Leben ohne Medikamente: Rheuma-Patienten sind immer häufiger beschwerdefrei
Fast jeder chronisch Kranke wünscht sich ein Leben ohne die tägliche Dosis an Medikamenten. Für immer mehr Erwachsene und Kinder mit entzündlichem Gelenkrheuma rückt dieser Traum in greifbare Nähe. Zwar gibt es noch keine Heilung – aber moderne Therapien führen zunehmend zu einem Stillstand der Krankheit, sodass Rheumatologen die Medikamente immer häufiger reduzieren und manchmal sogar ganz absetzen könnten. Über die Vor- und Nachteile eines solchen Schritts diskutieren die Experten der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) gemeinsam mit der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR) auf einer Pressekonferenz am 3. September im Rahmen ihrer Jahrestagung in Bremen.
Noch vor zehn Jahren war das primäre Ziel der Rheumatoiden Arthritis (RA)-Therapie, die Schmerzen zu lindern und das Fortschreiten der Gelenkentzündung zu bremsen. „Heute stecken wir unsere Ziele höher“, sagt Professor Dr. med. Jens Gert Kuipers, DGRh-Tagungspräsident und Chefarzt der Klinik für internistische Rheumatologie am Roten Kreuz Krankenhaus Bremen. Im Jahr 2013 erreichten mit etwa 34 Prozent mehr als doppelt so viel RA-Patienten einen Stillstand der Krankheit, die sogenannte Remission, als noch im Jahr 1997 (15 Prozent). Dies ist dem frühen Einsatz einer wirksamen antirheumatischen Therapie zu verdanken. „Bei Kindern mit Gelenkrheuma, der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA), gelingt das Erreichen eines Krankheitsstillstands am häufigsten innerhalb der ersten fünf Jahre“, so Professor Dr. med. Hans-Iko Huppertz, GKJR-Tagungspräsident, Klinikdirektor der Professor-Hess-Kinderklinik in Bremen.
Bei beschwerdefreien Patienten, die mindestens sechs Monate in Remission sind, können Rheumatologen die Medikamente in Absprache mit dem RA-Patienten nach und nach reduzieren. Zunächst wird die Dosis der Glukokortikoide, dann die der Biologika verringert. Dies ist auch ökonomisch von Bedeutung, denn eine Dosisreduktion des Biologikums um 50 Prozent spart zirka 10 000 Euro pro Jahr pro Patient. „Bleiben die Beschwerden weiterhin aus, können wir zuletzt auch die konventionellen Basistherapeutika, wie Methotrexat, abbauen“, so Kuipers. Das müsse jedoch äußerst vorsichtig passieren, denn Studien zeigen für diesen letzten Schritt ein hohes Rückfallrisiko. Bei Kindern mit JIA ist die Reihenfolge etwas anders: „Nach dem Absetzen der Glukokortikoide reduzieren wir meist erst das Methotrexat“, so Huppertz. Dann wird das zuletzt in die Therapie eingeführte Biologikum bei inaktiver Erkrankung abgesetzt.
Wie erfolgreich die Dosisreduktion schon jetzt ist, zeigen aktuelle Registerdaten von mehr als 2000 Kindern mit JIA: „Bei etwa elf Prozent konnte die Biologika-Therapie nicht nur reduziert, sondern vollständig abgesetzt werden, weil die Beschwerdefreiheit anhielt,“ so Huppertz. Auch bei RA-Patienten wurde in Studien eine medikamentenfreie Remission über mindestens ein Jahr bei zehn bis zwanzig Prozent erreicht. Gute Voraussetzungen dafür haben insbesondere Rheuma-Patienten, die früh mit der Therapie beginnen.
Nach Absetzen der Medikamente bestünde allerdings das Risiko, dass die Erkrankung wieder aufflammt. „In diesem Fall kann die Therapie meist problemlos wieder aufgenommen werden“, erklärt Kuipers die Ergebnisse von Studien. Vor allem diese Beobachtung mache Mut, einen Abbau häufiger zu wagen, so Kuipers im Vorfeld der Kongress-Pressekonferenz, die am 3. September 2015 in Bremen stattfinden wird.
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Quellen:
Kerndokumentation DRFZ
K. Krüger, Zeitschrift für Rheumatologie 2015, „Therapieabbau bei stabil eingestellter
rheumatoider Arthritis“, 74:414–420, DOI 10.1007/s00393-014-1534-5, Online publiziert: 19. Juni 2015
G. Horneff et al., Zeitschrift für Rheumatologie 2014, „Aktuelles aus dem BIKER-Register“, 73:897–906, DOI 10.1007/s00393-014-1397-9, Online publiziert: 2. Oktober 2014
K. Krüger, Deutsche Medizinische Wochenzeitschrift 2014, „Diagnose und Therapie der rheumatoiden Arthritis“, 139: 1823–1834
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Vorab-Pressekonferenz
Termin: Mittwoch, 26. August 2015, 11 bis 12 Uhr
Ort: Berlin, Tagungszentrum im Haus der Bundespressekonferenz, Raum 1
Eines der Themen:
Frühe Rheuma-Therapie wirkt am besten: So bringen Ärzte und Patienten die
Gelenkentzündung zum Stillstand
Professor Dr. med. Erika Gromnica-Ihle, Präsidentin der Deutschen Rheuma-Liga, Berlin
Weitere Themen unter http://dgrh-kongress.de/presse-konferenzen.html
Kongress-Pressekonferenz
Termin: Donnerstag, 3. September 2015, 12.00 bis 13.00 Uhr
Ort: CCB Congress Centrum Bremen, Findorffstr. 101, 28215 Bremen, Salon Sharoun
Themen und Referenten:
Deeskalation: Einmal Medikamente – immer Medikamente?
Professor Dr. med. Jens Gert Kuipers, Tagungspräsident DGRh, Chefarzt der Klinik für internistische Rheumatologie am Roten Kreuz Krankenhaus Bremen
Revolution in der Behandlung des kindlichen Rheumas
Kinder enden nicht mehr im Rollstuhl
Professor Dr. med. Hans-Iko Huppertz, Tagungspräsident GKJR, Klinikdirektor
der Professor-Hess-Kinderklinik, Klinikum Bremen-Mitte
Kleines Implantat, kleines Risiko – Kunstgelenke werden immer kleiner
Dr. med. Ingo Arnold, Tagungspräsident DGORh, Chefarzt der Abteilung für Orthopädie und operative Rheumatologie im Rotes Kreuz Krankenhaus, Bremen
Aktuelle Erhebung – Wo steht die Rheumatologie in Deutschland und was bedeutet das für die Patienten?
Professor Dr. med. Gabriela Riemekasten, Sprecherin der Kommission für studentische Ausbildung der DGRh, Direktorin der Klinik für Rheumatologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Universität zu Lübeck
Pharmakotherapie bei fortgeschrittener Rheumatoider Arthritis
Auch alte Menschen profitieren von Biologika
Professor Dr. med. Jürgen Wollenhaupt, Vorsitzender der Kommission Weiter- und Fortbildung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, Chefarzt der Abteilung für Rheumatologie und klinische Immunologie an der Schön Klinik Hamburg Eilbek
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Kontakt für Rückfragen:
Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie
Kongress-Pressestelle
Kathrin Gießelmann/Stefanie Schweigert
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Weitere Informationen:
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