ADHS bei Erwachsenen: Psychologische Behandlungen sind einer medikamentösen Therapie unterlegen
Von der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) sind nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene betroffen. Ob ein medikamentöser oder ein psychotherapeutischer Behandlungsansatz erfolgreicher ist, war bislang unklar. Forscher des Universitätsklinikums Freiburg zeigen jetzt in der weltweit größten Studie, dass eine Medikation mit Methylphenidat einer ADHS-Gruppentherapie überlegen ist. Der Erfolg der medikamentösen Behandlung wurde durch eine zusätzliche Gruppentherapie nicht gesteigert. Die Studie erschien Anfang Dezember im Fachjournal JAMA Psychiatry.
Bei etwa zwei Prozent der Erwachsenenbevölkerung bleibt eine in der Kindheit aufgetretene Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bis ins Erwachsenenalter bestehen. Über die geeignetste und wirksamste Form der Behandlung, die sehr häufig zu massiven sozialen Problemen und anderen psychischen Folgeerkrankungen wie Depressionen und Angststörungen oder Suchterkrankungen führt, besteht bisher Unklarheit. Ist eine medikamentöse Therapie mit Methylphenidat erforderlich oder ist eine passgenau auf die Störung ausgerichtete Gruppenpsychotherapie beziehungsweise eine Kombination beider erfolgversprechender?
In der weltweit bisher größten Studie, die an sieben deutschen Universitätskliniken gleichzeitig durchgeführt wurde, unter der Leitung von Prof. Dr. Alexandra Philipsen, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg und seit 2014 Lehrstuhlinhaberin an der Universität Oldenburg, wurde bei 419 erwachsenen ADHS-Patienten untersucht, ob eine zwölfmonatige spezifische Gruppenpsychotherapie mit insgesamt 22 Sitzungen bessere Ergebnisse erbringt, wenn sie mit einer Methylphenidat-Medikation kombiniert wird. Zum Wirksamkeitsvergleich der Gruppenpsychotherapie diente die Behandlung mit 22 unterstützenden Einzelgesprächen, die nicht spezifisch auf die ADHS-Krankheit gerichtet waren.
„Es zeigte sich, dass eine Methylphenidat-Medikation einer ADHS-Gruppentherapie überlegen war. Entgegen der Hypothese wurde die Wirkung der Medikation auch nicht durch eine zusätzliche Gruppenpsychotherapie verbessert“, sagt Prof. Philipsen. Der hohe Stellenwert der Medikation zeigte sich auch, wenn man die supportive Einzelgesprächstherapie mit Methylphenidat kombinierte. Prof. Dr. Mathias Berger, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg, fasst zusammen: „Diese große Studie zeigt, dass die hier angewandten psychologischen Behandlungen nicht ausreichend erfolgreich sind, um eine Medikation zu ersetzen.“ Nach Ansicht der Forscher sollte jetzt in weiteren Studien geprüft werden, ob aufwändigere störungsspezifische Einzeltherapien bessere Einjahresergebnisse als die zurzeit stark favorisierten Gruppentherapien erbringen.
Original-Titel der Arbeit: Effects of Group Psychotherapy, Individual Counseling, Methylphenidate, and Placebo in the Treatment of Adult Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder: A Randomized Clinical Trial.
DOI: 10.1001/jamapsychiatry.2015.2146
Kontakt:
Prof. Dr. Alexandra Philipsen
Klinikdirektorin
Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universität Oldenburg
Telefon: 0441 9615-1501
alexandra.philipsen@uni-oldenburg.de
Prof. Dr. Mathias Berger
Ärztlicher Direktor
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universitätsklinikum Freiburg
Telefon: 0761 270-65010
mathias.berger@uniklinik-freiburg.de
Weitere Informationen:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26536057 Link zur Studie
http://www.uniklinik-freiburg.de/psych/klinische-schwerpunkte/adhs-im-erwachsenenalters.html Universitätsklinikum Freiburg Schwerpunkt ADHS im Erwachsenenalter