4.200 Mal ein neues Leben
Das Transplantationszentrum des Universitätsklinikums Regensburg (UKR) feiert sein 20-jähriges Bestehen. Seit seiner Gründung im Jahr 1995 gab das Zentrum bereits 4.200 Menschen in Ostbayern durch Organ- und Stammzelltransplantation die Chance auf ein neues Leben.
„Ich bin unendlich dankbar, dass ich das noch erleben darf“, freut sich Peter Schlauderer, als er sein erstes Enkelkind in den Arm nimmt. Möglich ist dies für den fünffachen Vater und frischgebackenen Großvater nur aufgrund von drei Organtransplantationen. Der heute 48-Jährige erkrankt als Kind an Diabetes Typ 1. Mit Beginn der Erkrankung versagten seine Bauchspeicheldrüse zum Teil, seine Nieren im weiteren Verlauf ganz. Mit 33 Jahren ist Peter Schlauderer auf zwei neue Organe angewiesen. Er hat Glück, nach sechs Monaten erhält er den lebensrettenden Anruf aus dem Transplantationszentrum Regensburg. Weitere sechs Jahre später erneut ein Schock für die Familie. Aufgrund eines angeborenen Schadens verschlechtert sich seine Leber dramatisch, und Peter Schlauderer wird erneut auf die Eurotransplant-Warteliste gesetzt. Dieses Mal dauert es eineinhalb Jahre, bis ein passendes Organ für ihn gefunden wird. Peter Schlauderer ist dankbar: „Durch meine Organspender habe ich ein ganzes Leben geschenkt bekommen.“
Wie Peter Schlauderer hat das Transplantationszentrum des UKR bereits mehr als 4.200 Menschen in Ostbayern durch Organ- und Stammzelltransplantation ein neues Leben ermöglicht. Am 17. Juli 2015 feierte das Zentrum in einem Festakt sein 20-jähriges Bestehen. Joachim Wolbergs, Oberbürgermeister der Stadt Regensburg, betonte in seinem Grußwort, wie wichtig die heimatnahe Versorgung für Menschen sei, die eine Organ- oder Stammzelltransplantation benötigen und auch in der Nachsorge auf die entsprechende medizinische Kompetenz angewiesen sind. „Dass in Regensburg ein solches Transplantationszentrum existiert, ist für die ganze Region von großem Wert. Dabei denke ich in erster Linie an die Versorgung der Patienten, aber auch an den Wissenschaftsstandort Regensburg, der von dieser medizinischen Kompetenz profitiert“, so Joachim Wolbergs.
Als weitere Gastrednerin sprach die Medizinische Direktorin von Eurotransplant, Dr. Undine Samuel. Unter den Besuchern fanden sich Mediziner, Vertreter von Selbsthilfegruppen, bereits transplantierte sowie noch auf ein Organ wartende Patienten und deren Angehörige.
In den 20 Jahren seit Gründung des Transplantationszentrums entwickelte sich die Transplantationsmedizin in Regensburg klinisch und wissenschaftlich zu einem Schwerpunkt mit internationaler Sichtbarkeit. Im Bereich der Organtransplantation von Herz, Niere, Leber und Bauchspeicheldrüse sowie der Stammzelltransplantation bei Erwachsenen und Kindern stellt das Transplantationszentrum des UKR die vollständige Versorgung der Bevölkerung in der Region Oberpfalz und Niederbayern sicher, als einziges Kinderlebertransplantationszentrum in Bayern auch weit über die Region hinaus.
„Wir haben in der Transplantationsmedizin in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht und können dank intensiver Forschungsarbeit den Patienten nach Transplantation eine immer bessere Lebensqualität ermöglichen. Zu unserem 20-jährigen Jubiläum wollen wir vor allem in die Zukunft blicken und diskutieren, wie wir mehr Vertrauen für die Organspende und Transplantationsmedizin schaffen können“, so Professor Dr. Bernhard Banas, Leiter des Transplantationszentrums am UKR.
Viele Patienten, wenig Spender – Situation in der Organtransplantation:
Nach einem erheblichen Rückgang der Organspenden werden im Transplantationszentrum Regensburg pro Jahr aktuell etwa 50 Nieren-, 40 Leber-, 10 Herz- und fünf Bauchspeicheldrüsentransplantationen durchgeführt. 600 Patienten des UKR stehen derzeit auf der Eurotransplant-Warteliste für ein neues Organ, deutschlandweit sind es etwa 11.000. Die mittlere Wartezeit auf eine neue Niere beträgt derzeit zwischen acht und zehn Jahre. Für acht Prozent der Wartelisten-Patienten des UKR waren solche Wartezeiten 2014 zu lang – sie mussten ohne Transplantation wieder abgemeldet werden. Entweder verstarben sie während des Wartens auf ein neues Organ oder ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich zwischenzeitlich so sehr, dass eine Transplantation nicht mehr möglich war. Deutschlandweit verstirbt so alle vier Stunden ein Wartelistenpatient vor Organtransplantation.
Lebensrettende Fortschritte in der Stammzelltransplantation:
Bei der Stammzelltransplantation stellt sich die Situation anders dar. Als Erfolg der umfangreichen Spender-Typisierungsaktionen und stetiger Weiterentwicklung der Therapiemöglichkeiten können mittlerweile für rund 85 Prozent aller Patienten gut geeignete Fremdspender gefunden werden. Im Transplantationszentrum Regensburg besteht darüber hinaus eine besondere Expertise in der sogenannten haploidenten Stammzellübertragung, bei der auch nur teilweise genetisch identische Familienangehörige Stammzellen spenden können. So werden insgesamt fast alle betroffenen Patienten in jedem Lebensalter mit der erforderlichen Stammzelltherapie versorgt.
Durch Forschung Komplikationen bei der Transplantation vermeiden:
Nach einer Organtransplantation hat ein Teil der Patienten mit Abstoßungsreaktionen des Körpers auf das neue Organ oder mit Nebenwirkungen aufgrund der Medikamente zu kämpfen. Auch Peter Schlauderer erlebte dies nach seiner Lebertransplantation. Es dauerte ganze zwei Jahre, bis er sich vollständig erholte.
Wie diese Reaktionen des Körpers auf ein transplantiertes Organ vermieden werden können, beschäftigt die Regensburger Transplantationsmediziner in ihren international angesehenen wissenschaftlichen Forschungsprojekten. Die Schwerpunkte liegen dabei auf Fragen der Toleranz des Empfängers gegenüber dem Spenderorgan, der Suche nach Risikofaktoren für einen Organverlust, der Problematik viraler Infektionen und des Tumorrisikos nach Transplantationen.
Hauptgegenstand der wissenschaftlichen Untersuchungen bei Stammzelltransplantationen ist im Transplantationszentrum Regensburg die sogenannte Graft-versus-Host-Disease (Spender-gegen-Empfänger-Erkrankung). Denn anders als bei Organtransplantationen kann es nach einer Stammzelltransplantation zu immunologischen Reaktionen des neu eingebrachten Immunsystems auf den Empfängerorganismus kommen.
„Um Komplikationen wie bei Herrn Schlauderer weiter zu reduzieren, entwickeln wir mit gezielter Forschung die Transplantationsmedizin kontinuierlich weiter. Hierfür haben wir sowohl innerhalb des Universitätsklinikums als auch am Wissenschaftsstandort Regensburg im internationalen Vergleich optimale Voraussetzungen“, erläutert Professor Banas.
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