Aldrovandis De animalibus insectis: Ein besonderes Buch im Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg
Das Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg beherbergt seit 2013 die Erstausgabe eines wissenschaftlich bedeutenden Buches: De animalibus insectis (1602) von Ulysse Aldrovandi. Der Autor gilt als Begründer der modernen Systematik und Entomologie. Das nun restaurierte Buch umfasst eine der frühesten wissenschaftlichen Bearbeitungen der Insekten und ist ab sofort für Wissenschaftler zugänglich. Das Landesmuseum Natur und Mensch lädt insbesondere Wissenschaftshistoriker und Entomologen ein, in Oldenburg mit diesem seltenen und historisch wertvollen Buch zu arbeiten.
Mit seinen genauen Beobachtungen und umfassenden naturwissenschaftlichen Publikationen gilt Ulysse Aldrovandi (1522-1605) als ein Begründer der modernen Zoologie. Als Naturalist widmete sich der italienische Kaufmann dem Studium der Rechtswissenschaften, Philosophie, Medizin und Biologie. Er gründete und leitete einen der ersten Botanischen Gärten Europas, baute eine umfangreiche Bibliothek auf, legte wissenschaftliche Sammlungen wie Herbarien und Naturalienkabinette an und machte sich dadurch verdient um die naturwissenschaftliche Bildung.
Seine eigenen scharfsinnigen Beobachtungen fanden Eingang in insgesamt elf umfangreiche enzyklopädische Werke über die damals bekannte Tierwelt. Einige seiner Bücher wurden post mortem von seinen Schüler veröffentlicht. Eine frühe, noch zu Lebzeiten erschienene Abhandlung, ist De animalibus insectis (1602). Sie befasst sich u.a. mit einer bis dahin eher vernachlässigten Tiergruppe, den Insekten. Aldrovandi trug dazu nicht nur bereits Bekanntes zusammen, sondern sammelte selbst Tiere, analysierte und bewertete das, was ihm in die Hände fiel. Detailgetreue Abbildungen, ausführliche Beschreibungen, Synonyme und etymologische Informationen der aufgeführten Arten ließen De animalibus insectis libri septem schließlich auf fast 800 Seiten anwachsen. In einigen der insgesamt sieben Bücher werden allerdings auch Tiergruppen behandelt, die man heute nicht mehr unter der Bezeichnung „Insekt“ im Stammbaum findet. Nach Aldrovandis Definition der Insekten als kleine, segmentierte Tiere war es allerding konsequent, auch Regenwürmer, Nacktschnecken und Seesterne in sein Buch aufzunehmen. Sogar wenn man sich auf die heute als Insekten bezeichneten Tiere bezieht, bleibt das 1602 veröffentlichte De animalibus insectis ein bis dahin beispielloses, enzyklopädisches Werk mit Fokus auf Insekten. Bemerkenswert ist es auch insofern, als Aldrovandi einen dichotomen Bestimmungsschlüssel einsetzte, um die besprochenen Tiergruppen voneinander abzugrenzen. Diese Vorgehensweise ist bei der taxonomischen Bestimmung bis heute Grundlage der meisten Bestimmungsbücher in Zoologie und Botanik. Obwohl dichotome Schlüssel bereits in früheren Arbeiten des Schweizer Arztes Conrad Gessner auftauchen, ist der in De animalibus insectis Abgebildete wohl der erste dichotome Bestimmungsschlüssel für Insekten.
Aldrovandi erkannte und beschrieb nicht nur Metamorphosen sowie die Fortpflanzung und machte sich Gedanken zur Bekämpfung von schädlichen Insekten, sondern auch philosophische Ideen sind Gegenstand des Buches: So fragt er sich u.a., ob die(se) Tiere eine Seele besitzen.
Laut Bodenheimer (1928) ist Aldrovandi „…der Begründer der […] systematischen Entomologie […]“ und Bodenheimer hoffte „…, daß […]dieser hochverdiente Forscher der Gegenwart erschlossen werden kann.“ (S. 276). Diesem Ziel können Wissenschaftshistoriker nun in Oldenburg einen Schritt näher kommen. Das mittlerweile restaurierte Buch stammt aus dem Familienbesitz eines Ehepaares aus Aurich (Ostfriesland) und wurde dem Museum als Dauerleihgabe anvertraut. Die Leihgeber betonen, dass es ihr ausdrücklicher Wunsch ist, dass das Buch für die Forschung zugänglich ist. Als eines von wenigen noch erhaltenen Exemplaren der Erstausgabe ist De animalibus insectis sowohl für das Museum als auch für die Wissenschaft von unschätzbarem Wert.
Literatur:
Bodenheimer, F.S. 1928: Die zweite aristotelische Renaissance und die Begründung der modernen Systematik und Morphologie. Anfänge einer Beobachtung: Ulysse Aldrovandi. In: Materialien zur Geschichte der Entomologie bis Linné; S. 247-276.
Ogilvie, B.W. 2008: Nature`s bible: insects in seventeenth-century European Art and science. Tidsskrift for kulturforskning: 7(3), S. 5-21.
Kontakt:
Dr. Peter-René Becker
Tel.: 0441/9244303
E-Mail: pr.becker@landesmuseen-ol.de
Dr. Christina Burmeister
Tel.: 0441/9244304
E-Mail: c.burmeister@landesmuseen-ol.de
Pressekontakt:
Dipl. Biol. Lena Nietschke
Tel.: 0441/9244-327
E-Mail: presse@naturundmensch.de
Niedersächsische Landesmuseen Oldenburg
Landesmuseum Natur und Mensch
Damm 38-44
26135 Oldenburg
Tel. 0441-9244-300
Fax: 0441-9244-399
E-Mail: museum@naturundmensch.de
www.naturundmensch.de
---
Das Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg wurde 1836 durch Großherzog Paul Friedrich August gegründet ist damit eines der ältesten Museen Norddeutschlands. Seine Sammlungsschwerpunkte finden sich in den Bereichen Archäologie, Naturkunde und Völkerkunde. Sind in den Dauerausstellungen das Leben von Mensch und Natur in den regionalen Landschaftstypen Moor, Geest, Küste und Marsch sowie entlang des Flusslaufs der Hunte vorherrschende Themen, widmen sich die Sonderausstellungen überwiegend überregionalen Themen und Fragestellungen.
Weitere Informationen:
http://www.naturundmensch.de