„Gottes Erde – unsere Verantwortung."
200 Besucher beim 1. Akademietag der Pallottiner Vallendar
Rund 200 Besucher fanden den Weg in die Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar (PTHV) zur Auftaktveranstaltung der 40. Akademietage der Pallottiner Vallendar. Thema des 1. Akademietages war: „Gottes Erde – unsere Verantwortung. Wie uns die neue Enzyklika von Papst Franziskus führt und fordert“. In seinem Weltrundschreiben „Laudato si‘ – Über die Sorge für das gemeinsame Haus“ legte Papst Franziskus am 18. Juni 2015 auf 222 Seiten das Konzept eines ganzheitlichen Umweltschutzes vor und formulierte Leitlinien für ein umweltverträgliches Handeln nicht nur in Wirtschaft, internationaler Politik und Gesellschaft, sondern auch im Tun und Lassen eines jeden von uns. Die Aktualität des päpstlichen Rundschreibens wurde durch den erfolgreichen Verlauf der Weltklimakonferenz in Paris Anfang Dezember 2015 bestätigt.
Hauptreferent Stefan Rostock, Teamleiter Bildung für nachhaltige Entwicklung bei Germanwatch e. V., Umwelt- und Entwicklungsorganisation, referierte über den „Klimawandel – von der globalen Gefahr zur politischen Herausforderung“. In seinem dreiteiligen Vortrag erläuterte er zunächst den aktuellen Stand der Klimaforschung und erklärte anschaulich, weshalb ein schnelles Handeln erforderlich sei. „Die heutige Co2 –Konzentrationen sind höher als in den letzten 800.000 Jahren“, sagte Stefan Rostock. Als Hauptverursacher des Anstiegs der Temperaturen und damit der Treibhausgasemissionen nannte er den Energiebereich, die Abholzung des Waldes, den Straßenverkehr, den Landwirtschaftsbetrieb und den Flugverkehr. „Der Treibhausgasanstieg ist so entscheidend, weil das Klimagleichgewicht in einen anderen Zustand zu kippen droht“, sagte Rostock. Insbesondere das Schmelzen der Westantarktis sei beunruhigend. Bei diesem unstoppbaren Prozess gingen rund 93 Prozent der Wärme zusätzlich in den Ozean. Und dies führe zu extremen Wetterereignissen und schleichenden klimatischen Veränderungen. Daher werde es in Zukunft schwieriger, das Wetter vorauszusagen. „Es geht aktuell nicht mehr um die Frage, ob die Menschen für die ökologische Krise verantwortlich sind, denn diese Debatte ist beschlossen – jetzt geht es darum festzustellen, wen es wie betrifft.“ Als Umwelt- und Entwicklungsorganisation beobachtet Germanwatch e.V. die Spuren des Klimawandels für die Gesellschaft. Ziel sei es klimawissenschaftliche, finanzielle und gesellschaftliche Herausforderungen gebündelt zu betrachten.
Im zweiten Teil seines Vortrages wies Stefan Rostock auf „Hoffnungszeichen“ hin. In diesem Zusammenhang nannte er die drastisch sinkenden Investitionen in fossile Energien und die Tatsache, dass 2014 erstmals kein Anstieg der globalen Emissionen (aber ohne gleichzeitige Weltwirtschaftskrise) stattgefunden habe. Zudem werden erneuerbare Energien konkurrenzfähig, da sie immer preiswerter werden.
Im dritten Kapitel erläuterte Stefan Rostock den politischen Rahmen, in dem das Klima verhandelt wird. Er wies darauf hin, dass im Unterschied zu vorausgegangenen Klimakonferenzen in Paris im Dezember 2015 ein neuer Verhandlungsblock (Loss and Damage) beschlossen wurde, in dem Schäden, die bereits als irreparabel gelten, als solche angenommen und nicht mehr diskutiert werden. Was sich ebenfalls seit der Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen geändert habe, sei die Tatsache, dass es heute viel mehr klimafreundliche Beispiele, Verhandlungen und Koalitionen gebe, und Klimawandel „überall Thema sei“, so dass man in Paris viel selbstbewusster aufgetreten konnte.
Als Ergebnisse von Paris nannte er: 1. Langfristige Ziele: Begrenzung der Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius, möglichst unter 1,5 Grad Celsius, 2. ein globales gemeinsames Emissionsziel, 3. nationale Klimaziele (verbindliche Verpflichtungen aller Staaten; Nachschärfungsrunden alle fünf Jahre). Als weiteres Paris-Ziel nannte er die Finanzierung und den Kapazitätsaufbau von erneuerbaren Energien in Entwicklungsländern. Im Anschluss an Paris sei es nun unsere Aufgabe, die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie zu überarbeiten und ökologisch-soziale Leitlinien zu entwickeln.
Ziel: eine authentisch gelebte ganzheitliche Ökologie
Referentin JProf. Dr. Sailer-Pfister, Lehrstuhl für christliche Gesellschaftswissenschaften und Sozialethik an der PTHV, führte in die Enzyklika ein und verwies zunächst auf den Heiligen Franz von Assisi, der als Vorbild von Papst Franziskus schlechthin für die Achtsamkeit gegenüber dem Schwachen und für eine authentisch gelebte ganzheitliche Ökologie steht. Papst Franziskus ruft dazu auf, „die gesamte Menschheitsfamilie in der Suche nach einer nachhaltigen und ganzheitlichen Entwicklung zu vereinen“. Die Enzyklika solle nun dabei helfen, die „Dringlichkeit und die Schönheit der Herausforderung zu erkennen, die vor uns steht“. All das ist nicht auf eine kurzfristige Gegenwart bestimmt, sondern vielmehr auf Nachhaltigkeit angelegt. Daher ruft er zu einem neuen Dialog auf über die Art und Weise, wie wir die Zukunft unseres Planeten gestalten: „Welche Art von Welt wollen wir denen überlassen, die nach uns kommen, den Kindern, die gerade aufwachsen?“ Diese Frage in allen ihren Facetten mit unverstelltem Blick auf die Wirklichkeit in ihrer Gesamtheit zu durchdenken ist die Aufgabe, die Franziskus mit seiner Enzyklika angeht.
Weiterhin fordert er: „Wir brauchen eine neue universale Solidarität.“ Es bedürfe der Talente und des Engagements aller, um den durch den menschlichen Mißbrauch der Schöpfung Gottes angerichteten Schaden wieder gut zu machen. „Alle können wir als Werkzeuge Gottes an der Bewahrung der Schöpfung mitarbeiten, ein jeder von seiner Kultur, seiner Erfahrung, seinen Initiativen und seinen Fähigkeiten.“
Sehen – Urteilen – Handeln als Perspektive
Frau JProf. Sailer-Pfister zeigte auf, dass Papst Franziskus in seiner Umwelt-Enzyklika induktiv vorgehe, das heißt die Enzyklika ist wie folgt gegliedert in die Bereiche: Sehen – Urteilen – Handeln. Im ersten Teil der Enzyklika gibt er einen kurzen Überblick über die aktuelle ökologische Krise in Form von Umweltverschmutzung, und Klimawandel sowie der Wegwerfkultur auf Basis des heutigen Stands der wissenschaftlichen Forschung. Im zweiten Teil der Enzyklika geht es um die Beurteilung der aktuellen Situation. Gott hat die Welt für alle geschaffen. „Folglich muss der gesamte ökologische Ansatz eine soziale Perspektive mit einbeziehen, welche die Grundrechte derer berücksichtigt, die am meisten übergangen werden. Das Prinzip der Unterordnung des Privatbesitzes unter die allgemeine Bestimmung der Güter und daher das allgemeine Anrecht auf seinen Gebrauch ist die goldene Regel des sozialen Verhaltens und das Grundprinzip der ganzen sozialethischen Ordnung“, schreibt Papst Franziskus. Gläubige und Nicht-Gläubige seien sich heute darin einig, dass die Welt ein gemeinsames Erbe sei, dessen Früchte allen zugutekommen müssen. Für die Gläubigen verwandelt sich das in eine Frage der Treue gegenüber dem Schöpfer, denn Gott hat die Welt für alle erschaffen. Folglich muss der gesamte ökologische Ansatz eine soziale Perspektive einbeziehen, welche die Grundrechte derer berücksichtigt, die am meisten übergangen werden. „Die Kirche verteidigt zwar den berechtigten Anspruch auf Privateigentum, lehrt jedoch ebenso unmissverständlich, dass jedes Privateigentum immer mit einer ‚sozialen Hypothek‘ belastet ist, damit alle Güter der allgemeinen Bestimmung dienen, die Gott ihnen zugeteilt hat“, so Papst Franziskus. Des Weiteren schreibt er: „Der Reiche und der Arme besitzen die gleiche Würde, denn der Herr hat sie alle erschaffen.“ Die Umwelt sei ein kollektives Gut und der Mensch die Wurzel der ökologischen Krise. Daher lautet sein Fazit: „Es gibt keine Ökologie ohne eine angemessene Anthropologie: Anerkennung des Anderen, Offenheit auf ein Du, Offenheit auf ein göttliches Du.“ Denn „ […] man kann nicht eine Beziehung zur Umwelt geltend machen, die von den Beziehungen zu den anderen Menschen und zu Gott isoliert ist.“ Als Elemente ganzheitlicher Ökologie sehe Papst Franziskus das Prinzip des Gemeinwohls „die Gesamtheit jener Bedingungen des gesellschaftlichen Lebens, die sowohl den Gruppen als auch deren einzelnen Gliedern ein volleres und leichteres Erreichen der eigenen Vollendung ermöglichen“.
Entwickeln eines alternativen Lebensstils
„Im Hinblick auf geeignete Handlungsstrategien fordert Papst Franziskus die Einbeziehung von NGO‘s, die Förderung von Energieersparnis, Kontinuität in der Politik und transparente Entscheidungsprozesse / Beteiligung“, so JProf. Sailer-Pfister. Papst Franziskus betont, dass die Kirche nicht beanspruche, die wissenschaftlichen Fragen zu lösen und auch nicht die Politik zu ersetzen, doch er fordert zu einer ehrlichen und transparenten Debatte auf, damit Sonderbedürfnisse oder Ideologien nicht das Gemeinwohl schädigen.
„Der Papst prangert die ‚Versessenheit auf einen konsumorientierten Lebensstil‘ an“, erklärte Sailer-Pfister, er spreche sich für den „Boykott bestimmter Produkte, um auf das Verhalten von Unternehmen einzuwirken“. Papst Franziskus erinnere an die soziale Verantwortung der Verbraucher, denn das „Kaufen ist nicht nur ein wirtschaftlicher Akt, sondern immer auch eine moralische Handlung“. Daher müsse eine Überwindung des Individualismus und die Entwicklung eins alternativen Lebensstils stattfinden: „Weg von einem abgeschotteten Bewusstsein und von der Selbstbezogenheit, hin zu einer Achtsamkeit gegenüber den Andere und der Umwelt.“
„Für die vom Papst geforderte Umkehr bietet der Reichtum der christlichen Spiritualität eine Quelle und einen Beitrag zu dem Versuch die Menschheit zu erneuern: Die Umweltkrise als Aufruf zur inneren Umkehr (= ökologische Umkehr) und zugleich der gemeinschaftlichen Umkehr“, sagte Sailer-Pfister. „Aus dem christlichen Glauben folgt – eine allumfassende Verantwortung für die Schöpfung zu übernehmen! Christliche Spiritualität ermutigt zu einem prophetischen und kontemplativen Lebensstil – dazu fordert die Enzyklika auf und wir alle stehen in der Verantwortung“, hielt Sailer-Pfister abschließend fest.
In einer anschließenden Diskussion mit den Besuchern, die von Dr. Jürgen Kroth, Religionspädagoge an der PTHV, geleitet wurde, konnten die Einsichten ergänzt und vertieft werden. Die Akademietage der Pallottiner Vallendar werden in Zusammenarbeit mit der Fachstelle der Katholischen Erwachsenenbildung Koblenz und der Katholischen Erwachsenenbildung der Bildungswerke Westerwald und Rhein-Lahn veranstaltet. Am 16.01.2016 findet der 2. Akademietag zum Thema „Gewalt- und Friedenspotentiale in Christentum und Islam“ und am 23.01.2016 der 3. Akademietag zum Thema „Martin Luther verstehen – Ökumene heute leben“ jeweils von 14.00-17.00 Uhr an der PTHV, Pallottistraße 3, 56179 Vallendar, statt. Nach den Veranstaltungen ist Gelegenheit zur Teilnahme an der sonntäglichen Vorabendmesse gegeben. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Der Eintritt ist frei. Weitere Auskünfte unter der Telefonnummer 0261/6402-255.
Information zur PTHV:
Die Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar ist eine kirchlich und staatlich anerkannte wissenschaftliche Hochschule (im Rang einer Universität) in freier Trägerschaft. Die Gesellschafter der PTHV gGmbH sind die Vinzenz Pallotti gGmbH und die Marienhaus Holding GmbH. Rund 50 Professoren und Dozenten forschen und lehren an der PTHV und betreuen etwa 300 Studierende beider Fakultäten Theologie und Pflegewissenschaft.
Kontakt zur Pressestelle der PTHV:
Verena Breitbach, Tel.: 0261 6402-290, E-Mail: vbreitbach@pthv.de
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