Finanzminister erklärt aktuelle Situation Sachsen-Anhalts im Licht der Flüchtlingskrise
Die 99. Vorlesung der GenerationenHochschule lockte über 280 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aller Altersgruppen in das Wernigeröder AudiMax. „Wir wollen heute über ein Thema diskutieren, das Politik wie Menschen im Lande derzeit besonders bewegt“, begrüßte Hochschul-Rektor Prof. Dr. Armin Willingmann das Auditorium der März-Veranstaltung.
Unter dem Titel „Integration von Flüchtlingen in Sachsen-Anhalt – Chance oder Herausforderung? Bereicherung oder Belastung?“ hatte die Hochschule Finanzminister Jens Bullerjahn und Innenminister Holger Stahlknecht für eine gemeinsame Veranstaltung mit Diskussion gewonnen. Wegen der Mitwirkung am NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht musste der Innenminister kurzfristig absagen, so dass der langjährige Finanzminister Jens Bullerjahn die Lage im Lande anhand umfangreichen Zahlenmaterials aufzeigte. Im Anschluss daran beantwortete er im größten Hörsaal der Hochschule Harz die Fragen der Bürgerinnen und Bürger, hörte sich mit Interesse in dieser offenen Gesprächsrunde die Sorgen und Gedanken zur Flüchtlingskrise an. Moderiert wurde die Veranstaltung von Tom Koch, Leiter Unternehmenskommunikation im Harzklinikum Dorothea Christiane Erxleben. Die Präsentationsfolien des Vortrags stehen unter www.generationenhochschule.de zum Download bereit.
Der Finanzminister startete mit dem Hinweis, dass er aus dem Bergbau komme und daher klare Ansagen gewohnt sei, was das Publikum mit Applaus bedachte. Er freute sich zudem, dass die Hochschule „nicht im eigenen Saft schmort“ und mit solchen Veranstaltungen den Dialog zu aktuellen, auch brisanten Themen ermöglicht. Klar ging es auch weiter: Mit einem Bekenntnis zu Kanzlerin Angela Merkel. „Ich habe Respekt vor dieser Frau“, so Bullerjahn. Gleichzeitig betonte er, dass es unglücklich sei, wenn „die größten Schreihälse aus Regionen kommen, wo es weder Ausländer noch Flüchtlinge gibt.“ Die legendären Worte „Wir schaffen das“ formulierte er neu: „Ich sage ‚Wir kriegen das hin‘, aber es ist Chance und Herausforderung, Bereicherung und Belastung zugleich. Deutschland muss sich dem geschlossen stellen. Es wäre falsch zu sagen, dass keine Konsequenzen spürbar werden.“
Er zeigte Diagramme, erklärte Entwicklungen: „‚Das hat man doch kommen sehen‘, wird gern gesagt. Das stimmt nicht, dieses Ausmaß war nicht abschätzbar – und wir sind nicht so deppert wie gern behauptet wird“, meinte der Politiker und zeigte sich als leidenschaftlicher Europäer: „Dieses friedliche Miteinander ist ein wertvolles Gut – und Deutschland der größte Nutznießer, gerade mit Blick nach Amerika und Asien.“ Bullerjahn gab zu, dass wenn Europa mit der Flüchtlingskrise nicht umgehen könne, die Frage „Wozu brauche ich es dann?“ unvermeidbar wird. Es werde kein Europa funktionieren, in dem Geben und Nehmen nicht ausgeglichen sei.
Der Dozent erkannte die mentale Herausforderung der aktuellen Lage, betonte aber, dass Schwarz-Weiß-Diskussionen sowie angeblich einfache Lösungen bei komplexen Problemen nicht zielführend seien. Er versprach: „Keines der geplanten Projekte für die einheimische Bevölkerung wird zurück genommen.“ Zudem würden allein im Landesdienst 1.000 neue Mitarbeiter eingestellt. „Wir dürfen nicht vergessen, es gehen weit mehr Menschen aus Sachsen-Anhalt weg als ankommen. Wir müssen offener sein, dieses Land braucht Zuwanderer, die anpacken und aufbauen – und auch bei der Mittelverteilung über den Bund geht es letztendlich um Einwohnerzahlen“, gab er zu bedenken.
Während der Diskussion erreichten den Minister konkrete Fragen zu verwaltungsrechtlichen Aspekten, wirtschaftlichen Auswirkungen und der medialen Aufbereitung der Flüchtlingskrise. Auch zur Rolle Deutschlands in der Welt bezog Bullerjahn klare Position: „Seien wir weltoffen, alle schauen nach Deutschland: Abschottung hilft uns nicht! In 30 Jahren wird Deutschland sein Gesicht verändert haben, das ist auch gut so.“ Mit den Worten „Bleiben Sie wachsam – aber nicht verbiestert“, verabschiedete sich der Finanzminister, der weder dem neuen Landtag noch der neuen Landesregierung angehören wird. Das wahre Schlusswort jedoch gehörte Huong Trute, gebürtige Vietnamesin und in Wernigerode als Inhaberin eines Spezialitäten-Restaurants sowie für ihr herausragendes Engagement im interkulturellen Netzwerk bekannt. Sie richtete sich mit einem emotionalen Bericht über ihre eigene Geschichte an die Zuhörer. Mit dem Satz „Geben Sie den Neuankömmlingen eine Chance“, entließ sie die Besucher der GenerationenHochschule in den Abend.
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