationalsozialismus zu untersuchen. „Die Ergebnisse dieser Aufarbeitung haben mich erschüttert“, beschreibt Professor Hallek seine Eindrücke: „Wir Internisten haben uns in dieser Zeit nicht unterschieden vom Rest der Bevölkerung – und das, obwohl wir unseren Beruf mit hohem ethischem Anspruch erfüllen“, so der Direktor der Klinik für Innere Medizin der Universität Köln. Viele Juden mussten die DGIM auf Druck des Vorstands 1933 verlassen – so auch der damalige Vorsitzende und designierte Kongresspräsident Leopold Lichtwitz: Kurz vor dem Kongress in Wiesbaden wurde er von der DGIM-Spitze zum Rücktritt gezwungen. Die Ausstellung porträtiert weitere, sehr unterschiedliche Schicksale von Verfolgten.
Die DGIM-Vorsitzenden bis 1945 agierten überwiegend im Sinne des Nationalsozialismus: Alfred Schittenhelm, der Lichtwitz unmittelbar folgte, brachte die DGIM zügig auf NS-Kurs. Der Vorsitzende von 1940, Hans Dietlen, führte Zwangssterilisationen durch, andere beteiligten sich an Humanexperimenten, etwa zur Trinkbarmachung von Salzwasser im Konzentrationslager Dachau. Opposition und Widerstand traten unter DGIM-Mitgliedern nur vereinzelt zutage. Doch auch diese zeigt die Ausstellung.
Die Historiker Professor Dr. phil. Hans-Georg Hofer aus Münster und Privatdozent Dr. phil. Ralf Forsbach von der Universität Bonn recherchierten in Archiven im In- und Ausland. Bei ihrer Arbeit stießen die Forscher auch auf Überraschungsfunde – so lagert ein Teil der Korrespondenz der Berliner Behörden mit der DGIM in Stanford, Kalifornien.
Die Geschichtsaufarbeitung bleibt nicht ohne Folgen. So entschloss sich die DGIM, die von 1996 bis 2010 verliehene Gustav-von-Bergmann-Medaille 2013 durch die Leopold-Lichtwitz-Medaille zu ersetzen. „Gustav von Bergmann war zwar ein herausragender Arzt“, so DGIM Generealsekretär Professor Dr. med. Dr. h.c. Ulrich R. Fölsch, „aber als Prodekan an der Berliner Charité 1933 setzte er diskussionslos in der Fakultät um, dass 1933 alle Juden entlassen wurden.“ Außerdem veröffentlichte die DGIM eine Stellungnahme, in der sie sich zu ihrer Verantwortung bekennt und jeden Akt der Anpassung an eine Unrechtsregime missbilligt.
Eine Begleitpublikation zur Ausstellung dokumentiert die Forschungsergebnisse. Auch die Jahre nach 1945 lässt die DGIM untersuchen. „Denn 1945 sei keine „Stunde Null“ gewesen – einige schuldig gewordene Ärzte praktizierten weiter oder wurden sogar Ehrenmitglieder der DGIM“ sagt Historiker Forsbach. Geplant ist die Aufarbeitung bis in die 70er Jahre. Im Jahr 2018 veröffentlicht die DGIM eine abschließende wissenschaftliche Monographie. „Für mich ist es wichtig, die Erinnerung wachzuhalten, damit wir die Zukunft für eine offene und tolerante Gesellschaft gestalten“, betont Hallek.
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